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Sanddorn – herbstliche Vitaminpower

Wer im Spätsommer an den Küsten von Nord- oder Ostsee entlang spaziert, kann die dornigen Sträucher mit ihren orangeroten Beeren kaum übersehen. Sanddorn setzt Akzente, sowohl farblich als auch inhaltlich. Seine Früchte schlagen in puncto Vitamin-C-Gehalt fast alle heimischen Obstsorten um Längen. Sanddorn erobert verschiedenste Lebensbereiche gleichermaßen, sowohl kulinarisch und medizinisch als auch kosmetisch und erfreut sich einer stets wachsenden Beliebtheit. Grund genug für uns, Ihnen Sanddorn an dieser Stelle einmal näher vorzustellen.

Dünndornbeere, Haffdornbeere, Orangenbeere oder Korallenstrauchbeere sind nur einige der vielen umgangssprachlichen Bezeichnungen für die Früchte des Sanddorns (Hippophae rhamnoides), der zur Familie der Ölweidengewächse zählt. Die lateinische Bezeichnung deutet auf eine Beziehung zu Pferden hin – das in den Beeren enthaltene Öl soll den Vierbeinern ein glattes, glänzendes Fell beschert haben.

Der strauchförmige Sanddorn kann Höhen bis zu sechs Meter erreichen. Die Zweige bilden verdornte Kurztriebe aus, die durch zahlreiche feine Schuppen silbergrau glänzen. Im Frühjahr lässt sich Sanddorn an den kleinen leicht gelblichen Blüten erkennen. Von August bis Dezember bringt die Pflanze an den weiblichen Sträuchern ihre säuerlichen, korallen- bis orangeroten und botanisch als Scheinbeeren bezeichneten Früchte hervor. Die Beeren bilden kurze, von Dornen umgebene und besonders fest sitzende gedrungene Träubchen. Daher lassen sie sich nur bedingt maschinell abschütteln, meist bleibt die Ernte Handarbeit. An der Humboldt-Universität wurde ein Ernteverfahren entwickelt, bei dem die abgeschnittenen Äste schockgefrostet, die Früchte anschließend auf einem Rost abgerüttelt und schonend weiterverarbeitet werden. Wichtig ist es, den richtigen Erntezeitpunkt abzupassen, da es in überreifen Früchten zur Buttersäuregärung kommen kann, was die Beeren ungenießbar macht. Restliche Sanddornfrüchte bleiben den ganzen Winter über hängen und dienen zahlreichen Vögeln als Nahrungsquelle.

Verbreitung: "Hoch stand der Sanddorn ...

... am Strand von Hiddensee ..." besang Nina Hagen einst in einer Textzeile den in Europa typischen maritimen Standort der Pflanze, die küstennahen Dünen an Ostsee, Nordsee und Mittelmeer. Der robuste Zier- und Nutzstrauch wird dort aufgrund seines dichten Wuchses und der starken Wurzeln häufig als Bodenbefestiger angepflanzt, um Flugsand zu binden und erosionsgefährdete Gebiete zu schützen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass sich in Mecklenburg-Vorpommern mit 100 Hektar das größte Anbaugebiet deutschlandweit befindet.

Ursprünglich in Nepal beheimatet umfasst das Verbreitungsgebiet von Sanddorn heute in Europa neben den Küsten von Nord- und Ostsee das Alpengebiet und die Karpaten, sowie weite Teile Asiens bis nach Sibirien und die Volksrepublik China. China besitzt Anbauflächen von über einer Million Hektar und gilt als größter Sanddornproduzent weltweit. Je nach ökologischer Gegebenheit lassen sich verschiedene Arten und Unterarten hinsichtlich Wuchsform, Fruchtform und auch Inhaltsstoffen unterscheiden. Sanddorn ist, was die Bodenbeschaffenheit angeht, relativ anspruchslos und zudem in der Lage, durch Symbiose mit sogenannten Aktinomyzeten (Strahlenpilzen) seinen Stickstoff aus der Luft selbst aufzunehmen. In der ehemaligen DDR wurde Sanddorn erstmals Ende der 1960er Jahre angebaut und durch Züchtungen den Ansprüchen entsprechend kultiviert. Bisher existieren weltweit ca. 30 weibliche und etwa fünf männliche Sorten.

Vitamin-C-Bombe oder Zitrone des Nordens

Lange war Sanddorn als bester einheimischer Vitamin-C-Lieferant verkannt. Die kleine Frucht strotzt nur so vor Ascorbinsäure und übersteigt mit 450 mg pro 100 g essbarem Anteil den Vitamin-C-Gehalt der Zitrusfrüchte um das Sechs- bis Zehnfache. Auch einheimische Obstsorten liegen weit hinter dem Sanddorn. Lediglich Hagebutten ziehen mit einer Konzentration von 1250 mg Vitamin C pro 100 g essbarem Anteil an den orangeroten Beeren vorbei.

