Arzneimittel und Therapie

Tumortherapie

Die Vaskularisierung von Tumorzellen wird durch den Angio­genese-Hemmer Bevacizumab unterbunden. So lässt sich die Überlebenszeit von Patienten mit metastasierten Tumoren verlängern.
Foto: SPL/Agentur Focus

Erhöht Bevacizumab das Herzinfarktund Schlaganfallrisiko?

Der Angiogenesehemmer Bevacizumab (Avastin®), der zunächst zur Behandlung des metastasierten Rektum- und Kolonkarzinoms eingeführt wurde und inzwischen auch eine EU-Zulassung zur Behandlung des metastasierten Mammakarzinoms hat, kann das Risiko für arterielle thromboembolische Ereignisse wie Herzinfarkt und Schlaganfall erhöhen. Das ergab eine Auswertung von fünf randomisierten kontrollierten klinischen Studien.

Bevacizumab ist ein monoklonaler Antikörper, der sich gegen den vaskulären endothelialen Wachstumsfaktor VEGF richtet. Dieser Wachstumsfaktor ist entscheidend an der Neubildung von Blutgefäßen beteiligt. Tumorzellen induzieren die Bildung des VEGF und damit die Einsprossung von Blutgefäßen in das Tumorgewebe. Auf diese Weise wird die Sauerstoff- und Nährstoffversorgung der Tumorzellen gesichert. Mit dem Einsatz des VEGF-Inhibitors Bevacizumab soll die Vaskularisierung der Tumorzellen unterbunden werden.

Da in einigen Studien mit Bevacizumab ein Anstieg von thromboembolischen Ereignissen wie Herzinfarkt und Schlaganfall registriert worden war, hat die Herstellerfirma Genentech in San Francisco die Daten von fünf randomisiert kontrollierten Studien mit Bevacizumab ausgewertet. Es handelt sich dabei um Studien zum metastasierten Kolon-, Brust- und nichtkleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC), in denen die kombinierte Gabe von Bevacizumab plus Chemotherapie (n = 963) mit einer alleinigen Chemotherapie (n= 782) verglichen worden war. Da in diesen Studien die Gabe von niedrigdosierter Acetylsalicylsäure erlaubt war, wurde auch deren Einfluss auf Blutungskomplikationen bewertet.

Die Ergebnisse der Analyse bestätigen, dass durch die kombinierte Bevacizumab-/Chemotherapie-Behandlung das Risiko für arterielle thromboembolische Ereignisse wie Schlaganfall, TIA, Angina pectoris und Herzinfarkt erhöht wurde, nicht hingegen für venöse Thromboembolien. Insgesamt wurden in der Chemotherapie-Gruppe 13 entsprechende Ereignisse festgestellt, in der Bevacizumab-Gruppe 37. Hochgerechnet auf 100 Personenjahre traten danach in der Bevacizumab/Chemotherapie-Gruppe 5,5 arterielle thromboembolische Ereignisse pro 100 Personenjahre auf, in der Chemotherapiegruppe 3,1 pro 100 Personenjahre.

Patienten über 65 sind am meisten gefährdet

Als besondere Risikofaktoren konnten die Autoren ein Alter über 65 Jahre (7,1 vs. 2,5/ 100 Personenjahre) und ein arterielles thromboembolisches Ereignis in der Vorgeschichte (15,7 vs 3,4/100 Personenjahre) ausmachen. Aber auch in diesen Gruppen verlängerte Bevacizumab die Überlebenszeit. Trotzdem raten die Autoren, bei einer Therapieentscheidung bei besonders gefährdeten Patienten zu bedenken, dass Bevacizumab das Risiko beispielsweise für Herzinfarkt und Schlaganfall erhöhen kann.

ASS erhöht Blutungsrisiko auch in Kontrollgruppe

Die gleichzeitige Behandlung von Bevacizumab/Chemotherapie-Patienten mit niedrigdosierter Acetylsalicylsäure führte zu keiner ausgeprägten Zunahme von schweren Blutungen im Vergleich zu den Patienten, die kein Bevacizumab erhalten hatten. In der Bevacizumab-/Chemotherapie-Gruppe stieg das Risiko für schwere Blutungen von 3,7 auf 4,3%, in der Chemotherapie-Gruppe von 1,7 auf 2,2%. Um Aussagen darüber machen zu können, ob Bevacizumab-Patienten durch niedrig dosierte ASS vor Komplikationen wie Herzinfarkt und Schlaganfall zu schützen sind, ist die Zahl der arteriellen thromboembolischen Ereignisse und auch die Zahl der mit ASS behandelten Patienten in den fünf ausgewerteten Studien zu gering. Trotzdem, so die Autoren, könnte eine niedrig dosierte ASS-Prophylaxe bei den Bevacizumab-Patienten in Betracht gezogen werden, die ein hohes Risiko für ein arterielles thromboembolisches Ereignis haben und bei denen keine Kontraindikationen für ASS vorliegen.

Limitierte Aussagekraft

Die Autoren weisen darauf hin, dass die Aussagekraft ihrer Analyse insgesamt limitiert ist. Einige entscheidende Fragen ließen sich mit ihr nicht beantworten. So sei beispielsweise unklar, ob das Risiko für arterielle Thromboembolien unter Bevacizumab bei allen Tumorarten gleich hoch ist oder ob es durch die Wahl der Chemotherapeutika beeinflusst wird. Zudem sei auch zu bedenken, dass in den ausgewerteten Studien Patienten ausgeschlossen waren, die zwölf Monate vor Aufnahme in die Studie einen Schlaganfall oder Herzinfarkt erlitten hatten. Die Autoren betonen die Notwendigkeit weiterer klinischer Studien zur Klärung der offenen Fragen.

Quelle

Scappaticci FA et al.: Arterial Thromboembolic Events in Patients with Metastatic Carcinoma Treated with Chemotherapy and Bevacizumab. J Natl Cancer Inst 2007; 99: 1232 – 1239.

du
Bevacizumab.

Fortschritte in der Krebstherapie mit Antiangiogenese.
Med Monatsschr Pharm 2006;29(7):249-54

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.