Arzneimittel und Therapie

Kinder brauchen viel Calcium"– stimmt das?

Eine Metaanalyse mit knapp 3000 Kindern, die entweder Calcium-Präparate zur Nahrungsergänzung oder Placebo erhalten hatten, ergab, dass die Calciumzufuhr für die Knochendichte nur wenig bringt. Einzig der klinisch wenig relevante Wert am Oberarm konnte leicht erhöht werden.

Die Pubertät ist – neben dem Säuglingsalter – durch ein besonders intensives Knochenwachstum gekennzeichnet. 90% der maximalen Knochenmasse werden bis zum Ende der Adoleszenz aufgebaut. Für den Knochenaufbau werden in den ersten fünf bis sechs Lebensjahren pro Tag etwa 100 mg Calcium gebraucht. Während des Pubertätswachstumsschubs kann die Retention bis zu 400 mg und mehr pro Tag betragen. Später nimmt die Calciumabsorptionsrate ab. Beim jungen Erwachsenen werden täglich noch maximal 150 mg Calcium im Körper eingebaut. Zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr wird der Knochenaufbau normalerweise abgeschlossen. Dementsprechend sind Kindheit und Jugend besonders sensible Phasen für eine optimale Knochenentwicklung, auch zur Vorbeugung einer Osteoporose.

Weit verbreitet ist daher die Empfehlung: "Kinder brauchen viel Calcium". In vielen Industrienationen werden von Gesellschaft und Politik auch Programme zur vermehrten Calciumzufuhr bei Kindern unterstützt. In den USA empfiehlt die Regierung, die Einnahme von täglich mindestens drei Portionen Milch oder anderen Produkten mit hohem Calcium-Gehalt.

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt je nach Lebensalter eine tägliche Zufuhr von bis zu 1200 mg Calcium.

Große Metaanalyse

In einer Metaanalyse wurden 19 Studien mit insgesamt 2859 Kindern im Alter von drei bis 18 Jahren ausgewertet. In allen Studien bekamen die Kinder randomisiert 300 bis 1200 mg Calcium zur Nahrungsergänzung oder Placebo über mindestens drei Monate. Es wurden verschiedene Calciumsalze und Zubereitungen, aber keine Milchprodukte, eingesetzt. Nach einer Beobachtungszeit von mindestens sechs Monaten wurde die Knochendichte gemessen.

Knochendichte nimmt kaum zu

Am Oberschenkelhals und an der Lendenwirbelsäule, also den Stellen, an denen bei Osteoporose das höchste Frakturrisiko besteht, konnte keine signifikante Zunahme der Knochendichte festgestellt werden. Einzig am Oberarm wurde eine geringe Zunahme der Knochendichte verzeichnet, die auch nach Ende der Nahrungsergänzungszufuhr erhalten blieb. Es ist allerdings unwahrscheinlich, dass dieser Effekt das Risiko für spätere Frakturen in relevantem Ausmaß reduziert.

Bewegung ist wichtig

Die Entwicklung der Knochen hängt stark davon ab, in welchem Ausmaß sie beansprucht werden. Dies ist auch ein Grund, warum gerade sehr dünne Frauen jenseits der Menopause ein hohes Osteoporoserisiko haben.

Für zusätzliche Bewegung konnte im Gegensatz zur Calcium-Zufuhr in einer Studie mit jugendlichen Mädchen eine Erhöhung der Knochendichte gezeigt werden. Bei Kindern, die möglicherweise ohnehin Gewichtsprobleme haben, sollte auch daran gedacht werden, dass viele Milchprodukte, neben Calcium, auch viel Fett und Zucker enthalten. Diesen Kindern könnte die zusätzliche Aufnahme solcher Produkte eher schaden.

Es ist wohl die bessere Empfehlung zu sagen: "Kinder brauchen Bewegung und eine ausgewogene Ernährung!" als zu sagen: "Kinder brauchen viel Calcium!", wobei hier eine zusätzliche Calciumzufuhr zur ausgewogenen Ernährung gemeint ist.

Kinder mit Erkrankungen oder Kinder, die Arzneimittel brauchen, die den Knochenstoffwechsel beeinträchtigen, zum Beispiel Glucocorticoide, waren in der beschriebenen Studie nicht eingeschlossen. Bei diesen Kindern kann die Nutzenbewertung einer Calciumergänzung anders ausfallen.

Quelle

Winzenberg, T.; et al.: Effects of calcium supplementation on bone density in healthy children: meta-analysis of randomised controlled trials. Brit. Med. J. 333, 775-778 (2006).

Deutsche Gesellschaft für Ernährung www.dge.de

Apothekerin Bettina Martini
Tab. 1: Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung zur täglichen Calciumzufuhr.
Alter in Jahren
Empfohlene Calciumzufuhr [mg/Tag]*
1 bis < 4
600
4 bis < 7
700
7 bis < 10
900
10 bis < 13
1100
13 bis < 15
1200
15 bis < 19
1200
19 bis < 51
1000
> 51
1000

* Einen erhöhten Bedarf haben Säuglinge, Schwangere und Stillende

Calcium im menschlichen Organismus


Mit einem Körperbestand von 1 bis 1,1 kg ist Calcium der mengenmäßig am stärksten vertretene Mineralstoff im menschlichen Organismus – es wird demnach auch nicht als Spurenelement bezeichnet. 99% des im Körper vorkommenden Calciums befinden sich in Knochen und Zähnen, überwiegend in Form von Hydroxylapatit, mit der Summenformel Ca5(PO4)3OH. Die Knochen dienen neben ihrer Skelettfunktion als Calcium-Speicher.
Calcium ist an der Blutgerinnung, an der Erregung von Muskeln und Nerven sowie an der Aktivierung einiger Enzyme und Hormone beteiligt. Der Einstrom von Calciumionen in die Muskelzellen führt zur Kontraktion der Muskulatur. Im Blut muss ständig eine Konzentration von 2,1 bis 2,6 mmol/l Calcium gegeben sein, reguliert wird diese durch Calcitonin und Parathormon.

Calciumreiche Nahrungsmittel


  • Milchprodukte
Hartkäse 1100 bis 1300 mg/100 g
halbfester Käse 500 bis 1100 mg/100 g
Weichkäse 300 bis 500 mg/100 g
Milch (Rohmilch, Vollmilch, H-Milch, Buttermilch, Dickmilch, fettarme Milch [1,5% Fett]) 100 bis 150 mg/100 g
Joghurt, Kefir 100 bis 150 mg/100 g
Molke 70 bis 100 mg/100 g
  • Gemüse
Grünkohl ca. 210 mg/100 g
Petersilie ca. 200 mg
Brunnenkresse ca. 180 mg/100 g
Ruccola ca. 160 mg/100 g
Spinat ca. 160 mg/100 g
Chinakohl ca. 150 mg/100 g
Fenchel ca. 110 mg/100 g
Brokkoli ca. 100 mg/100 g
Meerrettich ca. 100 mg/100 g
Bleichsellerie ca. 80 mg/100 g
Rote Rübe ca. 20 mg/100 g
  • Früchte
Feigen, getrocknet ca. 250 mg/100 g
  • Brot
Vollkornbrot ca. 50 mg/100 g
  • Sonstiges
Sesam ca. 780 mg/100 g
Tofu ca. 500 mg/100 g
Mandeln ca. 240 mg/100 g
Haselnüsse ca. 230 mg/100 g
Paranüsse ca. 170 mg/100 g
Sojabohnen, gekocht, ca. 70 mg/100 g
Hafermehl ca. 50 mg/100 g
Sonnenblumenkerne ca. 50 mg/100 g

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