Forschung

Die schwierige Suchenach geeignetem Blutersatz

Erythrozyten, die roten Blutkörperchen, versorgen unseren Körper mit lebenswichtigem Sauerstoff. Kommt es zu starkem Blutverlust, führt dies unweigerlich zur Unterversorgung bis hin zum Tod. Die einzige Rettung ist in diesem Fall die Gabe von Spenderblut. Allerdings ist dessen Verfügbarkeit nicht immer gegeben. Deshalb wird schon seit vielen Jahren versucht, einen vollwertigen Ersatz für den Sauerstofftransport im Körper zu entwickeln.

Blut ist ein besonderer Bestandteil unseres Körpers und schon seit alters her werden dem Blut außergewöhnliche Kräfte zugeschrieben. So wurde es als Sitz der Seele, des Lebens und des Bewusstseins ausgemacht und man verbindet bis heute damit Reinheit, Adel, Kraft sowie Geburt und Tod. Aber auch unabhängig von der metaphysischen Betrachtungsweise ist Blut eine ganz erstaunliche Flüssigkeit mit vielen beachtlichen Eigenschaften und Funktionen.

Vom formellen Standpunkt aus ist Blut flüssiges Körpergewebe, dessen Anteil am Körpergewicht eines Erwachsenen 7 bis 8% ausmacht (ca. 4 bis 6 l). Unter den vielen Funktionen des Blutes sind vor allem der Wundverschluss (Blutgerinnung), die Abwehr von Infektionen sowie der Transport von Nährstoffen sowie Atemgasen zu nennen. Gerade der Transport von molekularem Sauerstoff macht Blut zu einem unmittelbar lebensnotwendigen Körperbestandteil und der Verlust von größeren Mengen (50%) führt zur Sauerstoff-Unterversorgung und zum Tod. Bis heute ist die einzige Möglichkeit zur Aufrechterhaltung des Sauerstofftransportes nach signifikantem Blutverlust die Gabe von Vollblut oder von Erythrozyten.

Allerdings birgt die Verwendung von Spenderblut zahlreiche Risiken und Limitierungen, weshalb seit Mitte des letzten Jahrhunderts intensiv an Alternativen geforscht wird.

In den 40er Jahren des letzten Jahrhunderts versuchte man zum ersten Mal die Sauerstofftransportfunktion des Blutes durch gereinigtes Hämoglobin zu ersetzen. 1949 verabreichte der Arzt William Amberson einer Patientin in Ermangelung passender Blutkonserven Hämoglobin in saliner Lösung. Sofort stellte sich eine Steigerung des systolischen und diastolischen Blutdrucks über den Normalwert hinaus ein. Gleichzeitig entwickelten sich Bradykardie, Hypothermie und Nierenversagen, an welchem die Patientin verstarb. Letztendlich wurden Verunreinigungen der Präparation mit Erythrozyten-Stroma für die fatalen Nebenwirkungen verantwortlich gemacht. Allerdings wusste man zu dieser Zeit noch nichts über die Struktur des roten Blutfarbstoffes und über sein Verhalten außerhalb der roten Blutkörperchen und konnte so die verschiedenen Nebenwirkungen nicht wirklich erklären.

Das Hämoglobin eines Erwachsenen ist ein Proteinkomplex aus vier Untereinheiten, je zwei α- und zwei β-Ketten (siehe Kasten). Innerhalb der Erythrozyten liegt Hämoglobin stabil als Tetramer vor, in Lösung dissoziiert es allerdings schnell in α,β-Dimere, welche durch ihre geringe Größe rasch renal eliminiert werden. Daher zeigten auch hochgereinigte Hämoglobin-Fraktionen in den 50er und 60er Jahren des letzten Jahrhunderts bei Patienten ähnliche Nebenwirkungen wie von Amberson beschrieben.

Chemische Modifikation verhindert Dissoziation

In den 80er und 90er Jahren ging man deshalb dazu über, Hämoglobin chemisch zu modifizieren, um dessen Dissoziation zu verhindern und damit auch die unerwünschten kardiovaskulären Effekte zu minimieren. Das erste Produkt dieser Art war HemAssist (Baxter), welches aus humanem Hämoglobin überlagerter Blutkonserven gewonnen wurde (Blut darf nur 42 Tage gelagert werden). Hier wurden mittels Diaspirin [bis-(3,5-Dibromosalicyl)fumarat] die α-Ketten kovalent verknüpft und so die Dissoziation und damit die rasche renale Elimination verhindert. Aber auch mit diesem Produkt stellten sich Nebenwirkungen wie Vasokonstriktion und systemische und pulmonare Hypertension ein, worauf die Tests 1998 abgebrochen wurden.

