Arzneimittelmissbrauch

"Robotripping" in Deutschland – (noch) kein Problem?

Dextromethorphan ist ein apothekenpflichtiges Antitussivum, das wir wegen seiner zuverlässigen Wirkung gerne bei Reizhusten im Rahmen der Selbstmedikation empfehlen. Es ist zwar ein Morphinderivat, doch sein Sucht-erzeugendes Potenzial ist gering und bei bestimmungsgemäßem Gebrauch gilt es als gut verträglich.

Umso beunruhigender sind Meldungen aus den USA, nach denen dort im Jahr 2005 einer von zehn Teenagern Dextromethorphan-haltige Erkältungsmittel in hohen Dosierungen dazu verwendet haben soll, um "high" zu werden. Das sind immerhin 2,4 Millionen amerikanische Jugendliche im Alter zwischen 13 und 19 Jahren. Und das Ende der Fahnestange ist noch nicht in Sicht. "Robotripping" – so wird der Missbrauch in Anlehnung an den dazu häufig verwendeten Dextromethorphan-haltigen Hustensaft Robitussin genannt – nimmt nach Schätzungen der Experten in den USA weiter Jahr für Jahr zu.

Wie nicht anders zu erwarten bezahlen die Jugendlichen den Dextromethorphan-Rausch oft mit schweren Nebenwirkungen. Todesfälle vor allem zusammen mit weiteren Drogen wie Kokain sind nicht auszuschließen. In den USA hat sich nach Bekanntwerden von solch schwerwiegenden Komplikationen mit Todesfolge die FDA eingeschaltet und offiziell vor den Folgen des Missbrauchs gewarnt.

In Deutschland – kein Problem?

Und wie sieht die Situation in Deutschland aus? Alles kein Problem? Das konnte sich die Klinische Pharmakologin Prof. Dr. Stephanie Läer aus Düsseldorf nicht so recht vorstellen und hat die Berichte aus den USA zum Anlass genommen, in Deutschland und der Schweiz bei verschiedenen Giftnotrufzentralen und den mit der Erfassung von Missbrauchsfällen betrauten Institutionen nachzufragen. Das detaillierte Ergebnis finden Sie in dieser Ausgabe. Danach liegen zwar nur wenige Verdachtsmeldungen zum Missbrauch von Dextromethorphan vor und weder dem BfArM noch dem Münchner Institut für Therapieforschung sind Todesfälle nach Dextromethorphan-Missbrauch bekannt.

Allerdings wirft ein Todesfall einer jungen Frau Fragen auf, der im Institut für Rechtsmedizin des Carl Gustav Carus Universitätsklinikums in Dresden untersucht worden ist. Bei ihr wurden neben Kokain in komatös-letaler Konzentration auch toxische Dextromethorphan-Spiegel nachgewiesen. Der Genotypisierungsbefund ergab einen eingeschränkten Dextromethorphan-Metabolismus, der möglicherweise schon vor der Kokain-Einnahme zu erhöhten Dextromethorphan-Spiegeln geführt hat. Auf den ersten Blick könnte man sagen, dass es sich um einen Einzelfall handelt. Aber es kann auch daran liegen, dass beim Drogenscreening nicht routinemäßig nach Dextromethorphan gefahndet wird.

Ein unterschätztes Problem?

Dass das Problem bei uns möglicherweise unterschätzt wird, darauf deutet auch die systematische Erfassung von Dextromethorphan-Anfragen des Toxikologischen Informationszentrums in unserem Nachbarland Schweiz hin. Die Daten lassen zumindest ein steigendes Interesse an den besonderen Wirkungen des Erkältungsmittels erkennen. Von der Illusion, dass der Missbrauch in Deutschland keine Rolle spielt, muss man sich spätestens nach einer Recherche in von Jugendlichen genutzten Internetforen verabschieden. Hier werden alle offenen Fragen zur Rauscherzeugung mit "DEX", "DMX" oder "DXM" – wie Dextromethorphan dort genannt wird – detailliert diskutiert, die Anwendung genau beschrieben und die leichte Beschaffung gepriesen.

Warum in den USA das Problem auf den ersten Blick so viel größer ist, mag daran liegen, dass Jugendliche sich hierzulande die Erkältungsmittel nicht einfach aus dem Regal holen können. Bei uns müssen sie in der Apotheke die Präparate gezielt verlangen, vor bohrenden Nachfragen können sie nicht sicher sein. Doch es kann auch daran liegen, dass in deutschen Apotheken gar kein Verdacht geschöpft wird, weil das Problem nicht bekannt ist. Es ist nicht auszuschließen, dass die Zahl der Jugendlichen, die sich mit "DEX" in Rauschzustände versetzen, die Zahl der Verdachtsmeldungen weit übersteigt. Das wäre fatal.

Die Gefahren erkennen!

Wir müssen also genau hinschauen. Um Missbrauch zu verhindern, müssen wir die Gefahren kennen. Nur so können wir gefährdete Jugendliche und deren Eltern aufklären. Anders als in den USA haben wir in der Apotheke die Möglichkeit, die Abgabe Dextromethorphan-haltiger Präparate zu kontrollieren. Eine so dramatische Entwicklung wie in den USA müssen wir verhindern. Wir haben es in der Hand!

Doris Uhl, Redakteurin der Deutschen Apotheker Zeitung

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