Arzneimittel und Therapie

Marktrücknahme

Aprotinin weltweit vorübergehend vom Markt genommen

In Kanada wurde eine seit 2001 laufende Studie vorzeitig beendet, weil bei einer Zwischenauswertung die Mortalität in der mit Aprotinin (Trasylol®) behandelten Patientengruppe im Vergleich zu Patienten, die mit Tranexamsäure oder mit Aminocapronsäure behandelt wurden, erhöht war. Als Reaktion auf diese Erkenntnisse hat die Firma Bayer nach Beratungen mit dem deutschen Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und der US-amerikanischen FDA Aprotinin weltweit vorübergehend vom Markt genommen. Bayer will jetzt zusammen mit den Behörden das Nutzen-Risiko-Profil erneut bewerten.

Schon Anfang September 2006 hatte das BfArM Änderungen der Produktinformationen des Antifibrinolytikums veranlasst, da nach Bypass-Operationen häufiger Nierenfunktionsstörungen aufgetreten waren, darunter auch schwerwiegende. In den Produktinformationen wurde das Anwendungsgebiet von Aprotinin präzisiert und eingeschränkt und um Hinweise auf das erhöhte Risiko von Nierenfunktionsstörungen, um Vorsichtsmaßnahmen und um Angaben zu den Nebenwirkungen ergänzt.

Die jetzt abgebrochene BART-Studie (Blood Conservation using Antifibrinolytics: A randomized Trial in High-Risk Cardiac Surgery Patients) ist eine vom kanadischen Gesundheitsministerium geförderte randomisierte, kontrollierte, klinische Studie an herzchirurgisch behandelten Hochrisikopatienten. Die 2970 Patienten wurden randomisiert einem der drei Behandlungsarme (Aprotinin, Tranexamsäure oder Aminocapronsäure) zugeordnet. Mit der Studie sollte gezeigt werden, dass das absolute Risiko für massive postoperative Blutungen um 3% und für die Notwendigkeit von Bluttransfusionen um 10% bei der Behandlung mit Aprotinin geringer ist gegenüber den Vergleichsgruppen. Sekundäre Endpunkte waren u. a. die Gesamtmortalität, Anzahl der Herzinfarkte, zerebraler Ereignisse und von Nierenversagen. Nach einer regulären Zwischenauswertung kamen die Mitglieder des Data Safety Monitoring Boards zu der Schlussfolgerung, dass die Studie aufgrund der erhöhten Mortalitätsrate im Aprotinin-Arm vorzeitig beendet werden soll. Detaillierte Ergebnisse aus der Studie werden in etwa acht Wochen erwartet.

Der Hersteller Bayer hat jetzt nach Beratungen mit den Gesundheitsbehörden weltweit die Vermarktung von Aprotinin vorübergehend ausgesetzt. Die Aussetzung der Vermarktung gilt so lange, bis die endgültigen Ergebnisse der Studie vorliegen und analysiert worden sind.

Um bestimmten Patienten bei chirurgischen Eingriffen im Falle medizinischer Notwendigkeit dennoch eine Behandlung mit Aprotinin zu ermöglichen, soll ein spezielles Patientenprogramm erarbeitet werden.

Proteinaseinhibitor

Aprotinin ist ein hoch gereinigtes natürliches Polypeptid aus 58 Aminosäuren, das prophylaktisch zur Verringerung von Blutverlust und Bluttransfusionen bei Patienten mit extrakorporaler Zirkulation unter anderem im Verlauf einer Bypass-Operation eingesetzt wird. Der Breitspektrum-Proteinaseinhibitor weist antifibrinolytische Eigenschaften auf. Durch Bildung reversibler Enzyminhibitor-Komplexe wirkt Aprotinin als Hemmstoff von menschlichem Trypsin, Plasmin sowie von Plasma- und Gewebekallikrein und hemmt somit die Fibrinolyse. Außerdem inhibiert Aprotinin in der Vorphase der Gerinnung die Kontaktaktivierung, durch die sowohl die Koagulation eingeleitet als auch die Fibrinolyse begünstigt wird. In der besonderen Situation beim kardiopulmonalen Bypass und der durch unphysiologische Oberflächen vermittelten Kontaktaktivierung scheint die zusätzliche Hemmung des Plasmakallikreins zum gewünschten Effekt beizutragen, den man allgemein als Verringerung der Störungen im Gerinnungs- und Fibrinolysesystem beschreiben könnte.

Quelle

Early Communication about an Ongoing Safety Review Aprotinin Injection (marketed as Trasylol), Pressemitteilung der FDA vom 19. Oktober 2007.

Presseinformationen der Firma Bayer und des BfArM vom 5. November 2007.

ck/hel

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