Größere Aggregate verhindern Extravasation

Als Grund für diesen Fehlschlag wurden zwei miteinander verknüpfte Eigenschaften des freien Hämoglobins ausgemacht. Hämoglobin bindet sehr effektiv Stickstoffmonoxid (NO), einen potenten Vasodilator und wichtiges Stellglied der Durchblutungsregulation. Reines Hämoglobin ist durch seine geringe Größe im Gegensatz zu Erythrozyten zur Extravasation befähigt und bindet NO im Endothelgewebe, woraus die gefäßverengenden und hypertonen Nebenwirkungen resultieren.

Konsequenterweise wurde deshalb versucht, Hämoglobinmoleküle durch intermolekulare Verknüpfungen zu größeren Einheiten zusammenzufassen. Das Präparat Hemopure der Firma Biopure (USA) besteht aus bovinem Hämoglobin, welches mit Glutardialdehyd zu Aggregaten von ca. 250 kDa verknüpft wurde. In klinischen Studien konnte gezeigt werden, dass die Nierenfunktion und die Blutgerinnung nicht beeinflusst wurden. Allerdings traten auch hier in einigen Fällen erhöhter Blutdruck sowie Methämoglobinämie auf.

Zulassungen in Südafrika, USA und Europa

Hemopure ist seit 2001 in Südafrika für die Behandlung von akut anämischen Patienten in der Chirurgie zugelassen. Hier zeigt sich ganz deutlich, dass besonders in Ländern mit einer hohen Zahl von Infektionskrankheiten (HIV u. a.) der Bedarf an Spenderblut kaum gedeckt werden kann und ein Blutersatz auf Hämoglobinbasis eine dringend benötigte Alternative darstellen kann. In den USA und Europa ist ein ähnliches Präparat, Oxyglobin, für die Anwendung an Hunden zugelassen. Gleichzeitig entwickelt die Firma Northfield das Präparat PolyHeme auf der Basis von humanem Hämoglobin. Wie beim bovinen Produkt Hemopure werden die Proteine polymerisiert, gleichzeitig wird das Molekül pyridoxyliert, um die Sauerstoffbindung zu optimieren (siehe Kasten Hämoglobin).

Klinische Studie mit PolyHeme sorgt für Diskussion

In den letzten Jahren wurde eine klinische Multicenter Studie der Phase III mit PolyHeme in den USA durchgeführt, deren vorläufige Ergebnisse im Mai im Internetauftritt der Firma veröffentlicht wurden. Behandelt wurden hier vor allem Traumapatienten nach akutem Blutverlust wenn nicht rechtzeitig passende Blutkonserven zur Verfügung standen. Delikaterweise hat diese Studie eine heftige Diskussion entfacht, ob Unfallopfer, welche in der Regel bewusstlos sind, ohne ihr Einverständnis in eine klinische Studie einbezogen werden dürfen. Es bleibt weiterhin abzuwarten, ob PolyHeme aufgrund der erhobenen Daten in Zukunft für die Notfallmedizin zugelassen wird.

Weitere Präparate befinden sich derzeit in präklinischen oder klinischen Studien, wie z. B. Hemospan (Sangart, USA), ein polymerisiertes humanes Hämoglobin welches mit PEG konjugiert ist.

Rekombinantes Hämoglobin – sichere Alternative?

Allen Hämoglobin-basierten Blutersatzstoffen ist allerdings gemein, dass sie nach wie vor aus Blut, sei es tierischem oder humanem, gewonnen werden müssen. Damit besteht auch trotz aufwendiger Reinigungsprozesse die Gefahr, Infektionskrankheiten zu übertragen und auch ein unlimitierter Ausgangsstoff ist somit nicht gegeben. Die Herstellung von rekombinantem Hämoglobin könnte solche Probleme umgehen. Das Präparat Optro (Baxter) war der erste Blutersatz auf Basis von rekombinantem Hämoglobin, hergestellt in Escherichia coli Allerdings wurde die Entwicklung nach ersten klinischen Studien aufgrund auftretender Nebenwirkungen eingestellt.

