Rechtsprechung aktuell

Arznei oder Lebensmittel?

OLG München: Zimtpräparat braucht keine Zulassung

MÜNCHEN (ks). Über die Frage, ob Zimtextrakt-Präparate als Arzneimittel oder als diätetisches Lebensmittel einzustufen sind, besteht in der Rechtsprechung keine einheitliche Auffassung. Das Oberlandesgericht (OLG) München entschied in einem einstweiligen Verfügungsverfahren, dass das Produkt "Alsiroyal Zimt-Catechine" kein Arzneimittel ist. So sah es zuvor auch das Landgericht Bielefeld im Falle von "Diabetruw Zimtkapseln" (Az.: 16 O 181/04). Später urteilte jedoch das OLG Celle, "Nobilin GLUCO Zimt" sei sehr wohl ein Arzneimittel, das der Zulassung bedürfe (Az.: 13 U 171/06). (Beschluss des OLG München vom 2. Februar 2007, Az.: 29 W 748/07)

Im vergangenen Jahr hatten das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) erklärt, dass Zimtpräparate zur Blutzuckersenkung aus ihrer Sicht nicht als Nahrungsergänzungsmittel, sondern als Arzneimittel einzustufen sind. Damit bedürften die Präparate einer Zulassung – mit der Folge, dass die Anbieter u. a. Wirksamkeitsnachweise erbringen, Nebenwirkungen erfassen sowie Interaktionen mit anderen Medikamenten prüfen müssten. Diese seitens des BfArM und des BfR geäußerte Auffassung führte zu einigen gerichtlichen Auseinandersetzungen über diverse Zimtpräparate (wir berichteten: DAZ Nr. 9, 2007, S. 29, Nr. 50, 2006, S. 32, AZ Nr. 16, 2007, S. 3).

Das OLG München befasste sich mit der Beschwerde gegen einen zuvor im Eilverfahren ergangenen Beschluss des Landgerichts München. Schon die Vorinstanz hatte den Antrag, "Alsiroyal Zimt-Catechine" müsse als Arzneimittel eingestuft werden, abgelehnt. Auch das OLG ließ sich nicht vom Antragsteller überzeugen, dass es sich bei dem Präparat um ein Funktionsarzneimittel handle. Dabei gingen die Richter vom europarechtlichen Arzneimittelbegriff aus: Nach Art. 1 Nr. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/27/EG sind Arzneimittel alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder zur Verhütung menschlicher Krankheiten bestimmt sind, oder alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen die im oder am menschlichen Körper verwendet oder einem Menschen verabreicht werden können, um entweder die menschlichen, physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder eine medizinische Diagnose zu erstellen. Der Antragsteller hatte sich darauf berufen, dass das beanstandete Präparat eine pharmakologische Wirkung habe und damit ein Arzneimittel sei. Das Gericht hielt dem entgegen, dass eine pharmakologische Wirkung nur vorliege, wenn die Wirkungen eines Produktes über dasjenige hinausgingen, was physiologisch auch mit der Nahrungsaufnahme im menschlichen Körper ausgelöst werde. Eine derartige Wirkung habe der Antragsgegner vorliegend jedoch nicht glaubhaft gemacht. Denn die mit einer Kapsel des beanstandeten Produktes zugeführte Menge an Zimtextrakt halte sich etwa im Rahmen dessen, was dem Körper bei gängigen Rezepten mit Zimt zugeführt werde.

Kein Präsentationsarzneimittel

Ebenso wenig vermochte das Gericht das Präparat als Präsentationsarzneimittel einzustufen. Ein solches liege vor, "wenn bei einem durchschnittlich informierten Verbraucher auch nur schlüssig, aber mit Gewissheit der Eindruck entsteht, dass dieses Mittel zur Heilung oder zur Verhütung menschlicher Krankheiten dienen kann". Dabei sei zu beachten, dass auch Lebensmittel der Gesundherhaltung dienen könnten und nicht jeder Krankheitsbezug in der Werbung die Einstufung als Präsentationsarzneimittel rechtfertige. Aus Sicht der Richter wird der durchschnittlich informierte Verbraucher im Allgemeinen nicht annehmen, dass ein als Nahrungsergänzungsmittel oder diätetisches Lebensmittel angebotenes Produkt ein Arzneimittel ist, wenn es in der empfohlenen Dosierung keine pharmakologischen Wirkungen hat. Sie verweisen darauf, dass im gegebenen Fall nicht mit der Aussage geworben werde, das Präparat senke den Blutzuckergehalt bei Typ-2-Diabetikern. Es werde vielmehr lediglich ausgeführt, dass die Kapseln eine "sinnvolle Ergänzung der Ernährung für einen gesunden Blutzuckerspiegel" seien bzw., dass "Zimt, in der richtigen Menge verzehrt, den Blutzuckerspiegel diätetisch positiv beeinflussen" könne.

RA Kirsten Sucker-Sket

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.