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Lutz Engelen im DAZ-Interview

Lutz Engelen Mehr Wirtschaftlichkeit muss durch mehr Pharmazie und mehr Beratung erreicht werden, so der Präsident der Apothekerkammer Nordrhein.
Foto: AK Nordrhein

Wirtschaftlichkeit durch mehr Pharmazie und mehr Beratung

DÜSSELDORF (diz). Wo liegt die Zukunft der deutschen Apotheke? Worauf müssen sich die deutschen Apothekerinnen und Apotheker angesichts der Diskussionen um den Versandhandel, um Fremd- und Mehrbesitz, um die Apothekenbetriebsordnung einstellen? Was die Apothekerinnen und Apotheker tun können, damit die Apotheke ihren Stellenwert im Gesundheitssystem festigen kann – darüber sprachen wir mit Lutz Engelen. Er ist seit Dezember 2005 Präsident der Apothekerkammer Nordrhein. Sein Credo: Der Apotheker soll Heilberufler und Freiberufler bleiben. Er kämpft für mehr Vertraulichkeit in der Beratung und mehr Pharmazie in der Apotheke.

DAZ Herr Engelen, unser Apothekensystem gehört zu den Besten auf der Welt. Dennoch wird es derzeit von vielen Seiten attackiert. Wie lässt sich das bewährte System der deutschen Apotheke erhalten? Oder anders gefragt: Was muss sich verändern, damit alles so bleibt wie es ist?

Engelen: Die Apotheker müssen mehr als bisher Signale in die Gesellschaft und in die Politik senden, dass sie in puncto Beratung ein Alleinstellungsmerkmal haben und dies über die Steigerung der Qualität ausbauen wollen. Qualität allerdings hat ihren Preis. Bei Billiganbietern ist die Qualität aufgrund der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht herzustellen.

DAZ Sehen Sie Defizite bei der Qualität und wenn ja, wo?

Engelen: Die Mehrheit der Kolleginnen und Kollegen erbringt schon heute eine gute Qualität. Wir können dies leider noch nicht mit Zahlen unterlegen. Wenn heute von einer mangelhaften Beratung in Apotheken gesprochen wird, dann trifft dies meist nur auf wenige schwarze Schafe zu.

DAZ Sind noch Qualitätssteigerungen notwendig oder möglich?

Engelen: Hier weise ich auf die Forderungen unseres nordrhein-westfälischen Gesundheitsministers Karl-Josef Laumann hin, dass die Diskretion der Beratung in der Apotheke verbessert werden muss. Es ist eine Qualitätssteigerung, wenn Sie mit dem Patienten wirklich alleine und vertraulich kommunizieren können, um ihn so zu informieren, dass die Information auch ankommt. Verbesserungsansätze sind hier bereits gut auf den Weg gebracht. Das "Geschäft mit der Politik" funktioniert nur auf einer "Win-win-Basis". Minister Laumann, der die Problematik des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln sieht, insbesondere im Zusammenhang mit den Pick-up-Stationen, setzt sich dafür ein, diesen Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln wieder zu verbieten. Diese Initiative läuft aber nur, wenn sich die Apotheker im Gegenzug dafür stark machen, die Diskretion der Beratung in der Apotheke zu verstärken und zu gewährleisten. Deswegen gehen wir dieses Thema als Kammer vehement an, um alle Kolleginnen und Kollegen davon zu überzeugen. Es braucht seine Zeit, aber es ist in Bewegung.

DAZ Wie beurteilen Sie die Chancen für die Initiative, den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln wieder zu verbieten?

Engelen: Eine Prognose abzugeben, ist sehr schwer. Es gibt selbst innerhalb der CDU, aber auch in den anderen Parteien Befürworter und Gegner dieser Initiative. Sie finden hier kein gemeinsames Lager, sondern nur Einzelmeinungen. Ich wünsche mir aber, dass diese Initiative Erfolg hat, es wäre auch im Interesse des Patienten und natürlich auch im Interesse des Berufsstands. Wir werden die Kontakte mit der Politik in dieser Sache nach der Sommerpause verstärkt suchen.

DAZ Wo sehen Sie weitere Ansatzpunkte, mehr Qualität in der Apotheke zu verwirklichen?

Engelen: Zum Beispiel bei Dienstleistungen. Dieser Bereich sollte ausgebaut werden. Dienstleistungen können Billiganbieter nicht bieten, hier können die Apotheken mit einem großen Angebot an Dienstleistungen punkten. Wir müssen uns als Berufsstand dafür einsetzen, dass eine immer älter werdende Gesellschaft in der Lage ist, sich eigenständig – mit individueller Hilfestellung – zu Hause zu versorgen. Das geht u. a. durch eine Versorgung der Apotheke bis ans Krankenbett, durch Zustelldienste aus der Apotheke heraus, durch Hilfestellung bei der Arzneimitteleinnahme, beispielsweise durch das Stellen von Arzneimitteln. Es gibt mit Sicherheit Möglichkeiten, diese Leistungen auszubauen.

