Öffentliches Gesundheitswesen

Arbeitsplatz Krankenkasse

Die Arzneimitteltherapie spielt bei der Behandlung von Patienten eine große Rolle. Daher muss es das Ziel sein, die Qualität der Arzneimittelversorgung in allen Bereichen, also nicht nur in der öffentlichen Apotheke, zu verbessern und zu sichern. Auch Krankenkassen beschäftigen zunehmend Apothekerinnen und Apotheker. Dies entspricht der Bedeutung der Arzneimitteltherapie und bedeutet eine Professionalisierung des Arzneimittelbereichs in den Krankenkassen, die allen Akteuren im Gesundheitswesen zugute kommt.

Vertragliche Grundlagen der Verordnung und Abgabe von Arzneimitteln, Marktanalysen, pharmakologische und auch vergleichende Arzneimittelbewertungen, die Beratung von Ärztinnen und Ärzten wie auch von Patientinnen und Patienten gehören ebenso zum Aufgabenspektrum wie etwa die Qualifizierung des Personals und die Unterstützung der Öffentlichkeitsarbeit einer Krankenkasse. Dies soll anhand einiger Beispiele im Folgenden konkretisiert werden.

Ein Hauptbetätigungsfeld für Apotheker bei den Krankenkassen ist die Pharmakotherapieberatung von Ärzten anhand von Arzneimittelverordnungsanalysen. Allein für die AOKen arbeiten bundesweit mehr als 100 Beratungsapotheker, die sich mit der Qualität und Wirtschaftlichkeit in der Arzneimitteltherapie beschäftigen.

Seit vielen Jahren bieten Krankenkassen Ärzten Gespräche zum eigenen Arzneimittelverordnungsverhalten an. Dazu werden die Verordnungsdaten, die die Krankenkassen nach § 300 SGB V von den Apotheken, beziehungsweise den Apothekenrechenzentren erhalten, analysiert. Im Wissenschaftlichen Institut der Ortskrankenkassen (WidO) wurde hierzu das AOK-eigene Analyseprogramm pharmPRO® entwickelt. Die Rezeptdaten eines Arztes werden nach verschiedenen Gesichtspunkten ausgewertet. Die Aufgabe des Apothekers ist es, die Daten zu interpretieren, Arzneimittel nach therapeutischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu bewerten und mögliche Alternativen zu nennen.

Die Durchführung der pharmPRO® -Gespräche kann in den einzelnen Bundesländern durchaus variieren. Am Beispiel der AOK Berlin soll die Vorgehensweise erläutert werden. Dem Arzt werden die kostenlosen Gespräche über sein Verordnungsverhalten gemeinsam mit der Kassenärztlichen Vereinigung angeboten, die diese Beratungsstellen auch mit Apothekern besetzt hat. In dem Gespräch werden dem Arzt Unterschiede zu seiner Fachgruppe aufgezeigt. Es werden die kostenintensivsten und die meistverordneten Arzneimittel intensiv diskutiert sowie Alternativen benannt.

Ein weiterer wichtiger Gesprächspunkt sind die Diskussion über Compliance und Arzneimittelneben- und -wechselwirkungen anhand anonymisierter Patientenbeispiele.

Die Erfahrung mehrerer Jahre zeigt, dass die Ärzte dieses freiwillige Angebot sehr gut annehmen. Oft können sie ihr Verordnungsverhalten optimieren. In vielen Fällen können dabei Kosten eingespart werden. Dies ist häufig im Interesse des Arztes, denn er ist bemüht, seine sog. Richtgröße (siehe unten) möglichst nicht zu überschreiten (bzw. nur dann zu überschreiten, wenn Praxisbesonderheiten diese Überschreitung rechtfertigen).

Zur regelmäßigen Literatur gehören neben den gängigen Fachzeitschriften der Apotheker und Ärzte die pharmaunabhängigen Zeitschriften, wie "Der Arzneimittelbrief", "das arzneitelegramm", "pharmakritik", "Die Arzneiverordnungen in der Praxis" und die "Therapieempfehlungen" (beides Veröffentlichungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft), die Bewertungen des Instituts für Klinische Pharmakologie aus Bremen und der jährlich erscheinende "Arzneiverordnungs-Report", der die Verordnungsdaten eines Jahres analysiert und kommentiert. Zur Klärung von Einzelfragen werden die klinischen Studien im Original herangezogen.

