Arzneimittel und Therapie

Hypertoniebehandlung

Nicht jedes Antihypertensivum ist für jeden geeignet

Das Bundesinstitut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat im Februar 2005 vom Gesetzgeber den Auftrag erhalten, eine vergleichende Nutzenbewertung verschiedener antihypertensiver Wirkstoffe als Therapie der ersten Wahl bei Patienten mit essenzieller Hypertonie zu erstellen. Der Vorbericht soll Ende Februar, der Abschlussbericht Mitte 2007 veröffentlicht werden. Der Auftrag hat die Diskussion darüber angeheizt, welches Antihypertensivum für welchen Patienten das richtige ist.

Diuretika, Betablocker, Calciumantagonisten, ACE-Hemmer. AT1 -Rezeptorantagonisten, Reninhemmer, die therapeutischen Optionen zur Behandlung der Hypertonie sind ausgesprochen vielfältig. Die Kosten hängen stark von der gewählten Substanz ab, Therapien mit neueren Antihypertensiva, die noch unter den Patentschutz fallen, sind deutlich teurer als beispielsweise eine Diuretika- oder Betablocker-Behandlung.

Die Erwartungen an die Nutzenbewertung durch das IQWiG sind von höchst unterschiedlicher Natur: Versicherungsträger hoffen auf eine Senkung der Therapiekosten, dem gegenüber stehen die Erwartungen der forschenden Arzneimittelhersteller, die auf die Refinanzierung ihrer Entwicklungskosten angewiesen sind und Gewinne machen müssen. Dazwischen stehen die Ärzte, die vor allem darauf drängen, dass ihre Therapiefreiheit nicht eingeschränkt wird. Sie wollen und müssen jedem Patienten das für ihn am besten geeignete Antihypertensivum weiter verordnen können.

Die Deutsche Hochdruckliga (DHL) fordert daher, dass eine Kosten-Nutzen-Analyse immer nur Hintergrund für eine ärztliche Entscheidung sein kann und nicht in Form einer Richtlinie die ärztliche Entscheidung ersetzen darf. Sie betont den Stellenwert von Leitlinien, die für den Arzt eine wertvolle Hilfestellung sind, ohne dass er dadurch in seiner therapeutischen Entscheidungsfreiheit gegängelt wird. Die DHL fordert, bei der Wahl des antihypertensiven Medikaments folgende Punkte unbedingt zu berücksichtigen:

  • Die gewählte Therapie muss den Blutdruck langfristig und ausreichend senken. Nur so lässt sich die Morbidität und Mortalität der Patienten verringern.
  • Die Therapie darf bereits existierende Krankheiten nicht verschlechtern.
  • Sie darf auch nicht die Entstehung neuer Krankheiten begünstigen.
  • Darüber hinaus müssen morbiditäs- und mortalitätsverringernde Eigenschaften von Arzneimitteln berücksichtigt werden, die über die der blutdrucksenkenden Wirkung hinausgehen.

Beispiel Diabetes

Am Beispiel Diabetes und Hypertonie werden die komplexen Zusammenhänge deutlich: Hypertoniker haben ein erhöhtes Risiko, an Diabetes mellitus zu erkranken. Damit steigt auch das Risiko für kardiovaskuläre Folgeerkrankungen sowie für die Entstehung einer diabetischen Retino-, Nephro- und Neuropathie. Lässt sich die Entstehung eines Diabetes mellitus durch eine adäquate antihypertensive Therapie hinauszögern, so ist das nicht nur ein Gewinn für den Patienten. Auch die Solidargemeinschaft wird mit weniger Kosten belastet. Die DHL sieht es als erwiesen an, dass eine antihypertensive Therapie mit Hemmstoffen des Renin-Angiotensin-Systems (RAS) das Risiko für die Entstehung eines Diabetes mellitus vermindern kann und fordert daher, dass jeder Arzt dies bei seinen differential-therapeutischen Überlegungen berücksichtigen soll. Sie weist darauf hin, dass Betablocker und Diuretika im Gegensatz zu RAS-Inhibitoren das Neuauftreten eines Diabetes mellitus fördern. Eine 2003 publizierte schwedische Langzeitstudie habe zudem erstmalig gezeigt, dass durch die Betablocker- und Diuretika-induzierte Hyperglykämie die Inzidenz von Herzinfarkten signifikant gesteigert wird. Die Morbidität des Diabetes mellitus müsse daher unbedingt bei der Wahl berücksichtigt werden. Besonderes Augenmerk müsse auf Patienten mit Risikofaktoren wie Übergewicht oder metabolischem Syndrom gerichtet werden. Sie müssten ihren Bedürfnissen entsprechend behandelt werden.

