DAZ aktuell

Nationaler Ethikrat

Wir entscheiden uns, uns nicht zu entscheiden Bundesforschungs­ministerin Annette Schavan (Mitte) mit Kristiane Weber-Hassemer (Vorsitzende des Ethikrats) und Eberhard Schockenhoff (Mitglied im Ethikrat).
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Stammzellgesetz: Stichtagsregelung scheidet die Geister

BERLIN (ks). Kurz bevor sich der Nationale Ethikrat (NER) noch in diesem Sommer auflösen und seine Arbeit an den neuen "Deutschen Ethikrat" abgeben wird, hat das Beratergremium eine letzte Stellungnahme abgegeben. Darin befasst es sich mit der Frage, ob die Erfahrungen der vergangenen Jahre Anlass geben, das seit 2002 geltende Stammzellgesetz zu ändern. Die Meinung hierzu ist gespalten.

14 der 24 Ratsmitglieder plädieren für eine Novellierung des Stammzellgesetzes. Sie empfehlen, die Stichtagsregelung abzuschaffen, nach der die Einfuhr und Verwendung embryonaler Stammzellen, die nach dem 1. Januar 2002 gewonnen wurden, verboten ist. An ihre Stelle sollte eine "praktikable und zuverlässige Einzelfallprüfung" bei der Genehmigung des Imports und der Verwendung embryonaler Stammzellen treten. Dabei müsse zur Überzeugung der zuständigen Behörde feststehen, dass die Herstellung der betreffenden Zelllinien weder vom Antragsteller selbst veranlasst noch sonst von Deutschland aus bewirkt wurde. Der Gesetzeszweck, zu vermeiden, dass von Deutschland aus eine Gewinnung von embryonalen Stammzellen veranlasst wird, sei auch auf diese Weise zu erreichen. Darüber hinaus spricht sich die Mehrheit der Ratsmitglieder dafür aus, die Strafvorschriften des Stammzellgesetzes entfallen zu lassen. Denn wer sich von Deutschland aus am Verbrauch extrakorporal erzeugter Embryonen im Ausland beteilige, sei ohnehin nach dem Embryonenschutzgesetz strafbar. Nicht zuletzt empfehlen die Novellierungs-Befürworter, den Import und die Verwendung embryonaler Stammzellen nicht nur für die Forschung zuzulassen, sondern auch zum Zweck der Diagnose und Behandlung von Krankheiten.

… und dafür

Neun der 24 Gremiumsmitglieder stellen sich gegen die Vorschläge ihrer Ratskollegen. Sie sehen hierin keine Fortschreibung des einmal erreichten Kompromisses, sondern dessen "substanzielle Änderung und Aufkündigung". So sei die mit der Aufhebung der Stichtagsregelung und der Erweiterung der Nutzungszwecke einhergehende "Aushöhlung des ethisch-moralischen Fundaments des Stammzellgesetzes bei fortbestehender Gültigkeit des Embryonenschutzgesetzes ethisch widersprüchlich und in der Öffentlichkeit kaum zu vermitteln". Zudem sei nach wie vor nicht absehbar, ob und wann sich aus embryonalen bzw. pluripotenten Stammzellen wirksame Therapien entwickeln lassen. Die Befürworter dieses zweiten Votums sehen zwei Optionen: Es bei der Stichtagsregelung zu belassen oder aber die normativen Grundpositionen und damit das Embryonenschutzgesetz selbst neu zu diskutieren. Ein einzelnes NER-Mitglied plädiert schließlich dafür, die dem Stammzellgesetz zugrunde liegende Kompromisslinie beizubehalten und den Stichtag auf ein zurückliegendes, jüngeres Datum zu verschieben.

Koalition will sich der Diskussion stellen

Anfang des Jahres hatte die Bundesregierung in ihrem zweiten Bericht über die Durchführung des Stammzellgesetzes ausgeführt, dass sich die bestehenden gesetzlichen Regelungen "bewährt" hätten. Doch die Stichtagsregelung und die Strafvorschriften stehen innerhalb der Koalition durchaus zur Diskussion. Die FDP hat zu Jahresbeginn einen Gesetzentwurf zur Liberalisierung des Stammzellgesetzes eingebracht, der eine Abschaffung der Stichtagsregelung vorsieht. Im Forschungsausschuss des Bundestages wurde dieser bereits kontrovers diskutiert – eine abschließende parlamentarische Beratung steht allerdings noch aus. In der SPD geht die Tendenz eher dahin, den Stichtag einmalig zu verschieben – genannt wurde der 1. Mai 2007. Anlässlich der Stellungnahme des NER sprach sich auch die Linksfraktion für Verhandlungen zur Änderung der Stichtagsregelung und für die Aufhebung bzw. rechtssichere Gestaltung der Strafdrohung aus. Die Grünen lehnen eine Änderung des Gesetzes hingegen ab.

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