DAZ Plädieren Sie hier für eine Verblisterung?

Engelen: Im Einzelfall kann die industrielle Verblisterung sinnvoll sein. Das Stellen von Arzneimitteln ist jedoch auch ohne industrielle Hilfe in jeder Apotheke möglich. Man muss nicht automatisch verblistern, man kann dies auch mit dem Befüllen von Dosetts und ähnlichen Hilfsmitteln umsetzen.

DAZ Wenn sich viele Apotheken für mehr Qualität und Dienstleistungen entscheiden, wie können Sie verhindern, dass sich der Patient als Rosinenpicker verhält? Wenn er seine Arzneimittel bei den Billiganbietern kauft und die Dienstleistungen bei den andern abfordert?

Engelen: Das können Sie nicht verhindern, aber ich glaube, der gesellschaftliche Wandel ist bereits eingeläutet, dass man für mehr Dienstleistungen mehr Geld ausgeben will. Das zeigen die letzten Erhebungen und Zahlen. Der Bürger sucht heute mehr und mehr das Fachgeschäft auf. Und die Apotheke ist so ein klassisches "Fachgeschäft".

DAZ Haben Sie noch eine weitere Idee, wo sich die Apotheke als "Fachgeschäft", hervorheben kann, wo sie Qualität unter Beweis stellen kann?

Engelen: Ja, beispielsweise die Versorgung der Bevölkerung mit Rezepturarzneimitteln. Die Versandapotheke und auch das Pick-up-System können dies nicht leisten, hier punktet die Präsenzapotheke. Heute fertigen die Apotheken pro Jahr 25 Millionen Rezepturen an, das ist keine kleine Größe. Selbst im Nacht- und Notdienst kommt es vor, dass Rezepturen herzustellen sind. Dies bedeutet, die Apotheke kommt ohne Labor, ohne Rezeptur nicht aus. Eine Abschaffung von Rezeptur und Labor, die Einteilung in A- und B-Apotheken, also mit und ohne Labor, würde flächendeckend keine Patientenversorgung sicherstellen.

DAZ Werfen wir noch einen Blick auf Ihre mittlerweile zweijährige Kammertätigkeit. Soeben hat die Kammer Nordrhein eine neue Berufsordnung für Apothekerinnen und Apotheker verabschiedet. Welcher Leitgedanke steht im Mittelpunkt?

Engelen: Der Apotheker soll Heilberufler und Freiberufler bleiben. Das ist mein Credo. Dafür kämpfe ich. Heute resultiert eine gute Wirtschaftlichkeit aus der Lage einer Apotheke und aus den Anstrengungen im Marketing. Wer mehr Pharmazie, mehr Dienstleistungen, mehr Verbraucherschutz durch gute Beratung anbietet, gewinnt nur mäßig mehr Wirtschaftlichkeit. Preisaktionen und plakative Marketingaktionen scheinen in vielen Fällen wirtschaftlicher zu sein. Daher meine ich, dass mehr Wirtschaftlichkeit durch mehr Pharmazie und mehr Beratung gestärkt werden muss.

DAZ Wie kann man ein Mehr an Pharmazie, ein Mehr an Beratung belohnen?

Engelen: Indem wir die höhere Qualität, die in den Apotheken geliefert wird, deutlich besser vergüten lassen. Dies könnte beispielsweise durch eine bessere Vergütung von Zusatzleistungen, von Mehr-Leistungen erreicht werden.

DAZ Engagieren sich heute ausreichend Kolleginnen und Kollegen für die Kammerarbeit?

Engelen: Leider interessieren sich heute zunehmend weniger junge Kolleginnen und Kollegen für eine Mitarbeit in der Kammer. Wir versuchen bereits zu den Pharmaziestudierenden Kontakt aufzubauen. Wir versuchen dort zu vermitteln: wenn ihr Sicherheit in eurem Beruf haben wollt, müsst ihr euch auch politisch engagieren. Gerade die Jüngeren widmen ihre ganze Arbeitskraft eher der Apotheke als dass sie sich auch noch in die Kammerarbeit einbringen.

DAZ Ist es schwierig, dem pharmazeutischen Nachwuchs eine Perspektive zu vermitteln?

Engelen: Ich bin bewusst an die jungen Kolleginnen und Kollegen herangetreten und habe sie gefragt, ob sie lieber als Angestellter einer Kette oder als Freiberufler eigenständig arbeiten wollen. Einstimmige Antwort: Sie glauben, dass sie das, was sie gelernt haben, eher als eigenständige Apotheker umsetzen können. Als Kettenangestellte sehen sie sich zu sehr wirtschaftlichen Zwängen ausgesetzt. Kette und Franchisesysteme sind nicht das, wo sie hinwollen. Sie erwarten, dass sich der Berufstand dafür einsetzt. Für mich sind das eindeutige Signale.

DAZ Herr Engelen, vielen Dank für das Gespräch.

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