Arzneimittelinformation für Versicherte

Darüber hinaus geben Apotheker in den Krankenkassen Auskünfte zu Arzneimitteln gegenüber den Versicherten, den Mitarbeitern des eigenen Hauses, die Kundenanfragen beantworten, sowie gegenüber Apotheken und Ärzten.

Versicherte richten in der Regel Fragen zur Verordnungsfähigkeit bestimmter Arzneimittel an ihre Krankenkasse. Bei der Beantwortung der Fragen müssen u.a. gesetzliche Rahmenbedingungen berücksichtigt werden. Die wesentlichen Gesetze finden sich im Sozialgesetzbuch (SGB V). Daneben beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) nach § 91 SGB V Richtlinien zur Sicherung der ärztlichen Versorgung (§ 92 SGB V). Diese Richtlinien informieren über die Verordnung von Arzneimitteln und geben dem Arzt damit einen Rahmen, in dem er Arzneimittel verordnen kann. Die Richtlinien werden in Abständen überarbeitet und ständig aktualisiert. Eine wesentliche Änderung im Leistungskatalog der GKV war beispielsweise der Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel nach § 34 SGB V für den Großteil der Versicherten im Jahr 2004. Der G-BA legte in den Arzneimittelrichtlinien die Ausnahmen fest, in denen diese ausgeschlossenen Arzneimittel dennoch verordnet werden können. Hierzu waren und sind umfangreiche Informationen für die Versicherten und auch die Mitarbeiter der Krankenkassen, die häufig mit entsprechenden Anfragen von Versicherten konfrontiert werden, nötig.

Die Richtlinien des G-BA sind im Internet unter www.g-ba.de abrufbar.

Der G-BA hat das fachlich unabhängige, rechtsfähige, wissenschaftliche Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) nach § 139 a SGB V gegründet und ist dessen Träger. Das IQWiG hat die Aufgabe, zu Fragen von grundsätzlicher Bedeutung für die Qualität und Wirtschaftlichkeit der im Rahmen der GKV erbrachten Leistungen Stellung zu nehmen. Es arbeitet wissenschaftlich zu aktuellen medizinischen Fragestellungen auf der Basis von evidenzbasierter Medizin und gibt u.a. Bewertungen zum Nutzen von Arzneimitteln ab. Die Ergebnisse des IQWiG fließen in die Arbeit des G-BA ein.

Viele Versicherte wenden sich auch an ihre Krankenkasse, wenn ein Medikament im Off-Label, also außerhalb seiner zugelassenen Indikation, eingesetzt werden soll. Bei der Beantwortung der Fragen muss die aktuelle Rechtsprechung berücksichtigt werden. Häufig wird der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) zu Rate gezogen.

Bei der Vorbereitung und Verhandlung von Verträgen

Die Krankenkassen bekommen zunehmend Gestaltungsmöglichkeiten und mehr Vertragsspielräume. Daher ergeben sich auch im Vertragsbereich größere Einsatzmöglichkeiten für Apotheker. Hier ist pharmazeutischer Sachverstand ebenso gefragt wie Verhandlungsgeschick. Im Arzneimittelbereich geben die Vorschriften des SGB V den gesetzlichen Rahmen vor. Auf Spitzenebene werden in einigen Vertragssegmenten die Rahmen-

vereinbarungen und auf Landesebene darauf aufbauende Verträge verhandelt.

Ein wichtiger Vertrag auf Landesebene ist z.B. der Arzneimittelliefervertrag zwischen den Krankenkassen und Verbänden und dem Apothekerverein. Häufig wird auf Kassenseite gemeinsam verhandelt. Auf Spitzen-ebene existiert eine Rahmenvereinbarung, die bereits grundlegende Dinge, wie die Aut-

idem-Regelung oder die Importquote, regelt. Aber auch auf Landesebene gibt es vielfältige gestalterische Möglichkeiten. So werden Preise für Produktgruppen, die zu den Arzneimitteln zählen, aber nicht der Arzneimittelpreisverordnung unterliegen, verhandelt. Hierunter fallen z.B. die Impfstoffe, Blutzuckerteststreifen, Verbandstoffe und enterale Ernährungslösungen. Daneben werden Regelungen getroffen, innerhalb welcher Fristen die Krankenkassen Rezepte taxieren können und bis wann ggf. ein Widerspruch der Apotheke erfolgt sein muss. Schließlich werden Zahlungsfristen vereinbart.

