Arzneimittel und Therapie

Therapie der Spastik

Tolperison bessert Spastik bei neurologischen Erkrankungen

Nach Schlaganfall, Querschnittslähmungen oder Schädelhirntraumata können infolge einer Schädigung des ersten motorischen Neurons spastische Symptome auftreten. Die Betroffenen sind durch einen pathologisch gesteigerten Muskeltonus, gesteigerte Dehnungsreflexe, Störungen der Feinmotorik oder vorzeitige Ermüdbarkeit schwer in ihrer Lebensqualität eingeschränkt. Das zentral wirksame Muskelrelaxans Tolperison (Mydocalm® , Viveo®) kann hier helfen.

Zu den neurologischen Erkrankungen, die häufig zu einem spastischen Syndrom führen, gehören in erster Linie die multiple Sklerose und der Schlaganfall. Hier ist die Spastik ein zentrales und chronisches Begleitsyndrom, das die Mobilität und Lebensqualität der Betroffenen stark beeinträchtigt. Multiple Sklerose ist die häufigste neurologische Erkrankung des jungen Erwachsenenalters, in Deutschland wird die Zahl der Erkrankten auf 100.000 bis 120.000 geschätzt. Im Verlauf der Erkrankung leiden etwa 75% an einer Spastik, und etwa 15% sind von schwerer, behindernder Spastik betroffen. Dabei treten primär an den Beinen spastische Bewegungseinschränkungen auf, häufig kommt es zu einer asymmetrischen Paraparese mit Lähmungserscheinungen in beiden Beinen. Je nach Ausprägung und Lokalisation eines MS-Herdes können Störungen der willkürlichen Muskelfunktionen zu einem unterschiedlich starken Verlust an Muskelkraft führen. Ähnlich belastend wirkt sich die Spastik bei Patienten aus, die einen Schlaganfall erlitten haben – das sind etwa 250.000 Menschen jedes Jahr allein in Deutschland. Fast zwei Drittel derjenigen, die einen Schlaganfall überleben, bleiben behindert und sind auf fremde Hilfe angewiesen. Die Folgen eines Schlaganfalls sind je nach Lage und Größe des zerstörten Hirnareals sehr unterschiedlich. Typisch für eine Schädigung motorischer Bahnen, wie sie nach einem Schlaganfall auftritt, ist der muskuläre Hypertonus. Häufig leiden die Betroffenen unter Spastik, die auch für die pflegenden Angehörigen eine hohe Belastung darstellt.

Die Spastik ist fast ausnahmslos ein irreversibles Syndrom. Das klinische Erscheinungsbild ist einem charakteristischen zeitlichen Wandel unterworfen, da sich die Tonussteigerung häufig erst langsam entwickelt. So ist die betroffene Muskelgruppe zum Beispiel bei einer Rückenmarksverletzung zunächst schlaff und kraftlos, erst im Verlauf von Wochen bis Monaten entwickelt sich die überhöhte Spannung. Im Unterschied zum permanent gesteigerten Tonus kann dieser aber auch plötzlich auftreten, ein sogenannte einschießende Spastik.

Jedes spastische Syndrom erfordert die Anwendung einer spezialisierten physiotherapeutischen Behandlung. Das Ziel ist dabei die Vermeidung von Muskel-, Sehnen- und Gelenkkontraktionen einerseits und das Training verbliebener motorischer Funktionen andererseits. Eine Physiotherapie kann aber nur dann wirkungsvoll ausgeführt werden, wenn mit Hilfe von Muskelrelaxanzien der pathologisch erhöhte Muskeltonus gelöst wird, so dass bestimmte Bewegungsmuster überhaupt ausgeführt werden können.

Sowohl periphere als auch zentrale Effekte

Der genaue Wirkmechanismus von Tolperison ist noch nicht vollständig bekannt. Es entfaltet seine muskelrelaxierende Wirkung auf mehreren Ebenen: Zum einen stabilisiert es peripher die Zellmembran von Neuronen, indem es dosisabhängig den Einstrom von Natriumionen durch isolierte Nervenmembranen reduziert, wobei sowohl die Amplitude als auch die Frequenz von Aktionspotenzialen verringert wird. Damit werden pathologische, periphere Schmerzimpulse, die von verschiedenen motorischen oder vegetativen Reflexen herrühren und zu einem erhöhten Muskeltonus führen, unterdrückt. Im Hirnstamm reduziert Tolperison dosisabhängig erhöhte mono- und polysynaptische Reflexe auf ein physiologisches Niveau. Als Ergebnis der Behandlung mit Tolperison können häufig die Muskeln wieder ohne wesentliche Widerstände gedehnt werden. Eine der unerwünschten Wirkungen vieler Muskelrelaxanzien ist die Sedierung. Das durch die dämpfenden Nebenwirkungen herabgesetzte Reaktionsvermögen beeinträchtigen die Lebensqualität der Patienten mit spastischem Syndrom erheblich. Trotz seiner Wirkung auf das ZNS hat Tolperison keinen sedierenden Effekt. Es wirkt muskelrelaxierend und senkt den Muskeltonus, ohne dabei die Muskelkraft und -aktivität zu beeinflussen. Die Reaktionszeit und Arbeitsfähigkeit sind nicht eingeschränkt, die Betroffenen kann weiterhin aktiv am Tagesgeschehen teilnehmen. Tolperison führt nicht zur Abhängigkeit, es treten keine Entzugssymptome nach dem Absetzen auf. Darüber hinaus zeichnet sich der Wirkstoff durch ein geringes Interaktionspotenzial aus: Es sind keine Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln oder mit Alkohol bekannt, so dass Tolperison auch zur Langzeittherapie und bei komorbiden Patienten geeignet ist.

Quelle

Fachinformation Mydocalm® ; Stand Februar 2006.

Fachinformation Viveo® , Stand April 2007.

Pressemitteilung der Orion Pharma GmbH vom 28. September 2007.

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Tolperison kann effektiv Spastik und Spasmen reduzieren. Daneben weist es eine gute Verträglichkeit auf: Es wurden deutlich weniger Nebenwirkungen beobachtet als bei anderen in der Spastik-Therapie verwendeten Substanzen

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Foto: SPL/Agentur Focus

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