Arzneimittel und Therapie

Impfung gegen Gebärmutterhalskrebs

Reduktion der Krebsrateenttäuschend?

Die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut hat aufgrund des großen öffentlichen Interesses im März außerplanmäßig eine Empfehlung für eine Impfung gegen humane Papillomaviren (HPV) für Mädchen von zwölf bis 17 Jahren ausgesprochen. Sie soll vor Gebärmutterhalskrebs schützen. Nun wurden die Daten von zwei Nachbeobachtungsstudien publiziert, nach denen die Reduktion der Krebsrate niedriger ausgefallen ist als erwartet.

Nach bisherigen Vorstellungen sollen humane Papillomaviren vom Typ 16 und 18 für 70% aller Zervixkarzinome verantwortlich sein. Doch die WHO listet elf weitere HPV-Typen mit onkogenem Potenzial auf. Alle diese HPV-Typen sind nicht nur für die Entstehung von Gebärmutterhalskrebs verantwortlich, sie können auch andere Krebserkrankungen beispielsweise an Anus, Penis, der Vulva und dem Mund auslösen. Sie zählen zu den Hochrisiko-Typen der humanen Papillomaviren. Zu den Niedrigrisikotypen zählen HPV-6 und HPV-11, die für benigne anogenitale Warzen (Feigwarzen, Condylomata acuminata) verantwortlich sind. Sowohl die Hochrisiko-Typen als auch HPV-6 und HPV-11 werden durch Hautkontakt übertragen, Hauptübertragungsweg ist ungeschützter Geschlechtsverkehr.

Gegen HP-Viren vom Typ 6, 11, 16 und 18 steht seit September 2006 mit Gardasil® eine Vakzine zur Verfügung, die in erster Linie Mädchen vor ihrem ersten Sexualkontakt vor einer Infektion mit diesen Viren schützen soll. Für den bivalenten, gegen HPV-16 und HPV-18 gerichteten Impfstoff Cervarix® wurde im März 2006 die EU-Zulassung beantragt, mit der in diesem Jahr gerechnet wird.

Die STIKO empfiehlt inzwischen die HPV-Impfung mit Gardasil® für alle Mädchen im Alter von zwölf bis 17 Jahren. Die Immunisierung mit drei Impfungen sollte vor dem ersten Geschlechtsverkehr abgeschlossen sein. Stabile Antikörpertiter wurden für einen Zeitraum von fünf Jahren nachgewiesen. Für eine weitergehende Impfempfehlung für Jungen und Männern sowie Frauen über 17 Jahren ist die Datenlage nach Ansicht der STIKO nicht ausreichend.

Ungeklärt: Nutzen bei bestehenden Infektionen

So sei nicht geklärt, ob durch die Impfung bei schon infizierten Frauen die Krebsentstehung verhindert werden kann. Die STIKO schließt jedoch nicht aus, dass Frauen, die nicht im Alter von zwölf bis 17 Jahren geimpft worden sind, ebenfalls von diesem Impfstoff profitieren können. Es liege in der Verantwortung des betreuenden Arztes, seine Patientinnen nach individueller Prüfung von Nutzen und Risiken der Impfung auf der Basis der Impfstoffzulassung darauf hinzuweisen.

Erste Nachbeobachtungs-daten enttäuschend?

Soeben wurden im New England Journal of Medicine Daten der Females United to Unilaterally Reduce Endo/Ectocervical Disease-Studien, kurz Future-Studien, publiziert.

Es handelt sich dabei um die Ergebnisse einer dreijährigen Nachbeobachtung der beiden Phase-III-Studien Future I und II mit mehr als 17.000 Frauen, die mit zur Zulassung von Gardasil® geführt haben. An der Future-I-Studie nahmen 5455 Frauen im Alter von 16 bis 24 Jahren teil, an der Future-II-Studie 12.167 im Alter von 15 bis 26 Jahren. In beiden Studien wurde eine 98- bis 100%ige Schutzwirkung gegen HPV-16- und HPV-18-Infektionen festgestellt. In der Future-I-Studie sank die Rate zervikaler intraepithelialer Neoplasien (CIN I-III) von 5,9/100 Personenjahre (ungeimpfte Frauen) auf 4,7/ 100 Personenjahre nach der Impfung, was einer Effektivität von 20% entspricht. In der Future-II-Studie wurden zervikale intraepitheliale Neoplasien vom Grad II und III oder Adenokarzinome in situ bei 3,6% der geimpften und 4,4% der ungeimpften Frauen diagnostiziert. Danach müssten 129 Frauen geimpft werden, um in drei Jahren die Entstehung einer CIN-II- oder CIN-III-Läsion oder eines Adenokarzinoms in situ zu verhindern.

Mehr Antworten, mehr Fragen

Georges Sawaya und Karen Smith-McCune von der Universität in Kalifornien sehen in diesem Ergebnis die Erwartungen, die in die Impfung gesteckt wurden, als nicht erfüllt an. In ihrem Editorial im New England Journal of Medicine titeln sie "Mehr Antworten, mehr Fragen". Offen sei zum Beispiel, wie die Ergebnisse der Future-I- und -II-Studien auf die Impfung von elf- bis zwölfjährigen Mädchen zu übertragen sind. Mädchen dieser Altersgruppe fehlten in beiden Studien. Auch sei nicht geklärt, ob die Verbreitung anderer onkogener HPV-Typen, gegen die nicht geimpft wurde, durch die Impfung begünstigt wird.

