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Zu schnell geunkt

Unkenrufen und "Brandreden" zum Trotz deutet alles darauf hin, dass es auch nach der geplanten Novellierung der Apothekenbetriebsordnung die Labor-lose Mini-Apotheke in Deutschland nicht geben wird. Die vom Präsidenten der Bayerischen Landesapothekerkammer, Dr. Ulrich Krötsch, in der ApothekerZeitung dieser Woche geäußerte Vermutung, dass beabsichtigt sei, Labor-Pflicht, Mindestgröße und Sortimentsbeschränkung für öffentliche Apotheken aufzuheben, hat nicht nur im Bundesgesundheitsministerium (BMG) und bei der ABDA für Unverständnis und Kopfschütteln gesorgt. In einer Stellungnahme hat die zuständige Referatsleiterin im BMG die Äußerungen als reine Spekulation zurückgewiesen (siehe Seite 20). Und in der Tat: Erst vor einigen Tagen hatte Ulla Schmidt, inzwischen dienstälteste Gesundheitsministerin der Republik, in den USA die Ausstattung und hohe Qualität deutscher Apotheken gelobt und hierfür von ihren Gastgebern viel Zustimmung erhalten. Ein Plädoyer für die Drugstorisierung der Apothekenlandschaft in Deutschland klingt anders. Es gibt Signale, dass der Politik, insbesondere ihren Experten im zuständigen Ministerium, immer stärker bewusst wird, dass uns die bestehende Apotheken(infra)struktur hierzulande einiges wert sein sollte. Da ist es fatal, falsche Frontlinien zu ziehen.

Man kann deshalb nur spekulieren, was den Präsidenten der Bayerischen Landesapothekerkammer zu seiner Äußerung bewogen hat, dass im Hause Schmidt aktuell eine gefährliche Deregulierung des Apothekenwesens auf der Tagesordnung stehe. Waren es (Fehl-)Informationen, die Krötsch aus einer Arbeitsgruppe auf Länderebene gesteckt wurden, oder eher verbandsintern motivierte Mahnungen in Richtung eigener Standeskollegen, die in einer Merkantilisierung der Arzneimitteldistribution ihr Heil suchen und deshalb die heilberuflichen Standards der Arzneimittelversorgung in Apotheken abbauen möchten? Immerhin ist Krötsch nicht nur fachkundiger Kammerpräsident, sondern auch Mitglied des Gesamtvorstands der ABDA und des geschäftsführenden Vorstands der Bundesapothekerkammer. Außerdem war er lange Zeit Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der Pharmazieräte.

Nein, wir sollten jetzt nicht falsche Gegnerschaften aufbauen, sondern tragfähige Diskussionszusammenhänge mit den zuständigen Kolleginnen und Kollegen innerhalb und außerhalb des Gesundheitsministeriums suchen. Vorauseilender Alarmismus, Katastrophen-Rhetorik und Verschwörungstheorien sind dabei – auch für uns – schlechte Ratgeber. Die Debatte um eine neue Apothekenbetriebsordnung steht ganz am Anfang. Ein Verordnungsentwurf liegt bislang nicht vor. Mit ihm ist frühestens in einigen Wochen zu rechnen. Natürlich wird dabei manches auf den Prüfstand gestellt werden. Und natürlich werden die Schleckers, dms und Gehes in Folge versuchen, über eine Deregulierung und den Abbau pharmazeutischer Standards das Terrain für Fremdbesitz und Ketten zu bereiten. Aber dies sollte uns nicht dazu verführen, bei jeder Gelegenheit eine neue Sau durchs Dorf zu treiben und reflexartig das Menetekel des totalen Untergangs unserer pharmazeutischen Versorgungsstrukturen heraufzubeschwören. Kassandra wird schnell heiser. Man kann abwegige Positionen – und hierzu zählen Plädoyers für "Mini-Apotheken" mit laborfreien Zonen und Badelatschen-Performance – auch dadurch salonfähig machen, dass man sie herbei redet (und herbei schreibt). Davor müssen wir uns hüten. Die Debatte um die Novellierung der Apothekenbetriebsordnung ist zu wichtig, um sie mit Gerüchten und Vermutungen zu belasten. Sie sollte von allen Betroffenen und Beteiligten ruhig, sachlich, offen und ohne Schaum vor dem Mund geführt werden. Wir freuen uns auf eine konstruktive Diskussion – auch in der DAZ.

Christian Rotta

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