Warnzeichen Eiweiß im Urin

Auch die Eiweißausscheidung im Urin ist nach Meinung der DHL ein weiteres wichtiges Kriterium für die Einbeziehung in differenzial-therapeutische Überlegungen bei der Wahl eines geeigneten Antihypertensivums zur Erstmedikation. Mikroalbuminurie und Proteinurie sind nicht nur wichtige kardiovaskuläre Risikofaktoren, sie tragen auch zur Progression einer Nierenerkrankung selber bei. Eine Reduktion der Werte ist danach sowohl aus kardiovaskulären als auch renalen Gesichtspunkten anzustreben.

Subjektive Nebenwirkungen wichtig

Darüber hinaus betont die DHL den Stellenwert von subjektiven Nebenwirkungen. Der Erfolg der blutdrucksenkenden Therapie hänge wesentlich von der individuellen Verträglichkeit ab (s. a. nachfolgendes Interview). Nebenwirkungen und Angst vor Nebenwirkungen führen dazu, dass die Medikamente nur unregelmäßig und oft auch gar nicht eingenommen werden. Solche Compliance-Probleme lassen sich mit neueren und verträglicheren Antihypertensiva umgehen.

Quelle

Welches Antihypertensivum für welchen Patienten? - Stellungnahme der Deutschen Hochdruckliga, der Deutschen Hypertonie Gesellschaft und dem Deutschen Kompetenzzentrum Bluthochdruck

www.paritaet.org/RR-Liga/

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Primäre Hypertonie – Keine Betablocker mehr zur Erstbehandlung?

In den Leitlinien der Deutschen Hochdruckliga befinden sich Betablocker und Diuretika immer noch unter den Mitteln der ersten Wahl. Dagegen rät die britische Behörde NICE (National Institute for Health and Clinical Excellence) inzwischen generell davon ab, Betablocker zur Erstmedikation bei unkomplizierter arterieller Hypertonie einzusetzen, ebenso eine Kombinationsbehandlung mit Diuretika und Betablockern. Die Britische Hochdruckliga hat Betablocker aus der Gruppe der Mittel zur ersten Wahl ausgeschlossen. In einem Gespräch mit der Deutschen Apotheker Zeitung bezweifelte Prof. Dr. Walter Zidek, Direktor der Abteilung für Nephrologie an der Berliner Charité und Mitglied der Sektion Arzneimittel in der DHL, dass die DHL den NICE-Empfehlungen folgen werde und die Betablocker aus der Liste der ersten Wahl herausnehmen werde (DAZ 41, 30-34 [2006]). Er begründet die Zurückhaltung unter anderem damit, dass in den aussagekräftigen Studien vor allem Atenolol eingesetzt wurde und unklar ist, ob die Daten auf die gesamte Klasse der Betablocker übertragen werden können. Wie komplex die Situation ist, hat auch die Diskussion im Rahmen des 30. Wissenschaftlichen Kongresses der Deutschen Hochdruckliga im November 2006 deutlich gemacht (s. Bericht DAZ 1, 30-33 [2007]). Mit dem Beschluss der Briten zu den Betablockern würde das Kind mit dem Bade ausgeschüttet, so Prof. Dr. Jörg Slany, Wien. In jedem Fall sind neuere Betablocker wie Carvedilol und Nebivolol anders als Atenolol zu beurteilen, da keine negativen Stoffwechseleffekte bekannt sind. Auch die Gruppe der Diuretika sollte differenziert betrachtet werden.

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