90% aller genitalen Warzen werden durch HPV-6 und HPV-11 ausgelöst. Auch hiervor soll der quadrivalente Impfstoff Gardasil® schützen. Nach den Ergebnissen der Future-Studien ging die Condylom-Rate von 2,3 auf 1,3/ 100 Personenjahre zurück.

Hersteller sieht Wirksamkeit bestätigt

Die Herstellerfirma Sanofi Pasteur MSD wertet in einer Pressemitteilung die Ergebnisse der Nachbeobachtung als weiteren Beleg für den hohen Schutz und die klinische Wirksamkeit von Gardasil® im Hinblick auf den Schutz vor Gebärmutterhalskrebs und Genitalwarzen. Gardasil® biete einen 98- bis 100%igen Schutz vor präkanzerösen und potenziell präkanzerösen Läsionen der Vulva und der Vagina sowie vor Genitalwarzen, die durch die HPV-Typen 6, 11,16 oder 18 verursacht würden. Die hohe Wirksamkeit habe dazu geführt, dass das für die Future-I- und -II-Studien zuständige Data and Safety Monitoring Board empfohlen habe, jetzt auch die Frauen aus der Placebo-Gruppe zu impfen.

Quelle

Empfehlung der STIKO zur HPV-Impfung. Epidemiologisches Bulletin Nr. 12, 23. März 2007.

Sawaya, G.F.; Smith-McCune, K.: HPV-Vaccination - More Answers, More Questions. N. Engl. J. Med. 356, 1991-1993 (2007).

Garland, S.M. et al. for the Future I Study Group: Quadrivalent Vaccine against Human Papillomavirus to Prevent Anogenital Diseases. N. Engl. J. Med. 356 , 1928-1943 (2007).

The Future II Study Group: Quadrivalent Vaccine against Human Papillomavirus to Prevent High-Grade Cervical Lesion. N. Engl. J. Med. 356, 1915-1927 (2007).

Pressemitteilung der Sanofi Pasteur MSD GmbH vom 10. Mai 2007.

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Etwa 70% aller sexuell aktiven Frauen infizieren sich im Laufe ihres Lebens mit humanen Papillomaviren (HPV). Bei 70 bis 90% der jungen Frauen verläuft die Infektion ohne Folgen, nach ein bis zwei Jahren ist keine HPV-DNA mehr nachweisbar. Werden die HP-Viren jedoch nicht eliminiert, können sie über Monate und Jahre in den Wirtszellen persistieren und zu Dysplasien und Neoplasien der Zellen führen. Diese sind gekennzeichnet durch zelluläre Atypien des (Platten-)Epithels mit Störungen des Gewebeaufbaus. Es handelt sich dabei um Präkanzerosen oder präkanzeröse Läsionen. Je nach dem, ob die Zervix, die Vulva oder die Vagina betroffen ist, spricht man von zervikalen intraepithelialen Läsionen (CIN), intraepithelialen Läsionen der Vulva (VIN) oder der Vagina (VaIN). Bei CIN handelt es sich um die Vorstufen des Gebärmutterhalskrebses, aus VIN kann sich ein Vulva-, aus VaIN ein Vaginalkarzinom entwickeln.
Je nach Schweregrad der zellulären Atypien und Ausdehnung der Veränderung werden drei Grade unterschieden.
  • Grad I = geringgradige Dysplasie
  • Grad II = mäßiggradige Dysplasie
  • Grad III = hochgradige Dysplasie; Carcinoma in situ (CIS).
Erste UAW-Verdachtsfälle nach HPV-Impfung in den USA

Seit der Zulassung der HPV-Vakzine Gardasil ® in den USA im Juni 2006 sind bei der amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) 1637 Berichte über mögliche unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) eingegangen
Die amerikanische Verbraucherschutzorganisation Judicial Watch hatte eine diesbezügliche Anfrage an die FDA gestellt und nach der Beantwortung zwei Dokumente auf ihrer Internetseite publiziert. Hier listen sie 1637 Meldungen auf, die bis zum 11. Mai 2007 mitgeteilt wurden. Neben solchen unerwünschten Arzneimittelwirkungen wie Übelkeit, Fieber und Schwindel, die als typische Effekte einer Impfung angesehen werden können, waren darunter 371 schwere Ereignisse wie Fazialis-Lähmungen, Guillain-Barré-Syndrome und Krampfanfälle sowie drei Todesfälle. Die Verbraucherschutzorganisation Judicial Watch bezeichnet die Berichte als "Horrorkatalog", Vertreter der FDA sehen zur Zeit jedoch keinen Handlungsbedarf. Unter den 1637 Patientinnen mit UAW-Verdacht waren 42 Schwangere. Bei zwölf Schwangeren kam es zu einem Abort, bei zwei weiteren wurden Fehlbildungen beobachtet. Da Gardasil® kein Lebendimpfstoff ist, hält der Leiter des Immunisation Safety Office der Centers for Disease Control and Prevention (CDC) einen kausalen Zusammenhang für unwahrscheinlich.
Quelle
FDA: Erste UAW-Verdachtsfälle nach HPV-Impfung mit Gardasil® , www.aerzteblatt.de, 25. Mai 2007.
Judicial Watch Uncovers Three Deaths Relating to HPV Vaccine, 23. Mai 2007.
ck

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