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"Unsere Apotheken sollen Premium-Apotheken sein"

(diz). Die Apothekenkooperation parmapharm war vor gut einem halben Jahr ins Schlingern gekommen. Mitglieder wanderten ab oder meuterten, da sie mit einigen Konzepten wie dem Bonus-Programm HappyDigits oder der deutlichen "Empfehlung", eine einheitliche Software zu verwenden, nicht einverstanden waren. Zuviel Gängelei von oben, so die Kritik der Gesellschafter. Mittlerweile hat die Zentrale die Wogen geglättet und tritt mit der "Vision 2010" an: eine Premium-Strategie für die parmapharm-Apotheken. Wir sprachen mit Frank Stuhldreier, Geschäftsführer der parmapharm, und Guido Greger, Leiter Marketing.

DAZ Bei der Apothekenkooperation parmapharm ging es nicht gerade ruhig zu in den letzten Wochen. Ich erinnere an die Preisschlacht in Hamburg, die von Gesund-ist-bunt-Apotheken im September letzten Jahres angezettelt wurde. Haben Sie Ihre Mitglieder zu Preisaktionen ermuntert? Oder sind da einige Ihrer Mitgliedsapotheken ausgebüchst? Gesund ist nicht nur bunt, sondern sogar kunterbunt?

Stuhldreier: Um hier ganz klar Stellung zu beziehen: Der Hamburger Arbeitskreis der parmapharm sah sich mit einer besonderen Situation konfrontiert. Dort drohte der Markteintritt von Discountkooperationen – parmapharm musste darauf reagieren. Der Hamburger Arbeitskreis wollte mit seinen Aktionen Signale setzen und Markteintrittsbarrieren initiieren. Eine zu schnelle Reaktion des Hamburger Arbeitskreises führte dann dazu, dass man dort eine mit der Zentrale nicht abgestimmte Aktion durchgeführt hat. Wir haben allerdings schnell die Zügel wieder in die Hand genommen und eine selektive Preisstrategie formuliert, der sich die überwiegende Zahl der Hamburger Gesund-ist-bunt-Apotheken angeschlossen hat. Diese Preisstrategie sieht so aus, dass etwa 100 Artikel aus dem OTC-Sortiment für ein Jahr definiert werden, die in den Flyern beworben werden. Einige davon werden besonders als "eye-catcher" herausgestellt und mit einem Preisnachlass bis zu 20 Prozent beworben, andere werden eher moderat reduziert. Eine solche Aktion läuft vier Wochen, danach werden die Preise wieder auf den unverbindlichen Verkaufspreis angehoben und andere Artikel für die Aktion ausgewählt. Unsere Aktionen haben große Wellen geschlagen, keine Frage. Solche Aktionen wurden auch von anderen übernommen. Denn bei dieser Vorgehensweise lassen sich Umsatz- und Deckungsbeitragssteigerungen erzielen. Also: wir sind keine preisaggressive Kooperation, wollen es auch nicht sein. Aber deswegen betrachten wir den Preis nicht als sakrosankt und fassen ihn behutsam und richtig an.

Greger: Wir haben auch allen Mitgliedsapotheken gesagt: Dort, wo keine Notwendigkeit besteht, am Preis etwas zu machen: Hände weg vom Preis. Nur dort, wo es aufgrund von Konkurrenzaktivitäten notwendig wird, vorsichtige Preisaktionen zu fahren, sollte eine moderate selektive Preispolitik nach unseren Vorgaben eingesetzt werden.

DAZ Die Ruhe bei parmapharm währte nicht lange. Für innere Tumulte und deutliche Kontroversen sorgte die Ankündigung der Zentrale, dass alle parmapharmler auf eine einheitliche EDV umsteigen sollten. Schon jetzt werden laut Satzung Daten und Abverkaufszahlen in anonymisierter Form an die Zentrale geliefert. Die einheitliche Software würde dies begünstigen. Da aber haben einige Ihrer Mitglieder wohl Sorge um die Datensicherheit und fürchten eine gläserne Apotheke. Wie sieht die Situation heute aus? Müssen sich alle nun dem ausgewählten IT-Haus anschließen oder dürfen sie ihre eigene EDV behalten?

