DAZ aktuell

Celesio/DocMorris

Razzia bei Apothekerverbänden

STUTTGART (diz). Wegen möglicher Verstöße gegen das Boykottverbot hat das Bundeskartellamt am 18. Juli die Büros mehrerer Apothekerverbände durchsucht. Anlass für die Razzien war der Verdacht, dass die Verbände möglicherweise Mitglieder dazu angehalten haben, die Lieferbeziehungen zum Großhändler Gehe zu beenden. Hintergrund ist die Übernahme der Internetapotheke DocMorris durch den Konzern Celesio, dem auch die Pharmagroßhandlung Gehe angehört. ABDA-Büros seien nicht durchsucht worden, hieß es (siehe auch den ausführlichen Bericht in unserer Montagsausgabe vom 23. Juli 2007).

Laut Beschluss des Amtsgerichts Bonn wurden auf Antrag des Bundeskartellamts die Geschäftsräume der Apothekerverbände Baden-Württemberg, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein und Thüringen durchsucht. Warum gerade diese Verbände für die Aktion ausgewählt wurden, geht aus den vorliegenden Unterlagen nicht hervor. Wie es in dem Gerichtsbeschluss heißt, bestehe der Verdacht, "dass verschiedene Landesapothekerverbände … ihre Mitglieder mindestens seit Ende April 2007 zu einer Bezugssperre gegenüber dem bundesweit tätigen Pharmagroßhändler Celesio/Gehe aufgefordert haben, um Celesio/Gehe Umsatzeinbußen zuzufügen, die das Unternehmen dazu veranlassen sollen, von dem im April 2007 erfolgten Erwerb von DocMorris wieder Abstand zu nehmen".

Begründet werden die vorgeworfenen Verhaltensweisen als Verstoß gegen das Boykottverbot. Das Gericht bzw. das Kartellamt erwartet von der Durchsuchung, dass Beweismittel aufgefunden werden, beispielsweise Korrespondenz (auch E-Mails), Sitzungsprotokolle und -notizen, Memos oder Faxprotokolle, die sich auf den Erwerb von DocMorris durch Gehe/Celesio beziehen. Die Untersuchung solle auch der Sicherstellung von Unterlagen in Papierform und/oder EDV-Datenträgern dienen, um die Bußgeldhöhe zu ermitteln. Diese kann sich, wie es in dem Beschluss heißt, aus den von den (Neben-)Betroffenen erzielten Umsätzen ergeben. Erste Ergebnisse über den Ausgang der Durchsuchung sind in einigen Monaten zu erwarten.

Alle von der DAZ befragten Verbandsgeschäftsführer und -vorsitzenden bekräftigten unisono, dass die vom Kartellamt erhobenen Vorwürfe unbegründet und haltlos seien. Die Aktion des Kartellamts sei zudem unangemessen und überzogen gewesen.

Wie in der FAZ vom 20. April zu lesen war, sollen die Razzien auf Anzeigen von zwei Gehe-Niederlassungen zurückzuführen sein. Auslöser hierfür sollen Umsatzeinbußen sein, die Gehe seit Ende April erlitten habe. Zahlen sind von Gehe bisher nicht zu bekommen, die Halbjahresbilanz wird am 9. August vorgestellt. Nach FAZ-Angaben habe ein Unternehmenssprecher bestätigt, dass die Umsätze unter der DocMorris-Übernahme gelitten hätten. Andererseits habe Celesio zuvor darauf hingewiesen, dass die Verluste im erwarteten Rahmen geblieben seien und binnen eines Jahres wieder ausgeglichen werden könnten.

Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle noch darauf hingewiesen, dass sich in unseren Beitrag in der Montagsausgabe zwei kleine Flüchtigkeitsfehler eingeschlichen haben, die wir hiermit richtigstellen wollen. In Nordrhein-Westfalen wurden nur die Räume des Apothekerverbands Nordrhein, nicht die des Apothekerverbands Westfalen-Lippe durchsucht. Und im Zusammenhang mit dem Bericht über die Durchsuchung in Thüringen muss es im Text richtig heißen, dass Geschäftsführer und Vorstand während der Durchsuchung nicht in der Geschäftsstelle (im Text stand "Kammer") in Erfurt anwesend waren.

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