Seite 3

"Billiger" gegen "Günstiger"

Wer bisher glaubte, schon alle Spielarten von "Apotheken" zu kennen, muss jetzt dazu lernen. Seit unser Gesetzgeber die Versandapotheke zugelassen hat, ist die deutsche Pharmazie nicht mehr so, wie sie einmal war. Deutschland ist zum Experimentierfeld der Pillenschacherer geworden – dank Gesetzgebung mit ungebremstem Hang zum europäischen Liberalismus, "fortschrittlicher" Rechtsprechung und unendlichem Erfindungsreichtum von Kolleginnen und Kollegen, Möchtegern-Apothekern und Großhändlern.

Woher kann ein Patient heute seine Arzneimittel beziehen, wenn er partout nicht in "seine gute alte Apotheke an der Ecke" gehen will? Kleine Bestandsaufnahme, welche Abarten einer Präsenzapotheke, wie sie Apothekengesetz und -betriebsordnung vorsehen, wir in Deutschland schon vorfinden: die "normale" Versandapotheke im In- und Ausland, die Apotheke mit verdecktem Fremdbesitz wie bei der Hallenser Zur-Rose-Apotheke, mit offenem Fremdbesitz wie bei der DocMorris-Apotheke in Saarbrücken, die dm-Rezept-Abholstellen (zusammen mit der Europa-Apotheek Venlo), Franchise-Kooperationen wie Avie- oder DocMorris-Apotheken und Discount-Apotheken wie die Easy-Apotheken.

Doch damit nicht genug – seit einigen Tagen gibt es eine neue Bezugsquelle für Arzneimittel: den Internetbestellshop nach dem Vorbild von Quelle-Shops – derzeit nachzulesen auf den Online-Seiten des Magazins "Stern" ( www.stern.de/wirtschaft/immobilien). Im niedersächsischen Örtchen Wedemark-Mellendorf eröffnete ein Apotheker vor Kurzem eine DocMorris-Apotheke, nach Meinung des Stern-Berichts "eine kluge Idee". Dass der Apotheker diese Eröffnung möglicherweise bereits bereut, dafür sorgt Jens Apermann. Wenn Sie die DocMorris-Geschichte ein wenig kennen, dürfte Ihnen dieser Name bekannt vorkommen: Apermann war im Jahr 2000 bzw. 2001 Mitgründer von DocMorris und hatte das Unternehmen 2002 verlassen, um seine eigene Idee einer Versandapotheke, die Apo AG, zu eröffnen. Die Apo AG ist keine Versandapotheke per se, sondern stellt eher eine Art Internet-Plattform dar (Apo AG Apotheken Holding mit Sitz in Zürich). Die Bestellungen, die der Kunde bei Apo AG aufgibt, werden an die niederländische Europa Apotheek in Venlo weitergeleitet und von dort an den Besteller ausgeliefert. Doch schauen wir zurück nach Mellendorf: Neben der DocMorris-Apotheke war im selben Haus noch ein 20 Quadratmeter großer Raum frei, den der Vermieter – nichts ahnend – an Apermann vermietete. Und der verwirklichte hier die Idee des Internet-Bestellshops. Wie aus dem Stern-Bericht hervorgeht, sitzt hier Apermanns Mitarbeiterin (sie hat vorher in einem Reisebüro gearbeitet) vor ihrem PC, der mit dem Internet verbunden ist, und bestellt für ihre Kunden die gewünschten Arzneimittel. Eine besondere Ausbildung benötige sie nicht, zitiert sie der "Stern", weil sie nicht mit Medikamenten in Berührung komme. Da vielen Kunden das Internet zu anonym sei, wolle man der Internetbestellung ein Gesicht geben.

Jetzt sitzt nun die DocMorris-Apotheke und der Apo AG-Arzneimittel-Bestellshop Seit' an Seit' und bekriegen sich. Wer macht die billigeren Preise? Bei einigen Indikatorartikeln wie beispielsweise Aspirin hat die Apo AG die Nase vorn: Laut "Stern" verkauft die DocMorris-Apotheke 40 Aspirin-Brause für 12,25 Euro, die Apo AG für 11,60 Euro. Außerdem wirbt die Apo AG mit Einsparungen bei der Rezeptgebühr.

Für den Gehe-Kunden und DocMorris-Apotheker ist die Lage besonders hart, musste er doch die "apothekerfreundlichen" DocMorris-Lizenz- und Kooperationsverträge unterschreiben, zehntausende von Euros für grün-weiße Ladeneinrichtung, Handzettel, Flyer und sonstiges DocMorris-Material bezahlen, sein rotes Apotheken-A abschrauben und sich für einige Jahre an das grüne Oesterle-Kreuz binden. Zu beneiden ist er nicht. Denn der Internet-Bestellshop droht, so schreibt der "Stern", dem DocMorris-Apotheker das Wasser abzugraben. Apermann will seinen Internet-Arzneibestellshop erst mal testen. Nehmen ihn die Kunden an, denkt er daran, dieses Modell auszudehnen.

Auf den Krieg zwischen "Billiger" gegen "Günstiger" bin ich schon gespannt. Solche Scharmützel könnten einem egal sein, mich schmerzt dabei, dass durch solche Abarten wieder ein Stück unserer Pharmazie, unserer traditionellen, inhabergeführten Apotheke, die für Beratung und Sicherheit steht, vor die Hunde geht.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.