Stuhldreier: Unsere Ankündigung auf der letzten Expopharm, auf Promedisoft umzusteigen, war keine Ad-hoc-Entscheidung. Vorausgegangen war eine klare Analyse des Softwaremarktes, wer in der Lage sein könnte, mehr als vier Apotheken zu vernetzen. Zum damaligen Zeitpunkt war es eben nur Promedisoft. Außerdem hatten bereits über 55 Prozent unserer Gesellschafter die Software dieses Anbieters im Einsatz. Da lag es nahe, Promedisoft als strategischen Partner zu nehmen. Daraufhin kündigten uns die anderen Softwarehäuser die Freundschaft bis hin zum Entzug der HappyDigits-Funktionalität. Im April wurde dann eine außerordentliche Gesellschafterversammlung einberufen, um zu klären, ob diese Maßgabe rückgängig gemacht werden könnte. Wir haben uns dem gern gestellt, um klar zu machen, dass wir hier weder einen Zwang ausüben noch einen Wechsel des Softwarehauses als verpflichtend erklärt haben. Wir wollten argumentativ überzeugen, dass das von uns präferierte Softwarehaus für die strategischen Ziele unserer Kooperation das Richtige ist. Dieser Schritt war aus unserer Sicht erfolgreich. Seit der Expopharm haben daraufhin knapp über 100 der Gesellschafter den Wechsel zu Promedisoft vollzogen. Über 250 unserer Gesellschafter liefern mittlerweile Daten an unseren Zentralserver, den Cube. Diese Daten sind für uns sehr wichtig zur Unterstützung anderer Vorhaben wie der Kernsortimentsstrategie und der Dokumentation unserer Abverkaufsbemühungen gegenüber unseren Industriepartnern. Mittlerweile werden unsere Bemühungen auch von den anderen Softwarehäusern unterstützt, indem sie unseren Gesellschaftern die erforderlichen Schnittstellen für unseren Cube und für das HappyDigits-Programm zur Verfügung stellen.

Greger: Oberste Datensicherheit war uns hier von Anfang an wichtig, vom Weg aus der Apotheke in den Cube, der im Sicherheitszentrum der Deutschen Börse in Frankfurt betrieben wird, im Cube selbst und beim Zugriff der Zentrale auf den Cube. Nur wenige Personen in der parmapharm-Zentrale haben dabei Zugriff auf die abverkaufsorientierten Daten. Kunden- und Patientendaten werden dabei gar nicht erst übermittelt.

DAZ Reizwort HappyDigits: Nach meinen Informationen konnten sie hier bei weitem nicht alle Mitglieder für dieses Bonusprogramm begeistern. Zeitweise schien der Streit um die Punkte die parmapharm zu entzweien. Die aktuelle Situation?

Stuhldreier: Diese Querelen sind aus der Welt. Hintergrund war, dass die Gesellschafter unserer Kooperation eine einheitliche Kundenkarte seit Jahren gewünscht haben. Nach langen und ausführlichen Verhandlungen mit allen relevanten Anbietern haben wir uns für HappyDigits entschieden, da dieses Programm unsere Anforderungen, insbesondere an die Individualisierungsmöglichkeiten für die Apotheke und – ganz wichtig im Apothekenbereich – die Datensicherheit, am besten erfüllt. 370 unserer Gesellschafter setzen die Happy-Digits-Karte ein, zum Teil mit sehr großem Erfolg. Diese Karte ist für die Kundenbindung, die immer wichtiger für die Apotheke wird, ein hervorragendes Instrument. Die breite Einführung der Karte bei allen unseren Gesellschaftern sehen wir allerdings als mittelfristigen Prozess. Wir könnten auch nicht alle Umsetzungswilligen auf einmal in ein solches System integrieren. Denn hier müssen auch Zulassungs- und Prüfprozesse absolviert werden. Wir hoffen, dass die erfolgreichen Beispiele weitere Kreise ziehen und die anderen zur Teilnahme bewegen.

DAZ Muss ich als parmapharm-Gesellschafter an diesem Programm teilnehmen oder ist dies eine Empfehlung?

Stuhldreier: Es liegt ein Gesellschafterbeschluss vom letzten Jahr vor, der die mittelfristige Einführung der gemeinsamen Kundenkarte vorsieht. Der Schwerpunkt liegt dabei auf "gemeinsamer Kundenkarte" in Verbindung mit einem Multipartner-Bonusprogramm. Das heißt, alle pharmazeutischen Dienstleistungen wie der Interaktionscheck u. a. können mit dieser Kundenkarte weiterhin angeboten werden, und zusätzlich bekommt der Kunde die Vorteile des Bonusprogramms. Also mehr Leistung mit weniger Karten im Portemonnaie für den Kunden und klare Differenzierungsvorteile sowie Entlastung im Backoffice für den Apotheker, da die Aufwendungen für eigene Bonussysteme entfallen.

