Praxis aktuell

Lagerhaltungskosten durch Rabattverträge

Kontrolle des Warenlagers Welche Präparate liegen zu lange? Welche Verfallsdaten laufen bald ab? Was muss retourniert werden?
Foto: ADEXA

Retourenbarometer als Hilfsmittel

Das AVWG hat die Apotheken auf der Einkaufsseite stark belastet, die Rabattverträge verstärken dies nun auf der Kostenseite. Gegen erhöhten Erklärungsaufwand und zusätzliche Botendienste sind einzelne Apotheken ebenso machtlos wie gegen verschlechterte Einkaufskonditionen. Um so bedeutsamer wird der sorgfältige Umgang mit den wenigen noch beeinflussbaren Kostentreibern. Dazu zählt das Warenlager, das sich in gewissen Grenzen optimieren lässt. Die genaue Kenntnis der Retourenbedingungen der Industrie kann dabei sehr hilfreich sein.

Die Rabattverträge verändern die Warenläger der Apotheken erheblich. Generika, die aufgrund von Vorlieben einzelner Ärzte vorrätig sind, werden plötzlich nicht mehr verordnet. Noch unabsehbar ist, wie sich die zweite Runde der Rabattverträge auswirken wird. Möglicherweise wechseln einige Krankenversicherungen ihre bevorzugten Anbieter, und einige der heutigen Rabattarzneimittel werden wieder zu Ladenhütern. Der schnelle Favoritenwechsel erhöht die Gefahr, dass an unerwarteter Stelle im Warenlager "Nester" von einst gängigen und plötzlich nicht mehr nachgefragten Produkten entstehen.

Damit steigen die Lagerhaltungskosten der Apotheken. Neben den Kosten für Raum und Mobiliar bestehen die Lagerhaltungskosten im engeren Sinn aus zwei Komponenten: der Kapitalbindung und dem Verfall. Beide hängen wesentlich vom Wert der gelagerten Produkte ab. Zur Deckung dieser Kosten bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln steht daher seit der Einführung des Kombimodells gemäß GMG nur noch der dreiprozentige wertabhängige Aufschlag zur Verfügung.

Die Kosten der Kapitalbindung hängen zudem vom anzuwendenden Kalkulationszinssatz und von der Lagerdauer ab. Der dreiprozentige Aufschlag würde bei einer Finanzierung mit einem zwölfprozentigen Kontokorrentkredit die Kapitalbindung für drei Monate, bei einer langfristigen sechsprozentigen Finanzierung für sechs Monate abdecken. Als typische durchschnittliche Lagerumschlagsgeschwindigkeit konnte in Apotheken bisher etwa eine Größenordnung von acht pro Jahr angenommen werden, sodass die durchschnittliche Lagerdauer nur gut sechs Wochen betragen würde. Gerade dies dürfte aber wegen der Rabattverträge immer schwerer zu erreichen sein und stellt ohnehin nur einen Mittelwert dar, der nichts über die Probleme mit Teilsortimenten aussagt.

Als klassische Stellgröße zur Beeinflussung der Lagerumschlagsgeschwindigkeit dient die Bestellmenge, doch setzt dies kontinuierliche Umsätze der Produkte voraus. Gerade diese Kontinuität wird aber durch die Umstellung auf die Rabattverträge stark beeinträchtigt. Damit besteht die Gefahr erheblich steigender Lagerdauern und steigender Kosten für die Kapitalbindung. So kann die Lagerung eines Produkts je nach Finanzierungsform schon nach einem halben oder einem Jahr zu einem Verlustgeschäft werden, wie die obige Rechnung zeigt.

Kosten durch Verfall

Ein weitaus größeres Verlustrisiko stellt aber der Verfall als zweite Komponente der Lagerhaltungskosten dar, die durch das GMG erheblich bedeutsamer geworden ist. Auch vor Inkrafttreten des GMG galt das Bestreben, möglichst wenige und insbesondere keine hochpreisigen Arzneimittel verfallen zu lassen. Doch bei der früheren, vom Einkaufspreis abhängigen Preisbildung war ein hoher Verkaufspreis, der einen hohen absoluten Aufschlag enthielt, zu einem gewissen Teil eine Gegenleistung für den drohenden Wertverlust beim Verfall einer hochpreisigen Packung. Oder anders ausgedrückt: Dem großen wirtschaftlichen Risiko des späteren Verfalls einer hochpreisigen Packung stand die Aussicht auf einen hohen Aufschlag beim rechtzeitigen Verkauf gegenüber. Dies gilt seit der Einführung des Kombimodells nicht mehr, weil die prozentuale Aufschlagskomponente bereits durch die Kapitalbindung zu einem großen Teil verbraucht und darüber hinaus für andere wertabhängige Kostenpositionen wie Versicherungen benötigt wird. Ein nennenswerter zusätzlicher wertabhängiger Ausgleich durch Einkaufsrabatte ist seit Inkrafttreten des AVWG ebenfalls ausgeschlossen. Die Fixkomponente gemäß Arzneimittelpreisverordnung von 8,10 Euro abzüglich Kassenabschlag kann nicht zur Deckung wertabhängiger Kosten einkalkuliert werden, weil sie nur selektiv für niedrigpreisige Arzneimittel einen angemessenen Ausgleich bilden könnte und zudem bereits zur Deckung anderer Kosten dient.