Fluorierte Kohlenwasserstoffe als Blutersatz

Sauerstoff kann auch in Flüssigkeiten in Abhängigkeit vom Partialdruck gelöst werden. Besonders fluorierte Kohlenwasserstoffe (PFCs, von perfluorcarbon) können dabei sehr große Mengen von Sauerstoff binden. Um diese chemisch und biologisch völlig inerten und nicht wassermischbaren Flüssigkeiten als Blutersatz zu verwenden, müssen sie emulgiert werden. Ein Präparat der ersten Generation war Fluosol (Green Cross, Japan), eine 20%ige Emulsion von Perfluordecalin (Abb. 2) und Perfluortripropylen. Im Jahr 1989 wurde es in den USA und in einigen Europäischen Ländern zugelassen, um bei Angioplastien die Sauerstoffversorgung des Herzgewebes aufrecht zu erhalten. Außerdem wurde es zur Konservierung von Spenderorganen ex vivo vor einer Transplantation eingesetzt. Allerdings wies dieses Präparat einige gravierende Nachteile auf, so dass seine Produktion 1994 eingestellt wurde. Zum einen hatte es eine sehr geringe Sauerstoffkapazität, so dass Patienten zusätzlich mit Sauerstoff beatmet werden mussten. Fluosol wurde auch nur sehr langsam ausgeschieden und verblieb für Monate im Körpergewebe. Generell werden die gegen enzymatischen Abbau völlig resistenten PFCs über Plasmalipide transportiert und über die Lunge abgeatmet. Trotz seiner hohen biologischen Stabilität rief Fluosol Nebenwirkungen wie Myalgien und Fieber sowie eine Senkung der Thrombozytenzahl hervor, was seine Anwendung einschränkte. Präparate der zweiten Generation, wie Oxygent (Alliance Pharmaceutical, USA), Oxycyte (Synthetic Blood International, USA) oder Pher-O2 (Sanguine Corp., USA) zeichneten sich durch eine deutlich höhere Sauerstoffbindung aus und wurden in verschiedenen Studien für teilweise sehr spezielle Anwendungen getestet. Derzeit sind allerdings weder in den USA noch in Europa Präparate auf dem Markt. In Russland, der Ukraine und Kasachstan ist ein PFC-Präparat der ersten Generation, Perftoran, allerdings noch erhältlich.

Fazit

In den letzten Jahrzehnten wurden bedeutende Fortschritte auf dem Weg zu einem funktionellen Ersatz für rote Blutkörperchen gemacht. Erst durch die intensive Forschung auf diesem Gebiet wurden auch viele Funktionen und Eigenschaften von Blut besser verstanden. Allerdings ist man noch weit davon entfernt, alle Funktionen der Erythrozyten in einem synthetischen Präparat nachzuahmen.

