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Vorsorge und Früherkennung

Vom G-BA "verhöhnt" Der SPD-Gesundheitsökonom Lauterbach will nach der Sommerpause die "Aufweichung" der Gesundheits­reform diskutieren.
Foto: DAZ/Sket

G-BA-Entscheidung zur Beratungspflicht in der Kritik

BERLIN (ks). Die Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), die von der GKV angebotenen Früherkennungsuntersuchungen nicht zur Pflicht zu machen, ist auf ein geteiltes Echo gestoßen. Kritik kam vom SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach sowie der Deutschen Krebsgesellschaft. Der Marburger Bund (MB) begrüßte die Entscheidung hingegen. Auch im Bundesgesundheitsministerium signalisierte man Zustimmung für den Kompromiss.

Der Gesetzgeber bestimmt im neu gefassten § 62 Abs. 1 SGB V, dass chronisch Kranke weiterhin bis zu zwei Prozent ihrer jährlichen Bruttoeinnahmen für Zuzahlungen aufzuwenden haben, wenn sie nicht regelmäßig die angebotenen Früherkennungsuntersuchungen in Anspruch genommen haben. Normalerweise gilt für Chroniker eine Belastungsgrenze von einem Prozent. Nun entschärfte der G-BA die Regelung, die bereits vor Inkrafttreten der Gesundheitsreform für Wirbel gesorgt hatte: Nicht die Untersuchungen selbst sollen Pflicht werden. Vielmehr müssen sich die Versicherten, wenn sie das Anspruchsalter erreicht haben, von einem Arzt einmalig über Vor- und Nachteile der jeweiligen Früherkennung beraten lassen. Die Regelung gilt zunächst nur für Früherkennungsuntersuchungen von Brust-, Darm- und Gebärmutterhalskrebs.

Lauterbach, der die Gesundheitsreform mit ausgehandelt hat, fühlt sich vom G-BA verhöhnt: Das Gremium habe weder formal noch inhaltlich das Recht, gesetzgeberische Entscheidungen nach eigenem Gutdünken zu "ignorieren oder umzuinterpretieren", sagte er dem "Kölner Stadt-Anzeiger" (Ausgabe vom 23. Juli). Das Ergebnis sei auch medizinisch nicht begründbar. Insbesondere Vorsorgeuntersuchungen für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Nierenschwäche könnten "jedes Jahr Tausenden von Menschen das Leben retten" und hätten keinerlei Nebenwirkungen. Der G-BA hatte seine Entscheidung damit begründet, dass die Früherkennungsuntersuchungen stets auch Risiken hätten. So stünden etwa dem unbestreitbaren Nutzen des Mammographie-Screenings die Risiken einer Strahlenbelastung oder falsch-positiver oder falsch-negativer Ergebnisse gegenüber. Vor diesem Hintergrund dürften Versicherte nicht zur Teilnahme an diesen Untersuchungen gezwungen werden, hieß es beim G-BA.

Nachbesserung gefordert

Lauterbach kündigte an, dass sich die SPD-Bundestagsfraktion nach der Sommerpause eingehend mit der Aufweichung der Reform befassen werde. Chancen räumt er vor allem den "Check-ups" für Herz-Kreislauf- und Diabetes-Erkrankungen ein, die der G-BA gar nicht berücksichtigte. "Es kann nicht sein, dass der von der SPD befürwortete ‚vorsorgende Sozialstaat’ schon im ersten Versuch auf der Strecke bleibt", so Lauterbach.

Eine Nachbesserung fordert auch Dr. Johannes Bruns, Generalsekretär der Deutschen Krebsgesellschaft. Ihm ist nicht eingängig, dass Ärzte ohne inhaltliche Empfehlungsrichtlinien des G-BA je nach eigenem Ermessen zu bestimmten Früherkennungsuntersuchungen raten oder nicht raten sollen. Nötig sei, dass der G-BA konkrete und jeweils aktuelle Beratungsempfehlungen für die Ärzte veröffentliche.

Anders die Reaktion beim Marburger Bund: Zwar könnten Früherkennungsuntersuchungen wichtig für die erfolgreiche Behandlung chronischer Erkrankungen sein – dennoch seien sie mit gesundheitlichen Risiken verbunden. "Jeder Einzelne sollte für sich selbst entscheiden dürfen, welcher Untersuchung er sich künftig unterziehen will. Gesetzlicher Zwang ist definitiv der falsche Weg, Patienten zu Präventionsmaßnahmen zu motivieren", so MB-Hauptgeschäftsführer Armin Ehl.

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