Greger: Aus unseren Analysen wissen wir, dass der Einsatz unserer gemeinsamen Kundenkarte sehr erfolgreich für die anwendenden Apotheken ist: bessere Kundenbindung, höhere Warenumsätze pro Kunde, sowie viele Neukunden von anderen HappyDigits-Partnern, die bewusst in unsere Apotheken gehen, weil sie dort ihre HappyDigits-Karte einsetzen können.

DAZ Kritiker von parmapharm fürchten die zunehmende Einbuße von Unabhängigkeit. Das System parmapharm driftet für einige ab in Richtung Franchise-System. Einheitliches EDV-System, Meldepflichten, deutlich sichtbares Logo nach außen und ähnliches lassen diese Schlüsse zu. Gehen Sie in diese Richtung?

Stuhldreier: Wir haben es immer wieder deutlich zum Ausdruck gebracht: Wir wollen kein Franchisesystem sein, aber dennoch die Erfolgsfaktoren eines Franchisekonzeptes wie einheitliche Wiedererkennungsmerkmale, einheitlichen Marktauftritt nutzen. Diese Faktoren werden wir für uns in Anspruch nehmen, ohne aber die Individualität und Selbstbestimmung der Apotheke auch nur ansatzweise einzuschränken.

DAZ Und das soll funktionieren?

Stuhldreier: Wir haben den Leitspruch: so viel Systematisierung der Hintergrundprozesse wie notwendig, aber mit einem Höchstgrad an Individualität.

Greger: Es gibt Erfolgskonzepte solcher Modelle in anderen Bereichen, beispielsweise Edeka. Selbstständige Kaufleute, die gemeinsam auftreten, ein gemeinsames Marketing nutzen und gemeinsam einkaufen. Und dennoch ist der Kaufmann, der ein Edeka-Geschäft betreibt, vor Ort namentlich bekannt und wird als eigenständiger Unternehmer wahrgenommen.

Stuhldreier: Der Unterschied zum echten Franchisesystem ist, dass der Franchisegeber ein absolutes Weisungs- und Kontrollrecht gegenüber dem Franchisenehmer hat. Das haben wir als Kooperation niemals. Wir wollen mit unseren Konzepten immer überzeugen.

DAZ Sieht man es mit kritischen Augen, könnte man sagen, parmapharm hat das Kontrollrecht nur besser versteckt. Immerhin verschicken sie eine Selbstverpflichtungserklärung, mit der sich die Mitglieder verpflichten sollen, zahlreiche Anforderungen der Gesellschafterversammlungsbeschlüsse zu erfüllen. Auch darüber gibt es Dispute.

Stuhldreier: Diese Selbstverpflichtungserklärung wurde gemeinschaftlich von vielen Gesellschaftern entwickelt, die das Konzept der parmapharm als erfolgreiches Zukunftsmodell für die unabhängige Individualapotheke unter veränderten Marktbedingungen erkennen. Uns liegt ganz viel daran, dass diese Selbstverpflichtungserklärung von innen heraus akzeptiert wird. Aus der inneren Überzeugung, dass man in Zukunft enger zusammenrücken muss. Für uns ist es sehr positiv, dass es diese Aufbruchstimmung gibt und man nicht in Resignation verfällt. Dass der überwiegende Teil der Gesellschafter bereit ist, diese Selbstverpflichtungserklärung zu unterschreiben, zeigen uns die Rückmeldungen.

DAZ parmapharm verpflichtet im neuen Konzept seine Mitglieder auch, verbindlich an zentral vereinbarten Krankenkassenabschlüssen teilzunehmen und dort getroffene Vereinbarungen umsetzen. Im Klartext: parmapharm möchte auch mit Krankenkassen Verträge abschließen und die Verwirrung auf dem Markt komplettieren?

Stuhldreier: Verträge mit Krankenkassen sind ausdrücklich von der Bundesregierung gewollt. Wir werden allerdings nur in solche vertraglichen Vereinbarungen einsteigen, die von allen Beteiligten erfüllt werden können und nicht Apotheken einseitig benachteiligen. Insofern ist mit einer größeren Verwirrung oder ähnlichem nicht zu rechnen.

