DAZ aktuell

Neue Art von Rezeptsammelstellen

Der Apotheken-Kiosk in der Münchener S-Bahn

Erster "Apotheken-Kiosk" in Betrieb

MÜNCHEN/STUTTGART (diz). Am Münchener S-Bahnhof Isartor steht seit letzter Woche der erste "Apotheken-Kiosk" (siehe auch den Bericht in unserer Montagsausgabe vom 19. November). Betrieben wird er von der "apotheke.de Portal GmbH" (nicht zu verwechseln mit apotheken.de) in Kooperation mit der Versandapotheke mycare in Lutherstadt Wittenberg.

In einer Pressemitteilung des Betreibers vom 14. November heißt es, man wolle damit in den Wettbewerb mit Drogerieketten wie dm und Schlecker einsteigen. Und: Die Kioske sollen "klar als Kampfansage an die Präsenzapotheker verstanden werden", so der Pressesprecher.

Bei genauerer Betrachtung entpuppt sich der Kiosk als eine Rezeptsammelstelle, als Briefkasten für die Versandapotheke "mycare". Entgegen der Pressemitteilung ist es nicht möglich, seine Rezepte dort einzuscannen.

Dr. Florian Korff, Geschäftsführer der "apotheke.de Portal GmbH" ist überzeugt davon, dass sich seine Kiosk-Idee durchsetzt, zumal er "viel schneller als DocMorris" das Land mit Kiosken überziehen kann. Außerdem kann die Lieferung noch rascher ablaufen als über den Versandweg, wenn er, so seine Planung, mit ortsansässigen Apotheken zusammenarbeitet.

In unserer Montagsausgabe haben wir bereits einige Stellungnahmen aus Apothekerkreisen zu dieser Geschäftsidee veröffentlicht. Hier zwei weitere

Kurzstatements:

Thomas Preis, Vorsitzender Apothekerverband Nordrhein e.V.:

Die Politik muss jetzt handeln. Die fortschreitende Bagatellisierung des Arzneimittels ist schon schlimm genug. Arzneimittel neben Zigaretten und Schokoriegeln im Automaten auf dem Bahnsteig ist nun eine neue Dimension. Aber viel schlimmer sind die grundsätzlichen Gefahren, die vom Arzneimittel-Versandhandel ausgehen. BKA, WHO und noch viele andere warnen eindringlich davor. Was muss noch passieren, damit die Politik endlich handelt und einen ordnungspolitischen Riegel zum Schutz der Verbraucher vorschiebt? Arzneimittel gehören in die öffentliche Apotheke. Dazu gibt es keine Alternative!

Gerhard Reichert, 1. Vorsitzender des Bayerischen Apothekerverbands:

Die Eröffnung eines sog. Apotheken-Kiosks in einem Münchener S-Bahnhof zeigt einmal mehr, dass die Freigabe des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln im Jahr 2004 zu einer Kettenreaktion verhängnisvoller Entwicklungen in der Arzneimittelversorgung geführt hat. Es musste erwartet werden, dass weitere Geschäftemacher auf den Zug aufspringen, der durch die Einrichtung von Rezeptsammelstationen in dm-Drogeriemärkten in Nordrhein-Westfalen – mit vorläufiger gerichtlicher Duldung – in Gang gesetzt worden war.

Auf ein mögliches Missverständnis möchte ich hinweisen: Das sog. Online-Terminal, an dem in diesem Kiosk die Kunden ihre Rezepte einscannen sollen, hat nichts mit den Telematik-Projekten auf Bundes- und Landesebene und damit auch nichts mit dem für die Zukunft geplanten elektronischen Rezept zu tun. Vielmehr handelt es sich um eine Rezeptsammelstelle, über die der Kunde sein Rezept oder eine andere Bestellung an eine ihm wahrscheinlich nicht näher bekannte Internet-Apotheke absenden soll.

Das Konzept ist weder mit der Arzneimittelsicherheit noch mit dem Verbraucherschutz vereinbar. Wie die vergleichbaren dm-Rezeptsammelstellen ist auch dieser Kiosk lediglich geeignet, das sensible Gut Arzneimittel zu bagatellisieren.

Wir prüfen derzeit, ob dieser sog. Apotheken-Kiosk den rechtlichen Vorschriften entspricht, was wir bezweifeln. Abgesehen davon wird aber noch deutlicher als bisher, dass nur gesetzliche Maßnahmen derartige Auswüchse eindämmen und Arzneimittelsicherheit und Verbraucherschutz auf dem hohen Niveau halten können, wie es heute noch durch die inhabergeführte Apotheke gewährleistet wird. Es ist höchste Zeit, dass der Gesetzgeber handelt.

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