Seite 3

Everybody’s darling …

In der vergangenen Woche rief die AOK zur ersten Bilanz in Sachen Rabattverträge – und zündete ein Feuerwerk an Lobeshymnen auf diese glorreiche Errungenschaft. Rabattverträge sind schon jetzt ein Erfolgsmodell, die 16 AOKs haben bereits rund 30 Mio. Euro gespart, die Versicherten wurden um 4 Mio. Euro durch den Wegfall der Zuzahlungen entlastet und überhaupt sind von 579 Arzneimitteln 98 Prozent lieferbar. Die Rabattverträge aus Sicht der AOK: eine Erfolgsstory. Hätten Sie etwas anderes als diese Aussagen vom Rabattsvertragschef der AOK, Christoph Hermann, erwartet? Ich nicht.

Immerhin hatte er auch versöhnliche Worte für die Apotheken übrig, bei denen er sich dafür bedankte, "was sie in den letzten Monaten geleistet haben". Besten Dank, Herr Hermann, dass Sie immerhin mit ein paar dürren Worten die immensen Leistungen der Apotheken (und der Softwarefirmen) herausstellen, ohne deren Anstrengungen die Rabattverträge glatt abgestürzt wären. Denn – mit Verlaub – das Lob können wir für Ihre wenig glanzvolle Leistung, solche insuffizienten Verträge mit Randgruppen im Generikamarkt abgeschlossen zu haben, leider nicht zurückgeben. Was mussten und müssen die Apotheken für die Erfüllung dieser Rabattspielchen alles leisten! Welche Konflikte mit den Kunden, welche Kosten an Personal und EDV, welchen Ärger mussten und müssen die Apotheken auf sich nehmen, nur um der kranken Gesundheitskasse sparen zu helfen. Und bei allem Desaster, das die Apotheken ausbaden müssen, können sie zusehen, wie der Herr verordnende Doktor von der AOK noch mit Barem belohnt wird – für jeden AOK-Versicherten, den er auf die "AOK-Therapie" umstellt. Dabei ist hier immer noch die Frage ungeklärt, ob die AOK den Doktor überhaupt dafür belohnen und ob der Doktor diese Dankeszahlungen überhaupt annehmen darf.

Nach den Worten von Hermann funktioniert die Umsetzung der Rabattverträge auch aus Sicht der Patienten gut. Da frage ich mich doch, ob er sich nur in seinem Bekanntenkreis umgehört hat. Wenn ich nämlich die Rückmeldungen aus Apotheken höre, dann lässt sich etwas anderes vernehmen. Von Zufriedenheit über die Rabattverträge keine Spur. Patienten beklagen sich, dass sie immer wieder andere Präparate ausgehändigt bekommen, dass sie ihr Arzneimittel wegen Lieferschwierigkeiten nicht sofort mitnehmen können und dass sie mehrmals in die Apotheken kommen müssen. Wenn die AOK als Erfolg feiert, dass "bereits im April knapp 70 Prozent der Patienten ihre Rabattarznei sofort in der Apotheke erhalten haben, 20 Prozent nach kurzer Wartezeit", dann weiß ich nicht, ob ich darüber lachen oder weinen soll. Es gab die Zeit vor den AOK-Rabattverträgen, als solche gängigen Arzneimittel dem Patienten sofort ausgehändigt werden konnten.

Trotzdem, das Karussell dreht sich weiter. Schon hat Hermann die zweite Ausschreibung für die Jahre 2008 und 2009 angekündigt. Die neuen Verträge werden 82 Wirkstoffe umfassen. Bis Mitte September sollen sie unter Dach und Fach sein – da bleibt nur zu hoffen, dass die AOK aus ihrer starren Haltung gelernt hat und auch mit Herstellern Verträge abschließt, die den Markt ausreichend beliefern können. Dann können die Apotheken wenigstens die Patienten umgehend versorgen. Bleiben wird uns allerdings der Ärger mit Patienten, wenn sie ständig auf andere rabattierte Arzneimittel umgestellt werden, und der immense Aufwand in der Apotheke bei der Eingabe und der Belieferung des Rezepts.

Mein Fazit für das angebrochene Zeitalter der Rabattverträge: Mit diesem Kostendämpfungselement werden der Arzneimittelmarkt und sein Gefüge vielfältig verändert:

  • Über Rabattverträge nimmt die Krankenkasse massiven Einfluss auf die Arzneitherapie ihrer Versicherten. Der Arzt bestimmt die Auswahl eines geeigneten Wirkstoffs. Welches Präparat dann zum Zuge kommt, hat die Kasse quasi vorher festgelegt.
  • Noch verhandeln Kassen und Hersteller direkt miteinander. Möglicherweise werden jedoch schon bald externe Dienstleister und Spezialisten diese Aufgaben übernehmen. In den USA gibt es solche Pharmaceutical Benefit Manager schon lange – Dienstleister, die auch am Gesundheitssystem verdienen wollen.
  • Was Insider auch voraussehen: der Trend geht weg vom Außendienst, da Ärzte und Apotheker weniger Einfluss bei der Arzneimittelauswahl haben.
  • Möglich ist auch, wie eine Umfrage zeigte, dass Pharmahersteller, deren Patente in Kürze auslaufen, für die betroffenen Präparate Rabattverträge abschließen, um den Generikawettbewerb zu behindern.

Als Apotheker werden wir weiterhin die Last der Beschaffung der Rabattarzneimittel, die Datenflut und die Konflikte mit den Patienten bewältigen müssen – ohne irgendeinen Cent extra dafür zu bekommen. Wie heißt es doch so treffend: everybody‘s darling is everybody‘s Depp.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.