DAZ aktuell

Gutachten des Sachverständigenrats

Mehr Kooperation und Verantwortung

BERLIN (ks). Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen hat Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt am 3. Juli sein Gutachten 2007 übergeben. Unter dem Titel "Kooperation und Verantwortung – Voraussetzungen einer zielorientierten Gesundheitsversorgung" befasst sich das Expertengremium auf gut 900 Seiten mit der Zusammenarbeit der Gesundheitsberufe, der Integrierten Versorgung, dem Krankenhauswesen, der Qualität und Sicherheit der Versorgung sowie der Primärprävention.

Auch wenn das deutsche Gesundheitswesen im internationalen Vergleich nach wie vor recht gut abschneidet: Es gibt viele Ansatzpunkte, wie es noch effizienter und effektiver werden könnte. Den Zustand des Systems aufzuzeigen und Vorschläge für seine Weiterentwicklung zu machen, ist Aufgabe des Sachverständigenrates. Der Vorsitzende des Gremiums, Prof. Eberhard Wille, erläuterte am 3. Juli die Schwerpunkte des aktuellen Gutachtens.

Das erste zentrale Thema ist der Befund, dass die Zusammenarbeit zwischen den Gesundheitsberufen stark verbesserungswürdig ist. Sie entspreche nicht dem veränderten Morbiditätsspektrum und auch nicht den Anforderungen einer sektorenübergreifenden Versorgung, erklärte Wille. Vielmehr sei die Kooperation gekennzeichnet von Rechtsunsicherheit, einer nicht immer effizienten Arztzentriertheit und Ausbildungsmängeln. Um die vorhandenen personellen Ressourcen optimal zu nutzen, seien neue Konzepte der Teamarbeit nötig – Voraussetzung hierfür sei jedoch, dass sich die Berufsgruppen hierfür offen zeigen und auch bereit sind Verantwortung zu übernehmen. Die Einbeziehung nicht-ärztlicher Gesundheitsberufe (etwa der Pflegeberufe) sollte nach Auffassung des Rats zunächst in Modellvorhaben erprobt werden. Hiefür biete sich insbesondere die integrierte Versorgung an, der ein weiteres Kapitel des Gutachtens gewidmet ist. In diesem mahnt der Sachverständigenrat an, dass die bloße Integration von Krankenhäusern und Vertragsärzten nicht ausreiche. Vielmehr bedürfe es "zielorientierter Anreizstrukturen, einer sektorübergreifenden Kooperation und der Orientierung an gesundheitlichen Outcomes". Um dem näher zu kommen, empfiehlt der Rat unter anderem, gleiche (Mindest-)Qualitätsstandards in den jeweiligen Sektoren zu schaffen und gleiche Leistungen auch gleich zu vergüten. Zudem sollte die gesetzlich vorgesehene Anschubfinanzierung für Integrierte Versorgungsformen nochmals verlängert werden und eine obligatorische Begleitforschung zu den Projekten etabliert werden – zumindest wenn diese strittig oder aufwendig sind.

Arzneimittelsicherheit erhöhen

Die Qualität der Versorgung und die Patientensicherheit sind ein weiterer Schwerpunkt des Gutachtens. Wie Wille erläuterte, schlägt der Rat 30 Indikatoren vor, die Ansätze für eine verbesserte Patientensicherheit bieten. Besondere Bedeutung messen die Sachverständigen dabei der Arzneimittelsicherheit zu. Um unerwünschte Arzneimittelereignisse und Medikationsfehler – die nach wie vor zum Versorgungsalltag gehören – künftig besser zu vermeiden, schlägt der Rat unter anderem vor, eine große pharmakoepidemiologische Datenbank einzurichten, um eine kontinuierliche und systematische Nebenwirkungsforschung durchführen zu können. Zudem sollten regional organisierte Pharmakovigilanzzentren die Risikosituation in der Arzneimitteltherapie erheben. Bislang erfolgen Meldungen über unerwünschte Arzneimittelwirkungen über ein Spontanmeldesystem, das die tatsächlichen Fälle unerwünschter Wirkungen und Ereignisse jedoch nicht ausreichend erfasst. Nicht zuletzt sei es erforderlich die elektronische Gesundheitskarte zu nutzen, um vermeidbare Wechselwirkungen und Medikationsfehler zu vermeiden.

Mehr Autonomie für Krankenhäuser

Ein weiteres großes Kapitel befasst sich mit dem Krankenhauswesen. Der Rat spricht sich dafür aus, die Kliniken mit mehr Autonomie auszustatten. So könnten sie sich besser an regionale Gegebenheiten anpassen und Überkapazitäten zügiger abbauen. Die Gewährleistungsverantwortung des Staates sollte nicht mehr in der Angebotsplanung, sondern nur noch in einem Angebotsmonitoring bestehen. Dieses müsse darauf abzielen, Unterversorgung zu vermeiden. Zudem sollte man von der dualen zu einer monistischen Finanzierung der Krankenhäuser kommen, so Wille.

Präventionsgesetz muss kommen

Nicht zuletzt fordert der Sachverständigenrat die Bundesregierung auf, noch in dieser Legislaturperiode ein Präventionsgesetz auf den Weg zu bringen. Dabei müsse berücksichtigt werden, dass Präventionspolitik nicht nur zum Ziel haben müsse, den allgemeinen Gesundheitszustand zu verbessern. Sie müsse auch ein Augenmerk darauf legen, sozial bedingte Ungleichheiten von Gesundheitschancen zu vermindern. Denn nach wie vor sind eine geringe Bildung, ein niedriges Einkommen und eine schlechte berufliche Position ein besonderes Krankheitsrisiko. Am Beispiel von Arbeitslosen, Obdachlosen und älterer, sozial benachteiligter Menschen, zeigt der Rat auf, wie durch Lebenswelt-bezogene Präventionsansätze Erfolge erreicht werden können. Eine besondere Rolle kommt dabei der Partizipation zu.

Ministerin begrüßt Vorschläge

Die Bundesgesundheitsministerin nahm das Gutachten wohlwollend entgegen. Es befasse sich mit einer Vielzahl von Themen, die auch ihr Ministerium beschäftigten, erklärte sie. Zu begrüßen seien insbesondere die vorgeschlagenen Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität und der Patientensicherheit. Aber auch die Anregungen, die Kompetenzen der nicht-ärztlichen Berufsgruppen zum Wohle der Patienten stärker zu nutzen und zu einer besseren Arbeitsteilung zu kommen, wird von Schmidt unterstützt. Sie betonte zudem, dass die Bundesregierung noch in diesem Jahr – nachdem die Pflegereform unter Dach und Fach ist – einen neuen Entwurf für ein Präventionsgesetz vorlegen wird.

Weitere Informationen sowie die Kurz- und Langfassung des Gutachtens finden Sie im Internet unter: www.svr-gesundheit.de

Prävention als sozialer Ausgleich Bei Übergabe des Gutachtens sprachen sich die Experten für mehr Kooperation, Autonomie und Sicherheit aus. (v. li.: Glaeske, Rosenbrock, Scriba, Schmidt, Kuhlmey, Schrappe, Wille)
Foto: DAZ/Sket

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