Für ein starkes Immunsystem

Vor allem in Wintermonaten stärkt Sanddorn das Immunsystem und beugt auf diese Weise Infektanfälligkeit, Erschöpfungszuständen und Appetitmangel vor. Darüber hinaus macht der hohe Gehalt an Mineralstoffen (Calcium, Magnesium), Spurenelementen (Mangan, Eisen), sekundären Pflanzeninhaltsstoffen (Phytosterine, biogene Amine, Polyphenole) und weiteren essentiellen Vitaminen den Sanddorn ernährungsphysiologisch zu einem wahren Tausendsassa. Seine B-Vitamine (B1 , B2 , und B6), Vitamin E und Betacarotin gelten als effektiver Zellschutzkomplex, wirken entzündungshemmend und bewahren die Haut vor Entmineralisierung und Alterserscheinungen. Unter Umständen kann Sanddorn auch Vitamin B12 enthalten, das jedoch in der Beere nicht natürlich vorkommt, sondern durch Symbiose mit Bakterien auf der Außenschale entsteht. Aufgrund seiner Inhaltsstoffe werden dem Sanddorn schützende und vorbeugende Wirkungen an Herz und Gefäßen zugesprochen. Auch auf Wasserhaushalt und Nierenfunktion soll er sich günstig auswirken und zusätzlich den Cholesterinspiegel positiv regulieren.

Säuerlicher Muntermacher

Der gesundheitliche Nutzen des Sanddorns lässt sich auch stets mit seinem vielfältigen Genuss verbinden. Traditionell wird dabei in Deutschland und Europa der aus den Beeren gepresste Saft oder das Fruchtfleisch verwendet. Ohne Süßungsmittel schmecken Sanddornfrüchte fast unangenehm sauer und herb. Mit anderen Säften vermischt und unter Beimengung von Zucker, Honig, Ahornsirup oder anderen Süßungsmitteln lässt sich Sanddorn als orangeroter dicker Fruchtsaft, Nektar, Likör und Obstwein genießen. Aus dem Fruchtfleisch werden Marmeladen und Gelees zubereitet oder das Mus zum Würzen von Speisen, als Füllmasse von Bonbons oder in der Kindernahrung verwendet. Ideal sind Sanddornzubereitungen beispielweise in Joghurt, Quark oder Müsli eingerührt. Vermischt mit einigen Tropfen Salatöl verfeinert die farbenfrohe Beere Suppen, Saucen, Chutneys und verleiht Fischmarinaden eine fruchtige Note.

Ölige Vielfalt aus Fruchtfleisch ...

In den Gebieten Asiens ist die Botanik der Sanddornbeere eine andere als in Europa. Aufgrund der vorherrschenden extremen Temperaturunterschiede von Sommer und Winter enthalten die Früchte weniger Wasser, da sie sonst platzen würden. Im Gegenzug dazu liegt ihr Ölanteil höher als bei den hier angebauten heimischen Vertretern. Das erklärt, weshalb Sanddornöl in Asien eine breite Anwendung findet und dort seit mehr als 1200 Jahren auch medizinisch genutzt wird. Zunächst muss zwischen Fruchtfleischöl und Samenkernöl unterschieden werden. Das zu 8% im Fruchtfleisch der Beere enthaltene Öl wird durch Kaltpressung gewonnen und erhält seine stark orangerote Färbung durch die in großen Mengen eingebundenen Carotinoide (380 mg pro 100 g Fruchtfleisch). Es ist von halbfester Konsistenz, trägt einen sanddorntypischen Geruch und verfügt neben viel Vitamin E über einen hohen Anteil an Palmitoleinsäure, Palmitinsäure und Ölsäure. Die sich daraus ergebenden antioxidativen Vorzüge werden in erster Linie bei der äußerlichen Anwendung genutzt. Sowohl zum Schutz vor Strahlung als auch für die Regeneration verbrannter Haut sind Fruchtkernöle häufig Bestandteil in Kosmetika. Innerlich verabreicht sollen wenige Tropfen in Wasser oder Saft eingerührt Sodbrennen und Magen-Darmbeschwerden lindern. Gegen Mandel- und Rachenentzündungen wird mit dem Öl gegurgelt oder die entzündeten Stellen eingepinselt.

... oder nussartigem Samenkern

Weniger aromatisch und aufgrund der geringen Carotinoidmengen eher gelbbraun gefärbt ist das flüssige Sanddornkernöl reich an den ungesättigten Fettsäuren Linolsäure und Alpha-Linolensäure. Ihm werden entzündungshemmende, antibakterielle Eigenschaften nachgesagt. Es ist Bestandteil von Wundheilungspräparaten, insbesondere nach Laserbehandlungen, und das Kernöl hilft bei Akne und Hautallergien. In Bezug auf seine Haltbarkeit ist es dem Fruchtfleischöl deutlich überlegen.

Auch wenn Sanddornöle in zahlreichen medizinischen Bereichen Anwendung finden, sollten sie nicht als Arzneimittel mit spezifischer Reaktion verstanden werden. Sie zeichnen sich vielmehr durch eine vorbeugende oder unterstützende Wirkung aus.

Franziska Wartenberg
Orangerote Pracht Von August bis Dezember erscheinen an den bis zu sechs Meter hohen Sanddornsträuchern die leuchtend organgefarbigen Beeren.
Foto: Imago
Sanddorntee Tee ist nur eine von vielen Formen, in denen Sanddorn im Handel ist. Man erhält ihn auch als Elixier, Saft, Öl, in Cremes, Marmeladen, Süßigkeiten, Shampoo, Körperlotion und und und ...
Foto: Imago

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