Literatur beim Verfasser

Prof. Dr. Heribert Warzecha

Technische Universität Darmstadt

Institut für Botanik

Schnittspahnstraße 3-5

64287 Darmstadt
Hämoglobin (Hb) ist ein Proteinkomplex aus je zwei Alpha- und zwei Beta-Ketten mit einem Molekulargewicht von rund 64 kDa. Jede der Untereinheiten besitzt eine prosthetische Gruppe, das sogenannte Häm. Dieses ist ein Protoporphyrin-Gerüst mit einem zentralen zweiwertigen Eisenion, welches die Sauerstoffbindung vermittelt. Trägt man die Sauerstoffbindung des Hb gegen den Partialdruck auf, so ergibt sich ein typischer sigmoider Verlauf (Abb. 1). Hb vermag Sauerstoff kooperativ zu binden, das heißt die Bindung des ersten O2 -Moleküls verbessert die Bindung der nächsten Moleküle. Damit der Sauerstoff nicht zu fest gebunden bleibt und im Gewebe wieder freigesetzt wird, modulieren Faktoren im Erythrozyten, wie Diphosphoglycerat (DPG), die Bindung von Sauerstoff. Um bei Blutersatzstoffen auf Hämoglobinbasis den Effekt von DPG nachzuahmen, wird häufig Pyridoxal verwendet. Bovines Hb benötigt diesen Zusatz nicht, da hier vor allem Chloridionen die Sauerstoffbindung beeinflussen. Auch der pH-Wert, die CO2- Konzentration sowie die Temperatur modifizieren die Sauerstoffbindung des Hb, wodurch eine ideale Anpassung an die Funktion gewährleistet ist. Gleichzeitig bildet der Erythrozyt eine optimale Umgebung für das Hämoglobin. Durch seine abgeflachte Form ist der Diffusionsweg der Atemgase gering. Darüber hinaus beinhaltet der Erythrozyt Faktoren, welche oxidiertes Hb (Methämoglobin mit dreiwertigem Eisen) wieder reduzieren, sowie Enzymsysteme, die Sauerstoffradikale abfangen.
Das AB0-Blutgruppensystem
Die Verfügbarkeit von Spenderblut ist grundsätzlich limitiert. Während in Friedenszeiten der Bedarf an Blut in den industrialisierten Ländern in der Regel durch Spenden gerade gedeckt werden kann (14 Millionen Einheiten allein in den USA im Jahr 2005), treten in Entwicklungsländern, nach Naturkatastrophen oder in Krisengebieten schnell Engpässe auf. Darüber hinaus kann nicht jede Blutkonserve universell verwendet werden, sondern muss auf ihre Kompatibilität mit dem Spender überprüft werden. Erythrozyten weisen bestimmte Oberflächenstrukturen auf, die innerhalb einer Bevölkerung variieren und zu Abstoßungsreaktionen des Immunsystems führen, ähnlich wie bei einer Organtransplantation. Bei Inkompatibilitäten kommt es zur Agglutination, das heißt zur Verklumpung der Erythrozyten durch eine Vernetzung mit Antikörpern, welche gegen die Blutgruppenfaktoren auf der Oberfläche der Spendererythrozyten gerichtet sind. Das wichtigste und wohl bekannteste Blutgruppensystem ist das AB0-System. Von Karl Landsteiner 1901 beschrieben und 1930 mit dem Nobelpreis gewürdigt bezeichnet es variable Kohlenhydratstrukturen. Während fast alle Menschen die Grundstruktur Substanz H auf der Oberfläche der Erythrozyten aufweisen, ein verzweigtes Oligosaccharid mit endständiger Beta-Galactose, kommen in variablen Anteilen der Bevölkerung Modifikationen der Grundstruktur vor. Träger der Blutgruppe A weisen zusätzlich ein terminales N-Acetylgalactosamin auf, bei Blutgruppe B ist an dieser Stelle eine weitere Beta-Galactose zu finden. Bei Blutgruppe 0 ist kein weiterer Zucker an die Substanz H angefügt. Blutgruppe 0 gilt als universelles Spenderblut, weil kein Empfänger Antikörper gegen Substanz H aufweist, die ja bei allen Blutgruppen gleich ist. Träger der Blutgruppe A dagegen haben Antikörper gegen B und umgekehrt; Blutgruppe-0-Träger sogar gegen beide. Damit ist das AB0-System das einzige bekannte Histokompatibilitätsantigen, gegen das schon Antikörper bestehen bevor ein Individuum zum ersten Mal damit in Kontakt kommt. Im Normalfall muss das Immunsystem zuerst mit einem Antigen in Kontakt kommen, das sogenannte "Priming", um beim Zweitkontakt eine starke Antikörperantwort aufzubauen. Die Agglutination von Blut dagegen findet direkt beim Erstkontakt statt. Man vermutet, dass bestimmte Zuckerstrukturen bei kommensalen Bakterien für dieses Priming verantwortlich sind. Letztendlich sind Erythrozyten der Gruppen A und B nur limitiert als Spenderblut einsetzbar. Deshalb haben Forscher vor Kurzem ein Verfahren entwickelt, mit dessen Hilfe sie die Blutgruppen A und B in 0 umwandeln können. Hierfür werden spezifische Enzyme verwendet, welche die endständigen Zucker entfernen und somit zur Substanz H reduzieren. Sollte dieses Verfahren in absehbarer Zeit anwendbar werden, ließe sich damit zumindest die Einsetzbarkeit von Blutkonserven erweitern. Allerdings würde diese Methode die limitierte Verfügbarkeit von Blut nicht beheben und außerdem gibt es neben dem AB0-System noch über 100 weitere Blutgruppenfaktoren.
Der Bedarf an Spenderblut ist besonders in Ländern mit einer hohen Zahl von Infektionskrankheiten (HIV u. a.) kaum zu decken. Ein geeigneter Blutersatz wird gerade in solchen Ländern dringend benötigt.
Foto: Imago

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