Retouren als Lösung

Der Verfall von Arzneimitteln ist damit durch die bestehende Honorierung der Apotheken nicht mehr gedeckt. Daher verdient das Verfallrisiko die allergrößte Beachtung. Die wichtigste Reaktion, die auch die Kosten der Kapitalbindung reduziert, ist die konsequente Retournierung nicht verkaufter verschreibungspflichtiger Arzneimittel an den Großhandel innerhalb der Rückgabefrist. Dies setzt eine relativ lange Rückgabefrist voraus, die bei Verhandlungen mit dem Großhandel eine hohe Priorität haben sollte. Die damit vermeidbaren überflüssigen Lagerhaltungskosten dürften den zusätzlichen Überwachungsaufwand in der Apotheke mehr als rechtfertigen.

Doch großzügige Rückgabefristen und gute Lagerpflege verhindern nicht, dass die Rabattverträge das Risiko falscher Abverkaufsprognosen erhöhen. Wenn die Packung erst einmal kurz vor dem Verfall steht, kann nur noch die Kulanz des Herstellers vor dem kompletten Verlust des Packungswertes schützen. Erfreulicherweise bieten viele Hersteller kulante Umtausch- oder Erstattungsregeln, die sich allerdings erheblich voneinander unterscheiden. Manche Hersteller erstatten die Ware nur bis zum Verfall, andere nur danach, einige nehmen nur die leeren Faltschachteln an. Oft gibt es spezielle Rücksendeadressen.

Hilfe durch Retourenbarometer

Da die gezielte Nachfrage nach den Regeln der zahlreichen Hersteller für einzelne Apotheken kaum zu organisieren ist, werden diese Daten in dem auf Initiative des Apothekerverbandes Nordrhein entwickelten Retourenbarometer gesammelt. Es ist seit etwa 15 Jahren als Loseblattsammlung erhältlich und wurde kürzlich unter www.retourenbarometer.de ins Internet gestellt. Anbieter ist die Norwima GmbH, eine Tochtergesellschaft des Apothekerverbandes Nordrhein. Redaktionell wird das Retourenbarometer von Apotheker Johannes Rieforth, Forst-Apotheke Oberhausen, und seiner Firma up2dates betreut. Gegenüber der DAZ äußerte Rieforth die Hoffnung, dass das als Buch bisher überwiegend in Nordrhein-Westfalen genutzte Angebot in der neuen Gestaltung bundesweit größere Verbreitung findet. Die Internetfassung ermögliche aktuellere Informationen und ein vergrößertes Datenangebot bei geringeren Kosten.

Die Datenbank enthält die Internetadressen von etwa 3500 Anbietern und die Retourenregelungen von etwa 350 Arzneimittelherstellern, die laufend ergänzt und aktualisiert werden. Die Einstiegsseite verweist auf die jeweils neuesten Eingaben. Als übersichtliche Schnellinformation werden jeweils die zentralen Aussagen zur Retourenabwicklung, zum Wertausgleich und zu den Erstattungsquoten in einer Tabelle dargestellt. Darüber hinaus ist die Originalantwort des Herstellers auf die Anfrage des Retourenbarometers als pdf-Datei hinterlegt, um auch spezielle Bedingungen darstellen zu können, die nicht in einer Tabelle zu erfassen sind. Als weitere Serviceleistungen bietet die Internetseite ein Retourenformular mit der arzneimittelrechtlich vorgeschriebenen Erklärung zur Lagerung der Ware, Informationen zu Rücknahmeaktionen mit Lagerwertausgleich und Hinweise auf bevorstehende Preisänderungen. Ein Jahresabonnement des Retourenbarometers kostet für Mitglieder eines Landesapothekerverbandes 24 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer, weitere Details sind auf der Internetseite www.retourenbarometer.de beschrieben.

Thomas Müller-Bohn

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