Arzneimittel und Therapie

Tyrosinkinaseinhibitor

Nilotinib gegen Leukämie

Jetzt wurde der neue Tyrosinkinasehemmer Nilotinib (Tasigna®) in der Schweiz als erstem Land zugelassen. Nilotinib ist für Patienten mit chronisch myeloischer Leukämie (CML) indiziert, wenn diese Imatinib (Glivec®) nicht vertragen oder dagegen resistent sind. In der Europäischen Union und in den USA erwartet die Herstellerfirma Novartis die Zulassung für Nilotinib im Verlauf dieses Jahres. In Japan wurden die Eingaben für das Prüfverfahren im zweiten Quartal 2007 abgeschlossen.

Imatinib (Glivec®) ist seit 2002 zur Behandlung der chronisch myeloischen Leukämie (CML) auf dem Markt. Es wird bei Patienten in der Blastenkrise oder in fortgeschrittenen Stadien der Krankheit eingesetzt, wenn diese auf Interferone nicht mehr ansprechen. Weltweit nehmen 100.000 Patienten Imatinib ein.

Nilotinib wirkt wie Imatinib als Tyrosinkinase-Inhibitor. Diese Substanzen richten sich gegen eine genetisch verankerte Dysfunktion der Zellen bei CML-Patienten. Bei der chronisch myeloischen Leukämie kommt es zwischen Chromosom 9 and 22 zu einer reziproken Translokation. Dadurch entsteht ein verändertes Chromosom, das als Philadelphia-Chromosom bezeichnet wird und für die chronisch myeloische Leukämie typisch ist.

Als Folge der Veränderung entsteht ein abnormes Protein namens Bcr-Abl. Das Gen abl kodiert für eine Tyrosinkinase, deren Aktivität durch die Verschmelzung mit dem bcr-Gen deutlich gesteigert wird. Das überaktive Gen bcr-abl führt zu einer unkontrollierten Proliferation von weißen Blutzellen.

Tyrosinkinase-Inhibitoren wie Imatinib, das Ende 2006 eingeführte Dasatinib und das neue Nilotinib, hemmen die Bcr-Abl-Kinase mit hoher Aktivität und verhindern dadurch die Bildung von Krebszellen.

Sie binden in der Tasche der Tyrosinkinase, in der normalerweise das ATP-Molekül gebunden wird, und verhindert damit den zentralen Schritt in der von Bcr-Abl katalysierten Reaktion, nämlich die Übertragung eines Phosphatrestes auf andere Proteine. Dadurch wird die Phosphorylierung von Bcr-Abl selbst, aber auch einer ganzen Reihe von Substraten dieser Kinase gehemmt. Alle sind an Signaltransduktionswegen beteiligt, die für Überleben und Proliferation dieser Zellen essenziell sind. Tyrosinkinase-Inhibitoren hemmen die Signalübertragung.

Resistenzen gegen Imatinib

Unter der Therapie mit Imatinib leben 95% der Patienten noch mindestens fünf Jahre, und bei 93% gibt es keine Krankheitsprogression. Vor allem im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung werden die Tumorzellen aber gegen Imatinib resistent.

Das neue Nilotinib wirkt auch dann noch, wenn Resistenzen gegen Imatinib aufgetreten sind. Unter der Behandlung mit Nilotinib erreichten chronisch kranke, gegen Imatinib resistente CML-Patienten zu 52% eine gute und zu 33% eine komplette zytogenetische Remission.

In einer klinischen Studie konnte bei 92% der Patienten, die gegen Imatinib resistent waren oder dieses nicht vertrugen, durch Nilotinib fünf Monate nach der Behandlung die Leukozytenzahl normalisiert werden. In klinischen Tests reduzierte oder eliminierte Nilotinib das abnorme Chromosom bei 42% der gegen Imatinib resistenten Patienten im chronischen Zustand ihrer Erkrankung. Bei 31% hatte es auch im fortgeschrittenen Stadium der Krankheit eine positive Wirkung.

Das Nebenwirkungsprofil war akzeptabel. Häufige Nebenwirkungen von Nilotinib waren eine Myelosuppression, transiente Hyperbilirubinämie und Hautausschläge. <

Quelle

Pressemitteilung der Firma Novartis, 25. Juli 2007.

Kantarjian H, et al.: Nilotinib in imatinib-resistant CML and Philadelphia chromosome-positive ALL. N. Eng. J. Med. 2006; 354: 2542-51.

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Chronisch
myeloische Leukämie
An der chronisch myeloischen Leukämie (CML), die vorwiegend im Erwachsenenalter auftritt, erkranken ein bis zwei Menschen von 100.000 jährlich. Die Erkrankung verläuft in drei Phasen:
  • der chronischen Phase, die etwa fünf bis sechs Jahre andauert,
  • der beschleunigten oder akzelerierten Phase (sechs bis neun Monate) und
  • der Blastenkrise (drei bis sechs Monate) mit einer massiven Proliferation von Leukozyten.
Durch Behandlung mit Zytostatika und Interferon alfa kann die Krankheitsprogression lediglich um einige wenige Jahre aufgehalten werden. Die mittlere Krankheitsdauer beträgt zwei bis drei Jahre. Die Patienten sterben meistens im terminalen Myeloblastenschub. Nur die Knochenmarktransplantation kann die CML in einigen Fällen heilen. Allerdings ist aus verschiedenen Gründen eine solche Transplantation nur bei etwa 20% der Patienten möglich, und die Methode ist sehr risikoreich.
In den 60er-Jahren entdeckten zwei Forscher aus Philadelphia bei Patienten mit chronisch myeloischer Leukämie (CML) eine genetische Mutation: Ein Teil des ursprünglich auf Chromosom 9 lokalisierten abl-Protoonkogens ist dabei mit dem bcr-Gen auf Chromosom 22 verschmolzen. Diese Veränderung konnte bei 95% aller Patienten mit CML identifiziert werden und wurde bald als Philadelphia-Chromosom bekannt.
Grafik: C. Bühler
Nilotinib

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