Eine neue Möglichkeit, Verträge mit öffentlichen Apotheken zu schließen, hat sich durch das Wettbewerbsstärkungsgesetz (WSG) ergeben, das von der Arzneimittelpreisvereinbarung abweichende Preisvereinbarungen zu in Apotheken hergestellten Zytostatika zur unmittelbaren Anwendung bei Patienten zulässt.

Neben Verträgen mit öffentlichen Apotheken gibt es auch die Möglichkeit, mit Krankenhausapotheken Vereinbarungen nach § 129a SGB V zu treffen. Hier können für bestimmte Arzneimittel Preise vereinbart werden.

Außerdem werden mit Versandapotheken Vereinbarungen getroffen. Hierzu wird zunächst das Konzept der Apotheke und die Lieferbedingungen geprüft und es werden Vergleiche zu bereits bestehenden Verträgen gezogen.

Nach § 140 b SGB V können Krankenkassen Verträge zur integrierten Versorgung z.B. mit Ärzten, Trägern zugelassener Krankenhäuser, Trägern von Einrichtungen oder Gemeinschaften von Leistungserbringern abschließen. Die Vertragspartner verpflichten sich zu einer qualitätsgesicherten, wirksamen, ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung der Versicherten. Je nach Vertrag sind häufig auch Arzneimittel Bestandteil, so dass auch in diesem Bereich Apotheker eingebunden sind.

Eine weitere wichtige Vereinbarung ist die Arzneimittelvereinbarung nach § 84 SGB V, die die Krankenkassen und Verbände jährlich gemeinsam mit der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) eines Landes verhandeln, um die vertragsärztliche Versorgung mit Arzneimitteln sicherzustellen. Auf Landesebene werden auf Basis der Rahmenvorgaben, die auf Spitzenebene vereinbart werden, ergänzende Regelungen getroffen oder es werden Maßnahmen zur Umsetzung der Vorgaben der Rahmenbedingungen vereinbart. Inhalte der Vereinbarung sind z.B. das Ausgabenvolumen, Versorgungs- und Wirtschaftlichkeitsziele und konkrete Maßnahmen zur Umsetzung, um die Ziele zu erreichen. Insbesondere zur Beratung und Information sollen Maßnahmen vereinbart werden. Als Datenbasis dienen beispielsweise die GAmSi-Berichte (GKV Arzneimittel-Schnellinformation), die detaillierte Angaben zum Arzneimittelverordnungsverhalten der Ärzteschaft eines Landes enthalten. Nach Abschluss einer Vereinbarung werden gemeinsame Maßnahmen getroffen, die Inhalte umzusetzen und u.a. die Ärzte über Arzneimittel zu informieren. Die Erarbeitung der Informationen erfolgt in der Regel von den Apothekern der Krankenkassen und denen der KV.

Parallel zu der Arzneimittelvereinbarung werden die Richtgrößen auf Landesebene vereinbart. Die Richtgröße steht für das praxiseigene "Budget". In Berlin werden unterschiedliche Richtgrößen je nach Fachgruppe und je nach Versichertenstatus (Mitglieder/ Familienversicherte oder Rentner) festgelegt. Die Richtgröße ist als Durchschnittswert je behandeltem Patienten zu verstehen. Durch Multiplikation mit der Zahl der behandelten Fälle ergibt sich die arztindividuelle Richtgrößensumme. Daneben werden Praxisbesonderheiten vereinbart, die der Arzt im Falle einer Prüfung als besondere Kosten geltend machen kann, so z.B. Zytostatika. Überschreitet ein Arzt seine Richtgröße um mehr als 15%, kommt er in eine Richtgrößenprüfung von Amts wegen. Ab einer Überschreitung von 25% droht dem Arzt ein Regress, es sei denn, er kann Praxisbesonderheiten geltend machen, die seine Überschreitung rechtfertigen. (Diese Regelung ist in den einzelnen Ländern abweichend!)