DAZ Nachgefragt: Ob grünes Kreuz oder bunte Steinchen (Gesund ist bunt) – wo ist da für den Verbraucher, den Kunden und letztlich auch für unsere Politiker noch der Unterschied? Ist dies nicht auch ein Signal an die Öffentlichkeit: Apotheker wollen die Kette?

Stuhldreier: Wir als parmapharm wollen zu den angedachten Ketten einen für den Verbraucher spürbaren Kontrapunkt setzen. Wir möchten unsere Apotheken ganz klar als Premium-Apotheken positionieren. In den Gesund-ist-bunt-Apotheken bekommt der Kunden mehr als nur Billigpreis und Massenabgabe von Arzneimitteln. Dem Endverbraucher müssen wir dies zwangsläufig mit einem Erkennungsmerkmal signalisieren. Die Marke "Gesund ist bunt" ist nicht nur sichtbares Zeichen, sondern ein klares Qualitätsversprechen, dass er hier in diesen Apotheken mit diesem Signet mehr bekommt als woanders. Bereits jetzt sind nahezu alle Gesund-ist-bunt-Apotheken zertifiziert, sie bieten ihren Kunden eine telefonische Rund-um-die-Uhr-Betreuung mit unserer ab 1. Juli kostenlosen Gesund-ist-bunt-Hotline mit pharmazeutischem Fachpersonal. Unsere erfolgreiche Eigenmarke im Inkontinenzbereich entlastet die betroffenen Patienten weitestgehend von der Zuzahlung und die HappyDigits-Kundenkarte bietet weitere Vorteile, um nur einige Bausteine unseres Konzeptes zu nennen. Dies alles sind Angebote, die eine einzelne Apotheke niemals realisieren könnte, und wir müssen dem Kunden deutlich zeigen, in welchen Apotheken er diese Leistungen bekommt. Das ist eine Kommunikationsaufgabe, die wir in kurzer Zeit lösen müssen.

Greger: Wir haben also unser bekanntes Logo mit den bunten Rauten einer grundsätzlichen Überarbeitung unterzogen. Der Kunde soll "Gesund ist bunt" nicht als einen Aufkleber unter vielen am Apotheken-Schaufenster, sondern als Gesamtkonzept der Apotheke wahrnehmen. Daher haben wir einen komplett neuen Außenauftritt für unsere Gesellschafter entwickelt, der die Marke "Gesund ist bunt" mit dem Namen der Apotheke verbindet – die Individualität bleibt also erhalten. Das Apotheken-A als starke und jahrzehntelang gelernte Marke hat mit seiner Orientierungsfunktion für den Kunden weiterhin seinen gebührenden Platz im Gesamtbild. Dies alles zeigt dem Verbraucher: hier handelt es sich immer um eine individuelle Apotheke. Für uns ist das eine gelungene Symbiose zwischen dem individuellen Apothekennamen und unserer gemeinsamen Marke als Wiedererkennungsmerkmal.

DAZ Nachdem es im Frühjahr fast zur Spaltung der parmapharm gekommen war, wurde der Vorstand beauftragt, ein neues aktives Konzept vorzulegen. Wie ich Pressemitteilungen entnehme, scheint es mit der "Vision 2010" nun soweit zu sein. Was ist mit diesem Konzept anders als zuvor?

Stuhldreier: Mit dem neuen Konzept setzen wir deutlich auf eine Premium-Strategie. Die Gesund-ist-bunt-Apotheken werden sich als "Gesundheitshaus der Zukunft" positionieren. Unser Ziel ist es, dass sich mit Blick auf das Jahr 2010 die zukunftsorientierten Premium-Apotheken gemeinsam und unabhängig unter der starken Marke Gesund ist bunt organisieren.

Angefangen bei einem überarbeiteten Außenauftritt werden die Gesund-ist-bunt-Apotheken den Anspruch erfüllen, noch mehr Service und Beratung bei marktgerechten Preisen zu bieten, vor allem mit Blick auf Prävention. Der neue Auftritt setzt damit ein deutliches Signal gegen Apothekenketten und Discounter. Der neue Slogan für die Gesund-ist-bunt-Apotheken lautet: "Für das wirklich Wichtige im Leben", denn Gesundheit ist immer noch das höchste Gut des Menschen und es ist unsere Aufgabe, den Kunden und Patienten bestmöglich zu helfen, ihre Gesundheit zu erhalten oder wiederzuerlangen. In der Kooperation können wir dies auch in Zeiten verschärften Wettbewerbs leisten und gemeinsam unabhängig bleiben.

DAZ Vielen Dank für das Gespräch!

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