Arzneimittel und Therapie

Typ-2-Diabetes

Für und wider inhalatives Insulin

Seit 2006 steht Typ-2-Diabetikern mit einem Insulin zur Inhalation (Exubera®) eine weitere Alternative zur Verfügung. Und seitdem wird darüber gestritten: Inhalatives Insulin – nutzlos und zu teuer? Diese Frage wurde auch auf der diesjährigen Jahrestagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft kontrovers diskutiert. Mit schlagkräftigen Argumenten auf beiden Seiten.

Den "Contra"-Part übernahm Priv.-Doz. Dr. Burkhard L. Herrmann. Aus seiner Sicht wird das Argument, die Angst vor der Spritze würde viele Typ-2-Diabetiker von einer notwendigen Insulintherapie abhalten, überstrapaziert. Nur etwa 5% der Patienten lehnen die Behandlung mittels Pen ab oder haben damit Schwierigkeiten. Auch der vergleichende Blick auf die Wirksamkeit zwischen inhalativem und subkutanem Insulin zeigt aus seiner Sicht keine Vorteile im Hinblick auf den HbA1c -Wert. Außerdem verwies er darauf, dass Fragen zur Langzeitsicherheit von inhalativem Insulin noch ungeklärt sind, etwa potenzielle onkologische Risiken. Im Fokus steht die Bindung von Insulin an den Insulin-like growth factor und die damit verbundene mögliche Förderung des Zellwachstums und die Hemmung der Apoptose im Lungenparenchym. Last but not least, sei inhalatives Insulin deutlich teurer mit durchschnittlichen Tagestherapiekosten, die beim Zwei- bis Dreifachen von subkutan zu applizierendem Insulin liegen. Sein Fazit: Die hohen Kosten, die große Akzeptanz des Spritzens und das Fehlen von Langzeitdaten zur Sicherheit bei nicht gesteigerter Wirksamkeit gegenüber subkutanem Insulin sprechen eher gegen den Einsatz von inhalativem Insulin in der Therapie des Diabetes mellitus.

Prof. Dr. Stephan Martin forderte dagegen, Innovationen eine Chance zu geben. Er ließ in seiner "Pro"-Argumentation keinen Zweifel daran, dass inhalatives Insulin (Exubera®) einen neuen Patienten-orientierten Ansatz darstellt. In Sachen Wirksamkeit ist inhalatives Insulin Kurzzeitinsulin bei Typ-1- und Typ-2-Diabetikern vergleichbar. Die Sicherheitsdaten über zwei Jahre zeigen keine relevanten Veränderungen der Lungenfunktion. Darüber hinaus gibt es erste Hinweise, dass die Gewichtszunahme unter inhalativem Insulin niedriger ausfällt als wenn Insulin subkutan injiziert wird. Vor allem aber kann Exubera® eine Vorreiterrolle einnehmen für inhalative systemische Therapien mit Substanzen, die heute noch gespritzt werden müssen. "Wir müssen kritisch sein, aber auch offen für Innovationen und neue Ideen, denn wenn Otto Lilienthal bei den ersten Flugversuchen nicht an den Fortschritt geglaubt hätte, dann hätten wir heute nicht den A380".

Quelle

Priv.-Doz. Dr. Burkhard L. Herrmann, Bochum; Prof. Dr. Stephan Martin, Düsseldorf; Prof. Dr. Nick Freemantle, Birmingham: "Inhalatives Insulin – nutzlos und zu teuer?", Hamburg, 16. Mai 2007, veranstaltet von der Pfizer Pharma GmbH, Karlsruhe.

Apothekerin Dr. Beate Fessler
Insulin spritzen oder inhalieren?
Eines der Hauptargumente für inhalatives Insulin ist die "Spritzenangst" von Diabetikern, die eine dringend notwendige Insulinbehandlung verhindert oder viel zu lange hinauszögert. Die glykämische Kontrolle ist dann entsprechend schlecht. Prof. Dr. Nick Freemantle aus Birmingham nannte konkrete Daten: In die Real World Feasability Study wurden 779 Typ-2-Diabetiker eingeschlossen, die mit zwei oralen Antidiabetika nicht zufriedenstellend behandelt waren. Ihnen wurde eine Insulintherapie als Therapieoption angeboten. Bei inhalativem Insulin willigten 43,2% der Patienten ein, bei subkutanem Insulin nur 15,5%. Auch die SETT2D-Studie mit 532 Diabetikern zeigt die klare Präferenz. Das Angebot einer Insulintherapie wurde zunächst nur von 18% wahrgenommen. Wurde den übrigen Diabetikern inhalatives Insulin angeboten, wagten zusätzlich 27,4% diese Option.
Dass Insulin bei Typ-2-Diabetikern nur ungenügend zum Zuge kommt, zeigte unter anderem eine britische Studie mit 5064 Typ-2-Diabetikern, die mit mindestens zwei oralen Antidiabetika behandelt wurden. Der Blutzuckerspiegel von 62,5% war sechs Monate nach der letzten Optimierung der oralen antidiabetischen Therapie nur ungenügend kontrolliert mit einem HbA1c -Wert ≥ 7,5%. Dennoch wurden nur 27% mit Insulin behandelt. Dieser Anteil könnte laut Freeman steigen durch das Angebot von inhalativem Insulin. Dann würde sich auch die Blutzuckerkontrolle verbessern. Untersucht wird das nun in einer randomisierten Studie mit 739 Patienten, die mit zwei oralen Antidiabetika ungenügend eingestellt sind. Ein Teil der Patienten erhält die Standardmedikation, die anderen können zusätzlich inhalatives Insulin in ihr Therapieregime integrieren. Primärer Endpunkt ist der HbA1c -Wert nach sechs Monaten.

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