Eine relativ neue Form von Verträgen stellen die Rabattverträge mit der pharmazeutischen Industrie nach § 130a Abs. 8 SGB V dar. In Vorbereitung auf die Verträge mit der pharmazeutischen Industrie muss eine Marktanalyse durchgeführt werden, um die für eine Rabattvereinbarung interessanten Arzneistoffe zu ermitteln. Außerdem ist entscheidend, Arzneistoffe mit einem großen Stellenwert in der Therapie auszuwählen. Nach Abschluss der Vereinbarungen nach § 130a Abs. 8 SGB V müssen sowohl die Ärzte als auch die Versicherten und inzwischen auch die öffentlichen Apotheken über die Verträge informiert und die Umsetzung inhaltlich begleitet werden.

Wirtschaftlichkeitsprüfung

Nach § 106 SGB V überwachen die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen. Zum einen werden die Ärzte geprüft, die ihre Richtgröße überschritten haben, zum anderen können Ärzte nach festzulegenden Kriterien einer Stichprobenprüfung unterzogen werden. Die Prüfung wird in Prüfungs- und ggf. Beschwerdeausschüsse durchgeführt. Unter dem Vorsitz eines Unparteiischen sind die Ausschüsse paritätisch durch Kassen- und KV-Vertreter besetzt. Die KVen setzen hier vorrangig Ärzte, aber auch Apotheker ein. Die Krankenkassen besetzen ihre Positionen ebenfalls zunehmend mit Apothekern. Dadurch ist gewährleistet, dass auch auf der Ebene der Prüfungen inhaltlich pharmazeutisch geprüft und bewertet werden kann.

Fazit

In den verschiedenen Tätigkeitsfeldern für Apothekerinnen und Apotheker bei einer Krankenkasse steht die ureigenste pharmazeutische Fähigkeit, die Bewertung von Arzneimitteln, im Vordergrund. Daher sind gute pharmakologische Kenntnisse, die Fähigkeit, Studien zu interpretieren und Entwicklungen auf dem Arzneimittelmarkt zu verfolgen, wichtige Voraussetzungen für eine solche Tätigkeit. Daneben sind konzeptionelles Arbeiten und ein sicheres Auftreten Voraussetzungen, die gewünscht werden.

An den ausgeführten Beispielen der Arbeit von Krankenkassenapothekern wird deutlich, dass es viele Tätigkeitsfelder von Pharmazeuten auch außerhalb der Offizinapotheke gibt. Die Darstellung und Unterstützung aller Bereiche durch die Standesvertretung (Kammern, ABDA) trägt zur Verbesserung der Zusammenarbeit und zur Anerkennung der wichtigen Rolle aller Pharmazeuten in der öffentlichen Wahrnehmung bei.

Bettina Piep, Berlin

Bettina.Piep@bln.aok.de
Bislang sind folgende Beiträge erschienen:
Mattern, G.: Apotheker im öffentlichen Gesundheitswesen (Einführung). DAZ Nr. 24/2005, Seite 58
Schmidt, M.: Apotheker als GMP-Inspektoren. DAZ Nr. 28/2005, Seite 68
Demmer, D.: Apotheker in amtlichen Untersuchungseinrichtungen. DAZ Nr. 33/2005, Seite 4492
Langer, M.: Der Apotheker im Sanitätsdienst der Bundeswehr. DAZ Nr. 36/2005, Seite 4801
Speer-Töppe, E.: Romer, M.: Apothekerinnen und Apotheker im Unterricht. DAZ Nr. 40/2005, Seite 5354
Demelius, S.: Amtsapothekerinnen und -apotheker. DAZ Nr. 43/2005, Seite 5736
Heckmann, A.: Apothekerinnen und Apotheker in (Landes-) Ministerien. DAZ Nr. 46/2005, Seite 6100
Diedrich, R.: Apothekerinnen und Apotheker in Kammern. DAZ Nr. 50/2005, Seite 6572
Keitel, S., Schlumbohm, W.: Apothekerinnen und Apotheker bei der Zulassungsbehörde. DAZ Nr. 2/2006, Seite 164
Hembeck, H.-W.: Apotheker als GLP-Inspektoren. DAZ Nr. 6/2006, Seite 549
Rießelmann, B.: Analytische Toxikologie – ein interessantes Arbeitsgebiet für Apotheker. DAZ Nr. 34/2006, Seite 69

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