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Rauchen – Hilft die Zigarette beim Denken?

Bei der guten alten "Zeit" hat man die vor acht Jahren eingestellte Beilage reanimiert und den veränderten Zeiten angepasst. Sie heißt nun "Zeit Magazin Leben". Der "Spiegel" meint, dass sich das Heft jetzt zwischen Retro-Charme, Veteranentreffen und Personalisierungskult bewegt.
Um die Wiederbelebung publik zu machen, wurde mit einem alten Mann und einer jungen Frau und dem Claim "Denken, Fühlen, Leben" eine große Plakatkampagne gestartet. Der Mann steht für "Denken" und die heiter durch die Landschaft springende Frau für "Fühlen", klar. Der alte Mann ist Helmut Schmidt, und er hat eine Zigarette in der Hand und starrt mit ausdruckslosem Blick vor sich hin und sieht so aus, als habe er sich das Denken längst abgewöhnt.
Dass sich die Zeiten im Allgemeinen und Rauchverhalten und Image des Rauchens im Besonderen geändert haben, scheint in der Redaktion des Zeit-Magazins noch nicht angekommen zu sein. Oder man glaubt (oder weiß), dass das ohnehin nicht sehr große Grüppchen von "Zeit"-Lesern vor allem von intellektuellen Rauchern gebildet wird, die zur Erhaltung und Neugewinnung vorrangig angesprochen werden sollen.
An die ebenfalls nicht gerade überwältigende Zahl von Zuschauern mag auch Sandra Maischberger gedacht haben, die in ihrer ARD-Talkshow (12. Juni) den früheren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker und "Altkanzler" Helmut Schmidt zu einem Plausch geladen hatte und Herrn Schmidt wie selbstverständlich rauchen ließ, klar, sonst wäre er gar nicht erst gekommen (und was tut man nicht alles für die Einschaltquote).
Als bekennender Kettenraucher war Schmidt ja dafür bekannt, bei Fernsehinterviews stets zu rauchen, bei seiner 3SAT-Talkshow in den 90er Jahren rauchte er über die gesamte Sendung. Und wegen des Rauchverbots im Bundestag musste er für die Sitzungen auf Schnupftabak umsteigen. Dieses Verhalten mag man als Zeichen für Individualität sehen, weil sich hier einer sein privates Vergnügen von niemand verbieten lässt. Man kann es aber auch als Bestätigung dafür sehen, dass Rauchen eine echte Sucht und Helmut Schmidt ein (Rauch-)Süchtiger ist.
Und gerade in einer Zeit, in der erschreckende Zahlen über die verheerenden Wirkungen des Rauchens veröffentlicht werden und große internationale Anstrengungen unternommen werden, das Rauchen (vor allem auch bei Kindern und Jugendlichen) einzudämmen und endlich auch die Nichtraucher zu schützen, muss sich Frau Maischberger schon fragen lassen, ob es hilfreich und verantwortungsbewusst ist, einen Zigarettensüchtigen seine Sucht im Fernsehen demonstrieren zu lassen.
Frau Maischberger hat zwar in ihrer Sendung auf das Rauchverbot in öffentlichen Räumen hingewiesen, aber dafür (wie zu erwarten) von Herrn Schmidt nur ein müdes Lächeln geerntet, verbunden mit dem Hinweis, er befinde sich doch bei ihr wohl in privaten Räumen.
Nun kann man natürlich sagen, dass nach wie vor im Kino und im Fernsehen rauchende Kommissare, Wirte oder Kriminelle tagtäglich zu sehen sind, aber es ist schon ein Unterschied, ob diese aus dramaturgischen Gründen als Raucher dargestellt werden, oder ob man einen angesehen Politiker auftreten lässt, der mit großer Arroganz und (im Hinblick auf die Nichtraucher) Rücksichtslosigkeit zeigt, eisern zu seiner Sucht zu stehen.
Der Altkanzler kommentierte die Nichtraucher-Paranoia mit einem Vergleich zur Alkohol-Prohibition in Amerika, die in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts den Amerikanern gesetzlich vorschrieb, nur Milch, Tee und Wasser zu trinken. Nach einem guten Jahrzehnt erfolgloser Bemühungen um ein trockenes Amerika wurde dann 1933 das Alkoholverbot wieder aufgehoben. Wenn einem so intelligenten und gebildeten Menschen wie unserem Altkanzler ein solch unsinniger Vergleich einfällt, muss man sich in der Tat fragen, ob dieser (ebenso wie sein oft starrsinniges Diskussionsverhalten) nicht eine Spätfolge seines lebenslangen Rauchens ist.
Die alles bräuchte niemanden zu jucken, wenn Schmidt wegen seines unverhohlenen Stolzes, Raucher zu sein, nicht auch von jungen Leuten, die ja in der Disco zum Rauchen vor die Türe geschickt werden, als cooler Hund bewundert wird, der allen zeigt, dass man sich von niemandem und nirgendwo das Rauchen verbieten lassen muss.
Marktforschungsuntersuchungen haben ergeben, dass die Kolumne "Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt" die beliebteste Kolumne im neuen Zeit-Magazin ist. Da war ich mir plötzlich nicht mehr sicher, ob auf dem Plakat gar nicht für das Magazin, sondern für eine Zigarettenmarke geworben wird. Doch nein, ich habe mich überzeugt, es wird wirklich für das "Zeit Magazin Leben" geworben. Klar, denn wäre es für eine Zigarette, müssten sie ja aufdrucken: "Rauchen kann tödlich sein". Und das würde nun wirklich nicht zu dem Claim "Leben" passen.

Klaus Heilmann
Prof. Dr. med. Klaus Heilmann beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Risikoforschung, Krisenmanagement und Technikkommunikation. In der DAZ-Rubrik "Außenansicht" greift Heilmann Themen aus Pharmazie, Medizin und Gesellschaft aus Sicht eines Nicht-Pharmazeuten vor dem Hintergrund seiner Erfahrungen auf.

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