DAZ aktuell

Zytostatika-liefernde Apotheken

Neue Einzelheiten zu kriminellen Machenschaften

STUTTGART (bra). Nahezu 100 der 300 Zytostatika zubereitenden Apotheken, zusätzlich zwei Krankenhausapotheken, sind von Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Mannheim betroffen, bei denen es nicht nur um Abrechnungsbetrug, sondern auch um die Herstellung von Zubereitungen aus in Deutschland nicht zugelassenen, zum Teil verunreinigten Ausgangsstoffen geht. Immer neue Einzelheiten werden bekannt.

Die vom Landeskriminalamt Baden-Württemberg in Stuttgart vorangetriebenen Ermittlungen erstrecken sich auf Apotheken und Zwischenhändler aus nahezu allen Bundesländern mit Ausnahme von Bremen und dem Saarland. Der Schwerpunkt der Ermittlungen liegt in Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen. Die Ermittlungen laufen seit ca. einem halben Jahr. Vertreter der Apothekerschaft sind in die Ermittlungsarbeit schon frühzeitig involviert worden. Zunächst ging es "nur" um den Verdacht, dass die betroffenen Apotheker, so der federführende Staatsanwalt Thomas Pfeifer von der Staatsanwaltschaft Mannheim, gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen Medikamente zu deutschen Preisen abgerechnet haben, tatsächlich aber zur Herstellung von Zubereitungen Ware eingesetzt haben, für die in Deutschland und in der Europäischen Union keine Zulassung besteht. Betroffen von den festgestellten Betrügereien sind aber nicht nur Zytostatika bzw. patientenindividuell hergestellte Zytostatikazubereitungen; es geht auch um Wachstumshormone und therapeutische Antikörper.

Nach dem bisherigen Ermittlungsstand sollen zum Teil Ausgangsstoffe eingesetzt worden sein, die keinen oder kaum Wirkstoff enthielten oder die stark verunreinigt waren – die jedenfalls allesamt nicht den Spezifikationen der in Deutschland zugelassenen Präparate entsprachen. Verunreinigungen wurden zum Beispiel bei Importen aus Argentinien (genannt wird Taxotere®) festgestellt. Gegenüber dem Fernsehmagazin Report erklärte Peter Jebens, der selbst einen Spezialgroßhandel betreibt, ihm sei als Import ein Muster des in der Krebstherapie eingesetzten rekombinanten monoklonalen Antikörpers MabThera® aus Dubai angeboten worden. Er sei misstrauisch geworden, habe eine Analyse veranlasst. Das Ergebnis sei gewesen, dass es sich nicht um ein wirksames Krebsmittel, sondern um eine Flüssigkeit zweifelhaften Inhalts gehandelt habe. Er habe die Präparate deshalb nicht in den deutschen Markt geliefert und die Zusammenarbeit mit demjenigen, der ihm das Produkt angedient hat, eingestellt. Nach Informationen, die der DAZ vorliegen, hat Jeben aber eine ganze Zeitlang mit eben diesem Geschäftspartner (Hans R.) eine gemeinsame Firma betrieben. Dem Vernehmen nach gibt es mehrere auf Zytostatika und teure Biologicals spezialisierte dubiose "Rucksackgrossisten", die den Apotheken zu günstigen Preisen Ware von außerhalb der EU anbietet – Ware, die hier keine Zulassung hat und auch nicht nach §73 Abs. 3 AMG importiert und eingesetzt werden darf, weil entsprechende für Deutschland zugelassene Präparate verfügbar sind.

Apotheker um Aufklärung bemüht

Nach den bisherigen Ermittlungen erstrecken sich die Machenschaften, hinter denen die Krankenkassen ein ganzes kriminelles Netzwerk vermuten, auf Vorfälle im Zeitraum zwischen 2003 und 2007. Nach Informationen der DAZ ist nach Bekanntwerden der Ermittlungen die Nachfrage nach den in Deutschland zugelassenen und legal im Markt befindlichen Arzneimitteln deutlich angestiegen. Die Vermutung liegt nahe, dass dies im Zusammenhang damit steht, dass die Verwendung der hier nicht zugelassenen Arzneimittel aus ausländischen Quellen für die, die bisher darauf zugriffen, zu heiß geworden ist. Ein kleiner Lichtblick ist, dass Apothekerorganisationen von Anfang an an der Aufklärung der kriminellen Machenschaften beteiligt waren, dass sie also mit dazu beitragen haben, den international aufgestellten Ring auffliegen zu lassen und Licht in das Dunkel zu bringen. Verdient gemacht hat sich in diesem Zusammenhang der Vorsitzende des Hamburger Apothekervereins Dr. Jörn Graue, der schon seit 2005 in Hamburg in einer Task force zur Aufklärung von Betrugsfällen im Gesundheitswesen mitarbeitet, an der neben ihm auch Vertreter der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Vereinigung mitwirken.

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