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Schluss mit der Gemütlichkeit

Die Befürworter eines liberalisierten Apothekenwesens, also mit Fremd- und Mehrbesitz, feuern weiter. Über Presseveröffentlichungen versuchen sie immer und immer wieder Stimmung gegen das etablierte und bewährte Apothekensystem zu machen. Jüngstes Beispiel dafür ist die Veröffentlichung in der "Welt am Sonntag" vom vergangenen Wochenende, in der gleich vier Autoren dieses Blatts die jetzige Lage und das, was sich Celesio (Oesterle), Krankenkassen (Schmeinck), Drogisten (Rossmann), Unternehmensberater (Hausruckinger) und Minister (Hecken) unter der Apothekenzukunft vorstellen, skizzieren. Fairerweise lässt man auch ABDA-Hauptgeschäftsführer Seitz zu Wort kommen, der aber in dem Liberalisierungsgetöne der anderen schier untergeht. Für den Leser bleibt als Fazit übrig: Alle Welt will Apothekenketten, nur die Apotheker scheuen den Wettbewerb wie der Teufel das Weihwasser. Sie sind aufgeregt, weil "die Gemütlichkeit, mit der sie jahrzehntelang ihren Geschäften nachgegangen sind, bald vorbei sein könnte", meint die "Welt am Sonntag". Celesio und Rossmann stehen in den Startlöchern und warten nur noch auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), um den Markt aufrollen zu können. Immerhin stellt der Artikel auch dar, dass derzeit die Politik auf Seiten der Apotheker ist. Eine Sprecherin von Ulla Schmidt wird zitiert: "Was wir bei den Apothekern ändern wollten, haben wir geändert," und ebenso der Unionspolitiker Wolfgang Zöller, der sich gegen Ketten ausspricht.

In einer Pressemitteilung aus dem saarländischen Gesundheitsministerium legt Minister Hecken nach und verstärkt das Feuer gegen die Apotheken. Er spricht darin von "nationalen protektionistischen Schutzwällen" (wo hat er bloß diese Vokabeln her), die fallen müssten, vom Fremd- und Mehrbesitzverbot als einem Relikt vergangener Zeiten. Allerdings geht in seiner Pressemitteilung einiges durcheinander, das Feuern wird zu einem wilden Um-sich-Schießen. Da geht es ihm um die Erschließung von Wirtschaftlichkeitsreserven im Gesundheitswesen, um die Nutzung des europäischen Marktes und der Preisunterschiede; er prangert an, dass Hersteller hochpreisiger Arzneimittel davor geschützt werden, in Konkurrenz mit ihren im Ausland billiger angebotenen Produkten zu treten. Und er kommt nahtlos zum Apothekenmarkt, wo er das Fremd- und Mehrbesitzverbot als "Relikt vergangener Zeiten" ausmacht, "in denen der Apotheker selbst Pastillen und Salben anrührte und verkaufte". Die saarländische Pressemitteilung greift den Text in "Welt am Sonntag" auf, in der Hecken das Fremd- und Mehrbesitzverbot als "Schutz vor lästiger Konkurrenz" apostrophierte, der nicht mehr hinnehmbar sei. Er attackiert die "derzeit sehr großzügigen deutschen Regelungen für Nachfolger von Apotheken, die selbst als Inhaber noch keine Apotheker sind" und verbindet es mit dem nicht mehr "hinnehmbaren Schutzwall" des Fremd- und Mehrbesitzverbots. Heckens Fazit: Die Apotheker sollten sich "auf einen liberalisierten Markt einstellen statt alten und längst vergangenen Zeiten nachzutrauern".

Unser Fazit: Etwas Neues ist dem Minister da nicht eingefallen. Es sollte wohl einfach mal wieder die tibetanische Gebetsmühle gedreht werden nach dem Motto: Selbst wenn man Unsinn redet, wird er schon irgendwann einmal in Erfüllung gehen.

Das Dumme an solchen Verlautbarungen und Veröffentlichungen ist nur, dass in der Öffentlichkeit irgendetwas davon hängen bleibt. Ich erinnere mich an die Medien- und Krankenkassenkampagne gegen die (Natural-)Rabatte der Apotheken. Wie es ausgegangen ist, wissen Sie. Hoffen wir, dass dieses Mal die Politik der Leier von Hecken, Kassen, Rossmännern und Oesterles standhält und sieht, was wirklich hinter den Strukturen des Apothekenwesens mit ihrem Fremd- und Mehrbesitzverbot steht: in erster Linie Verbraucherschutz.

Letztlich bleibt die zentrale Frage: Entscheidet der EuGH so, wie es Manager, Gurus, Propheten und Unternehmensberater wohl gerne hätten? Oder erkennt auch das europäische Gericht, dass hinter dem Fremd- und Mehrbesitzverbot mehr steht als eine vermeintliche Wettbewerbseinengung?

Für uns Apotheker müssten die anlaufenden Kampagnen aber Anlass sein, massiv dagegen zu halten. Für uns muss es heißen: Schluss mit der Gemütlichkeit in unserer Öffentlichkeitsarbeit. Warum fackeln wir nicht auch ein Feuerwerk ab, mit dem gebetsmühlenartig die Vorteile des heutigen Systems herausgestellt werden? Warum lancieren wir nicht Presseberichte, die unsere Ansichten unterstützen? Warum holen wir uns nicht Promis oder Leitfiguren, die sich zur inhabergeführten Apotheke bekennen und gegen Ketten mit all ihren Nachteilen wie Großkapital, Gewinnsucht, shareholder value, Unpersönlichkeit? Wir brauchen Meinungsbildner, die eine "Tante-Emma-Apotheke" – im positiven Sinn – schätzen mit der persönlichen Ansprache, bei der Menschen, ihre Gesundheit und Serviceleistungen im Mittelpunkt stehen und nicht der Vermögenszuwachs für Celesio und Haniel.

Peter Ditzel

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