Arzneimittel und Therapie

DAZ-Interview

"Der Impfstoff hat eine gute Effektivität!"

Die Einführung der HPV-Impfung ist seinerzeit von der Deutschen Krebsgesellschaft und der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO) in einer gemeinsamen Erklärung begrüßt worden. Darin wurde die Erwartung geäußert, dass die Impfung auch gegen den harten klinischen Endpunkt, das Zervixkarzinom, schützt. Wir haben mit Prof. Dr. Matthias W. Beckmann, dem Direktor der Universitätsfrauenklinik Erlangen und Bundesvorsitzenden der AGO gesprochen und ihn um eine Einschätzung der neuen Daten gebeten.

DAZ "Bescheidene Reduktion der Krebsrate", so titelte die Online-Ausgabe des Deutschen Ärzteblatts und meinte damit die soeben veröffentlichten Ergebnisse von Future I und II. Herr Professor Beckmann, wie bewerten Sie die Ergebnisse?

Beckmann: Die auf den ersten Blick geringe Reduktion der Krebsrate lässt sich wahrscheinlich mit der Auswahl der Studienteilnehmerinnen erklären. Es gibt keine Aussagen dazu, ob die Frauen schon zum Zeitpunkt der Impfung mit HPV infiziert waren. Bislang gehen wir ja davon aus, dass der Impfstoff Frauen dann schützt, wenn sie noch nicht mit HPV in Berührung gekommen sind. Das ist vor dem ersten Geschlechtsverkehr der Fall. In den beiden Future-Studien wurden Frauen im Alter von 15 bis 26 Jahren geimpft. Es handelt sich dabei sicher nicht um ein jungfräuliches Klientel, wenn man bedenkt, dass in Deutschland das durchschnittliche Alter beim ersten Geschlechtsverkehr bei 17,6 Jahren liegt und 35% alle Mädchen schon mit 15 Jahren ihren ersten Geschlechtsverkehr haben.

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Werden dann nicht auch in Deutschland die Frauen zu spät geimpft? Die American Cancer Society spricht sich für eine Impfung im Alter von elf bis zwölf Jahren aus. Würden Sie eine Vorverlegung der Impfung begrüßen?

Beckmann: Wenn die Zahlen stimmen, dann müssen die Mädchen tatsächlich früher geimpft werden. Aus Sicht des Gynäkologen wäre eine möglichst frühe Pflichtimpfung nicht nur gegen HPV, sondern auch gegen Röteln, Hepatitis und Windpocken im Alter von elf bis zwölf Jahren notwendig, um Komplikationen in späteren Schwangerschaften zu vermeiden.

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Wurde vor Beginn der Studien geschaut, ob die Frauen schon mit HPV infiziert waren?

Beckmann: Die Future-Studien treffen keine Aussage darüber, ob und wie viele der Frauen schon vor der Impfung mit HPV vom Typ 16 und 18 infiziert waren. Die Notwendigkeit zur Typisierung vor Studienbeginn wurde sicher von der Herstellerfirma unterschätzt. Eine Typenspezifizierung mit PCR-Testung hätte Aufschluss darüber geben können, mit welchen HPV-Typen die Frauen infiziert waren. Denn neben HPV-16 und HPV-18 gibt es ja mindestens elf weitere onkogene HP-Viren, deren Bedeutung man möglicherweise unterschätzt hat. Auch ist man bisher davon ausgegangen, dass die Immunisierung gegen HPV-16 und HPV-18 zu einer Kreuzimmunität führt. Möglicherweise ist ein Schutz gegen die anderen onkogenen Viren in dem erwarteten Umfang nicht möglich.

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In der Future-I-Studie wurden durch die HPV-Impfung vor allem CIN-I-Läsionen reduziert. Diese Neoplasien werden wegen ihrer hohen Spontanremissionsrate nicht als therapiebedürftige Präkanzerosen angesehen. Schützt der Impfstoff damit vor allem vor Veränderungen, die letztlich doch nicht zu dem gefürchteten Gebärmutterhalskrebs führen?

Beckmann: Das lässt sich sicher so nicht sagen. Es stimmt, dass CIN-I-Läsionen eine hohe Spontanremissionsrate von 50% haben. Nur können wir das im Einzelfall nicht voraussagen. Uns bleibt bei einer solchen Diagnose nur, entweder sehr engmaschig zu kontrollieren, was eine ausreichende, aber oft nicht vorhandene Compliance voraussetzt, oder mit der Konisation eine operative Entfernung des Gewebes, die dann in der Folge bei Schwangerschaften zu Komplikationen wie vorzeitigen Wehen, Blasensprung oder drohender Frühgeburt führen kann. Vor diesem Hintergrund ist eine Impfung sicher vorzuziehen.

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Welche Schlüsse ziehen Sie aus den Nachbeobachtungen von Future I und II? Glauben Sie, dass wir in zehn bis 20 Jahren eine deutlich reduzierte Zervixkarzinomrate sehen werden?

Beckmann: Prinzipiell ist zu sagen, dass auch die Nachbeobachtungen gezeigt haben, dass der Impfstoff eine gute Effektivität hat und gut zu wirken scheint. Betrachtet man beispielsweise die Inzidenz der Genitalwarzen in den Ergebnissen von Future I, dann liegt sie bei den geimpften Frauen bei 3 bis 4%, bei der nicht geimpften Kontrollgruppe bei 6%. Diese Reduktion um bis zu 50% ist bei allen Ergebnissen der Future I- und Future-II-Studien immer identisch. In Deutschland haben wir 1,5 Millionen Patientinnen mit Hochrisiko-HPV-Infektionen, 400.000 Frauen mit CIN I/II, 100.000 Frauen mit CIN III und rund 6500 mit einem Zervixkarzinom. Auch wenn die Reduktion von 6 auf 3% auf den ersten Blick noch nicht so spektakulär ist, könnte fast die Hälfte dieser Erkrankungen durch die Impfung vermieden werden. Das sollte sich auch in zehn bis 20 Jahren in einem deutlichen Rückgang der Zervixkarzinomrate widerspiegeln.

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Herr Professor Beckmann, wir danken Ihnen für das Gespräch!

Das Gespräch führte Dr. Doris Uhl

Prof. Dr. Matthias W. Beckmann Direktor der Frauenklinik Universitätsklinikum Erlangen Universitätsstr. 21 – 23 91054 Erlangen

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