Rechtsprechung aktuell

LG Berlin zu Arzneimittelversandhandel

Versandapotheke muss auch Präsenzapotheke sein

Der niederländischen Versandapotheke Pharma Kontor ist vom Landgericht Berlin bei Androhung eines Ordnungsgeldes untersagt worden, in Deutschland verschreibungspflichtige Arzneimittel in den Verkehr zu bringen und für deren Bezug im Wege des Versandhandels zu werben. Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig.(Urteil des Landgerichts Berlin vom 9. Februar 2007, Az.: 96 O 87/06)

Die beklagte Versandapotheke wirbt – nach wie vor – unter der Domain www.pharmakontor.com unter anderem für in Deutschland verschreibungspflichtige Arzneimittel. Die Apotheke wird in der Rechtsform einer B. V. (B. V.: besloten Vennootschap, entspricht der deutschen GmbH) betrieben. Der Geschäftsführer dieser Gesellschaft betreibt zudem unter derselben Adresse wie die Versandapotheke eine Präsenzapotheke. Der Verband Sozialer Wettbewerb erhob sowohl gegen die Pharma Kontor B. V. als auch gegen deren Geschäftsführer Klage und beantragte, der Versandapotheke zu untersagen, verschreibungspflichtige Arzneimittel in Deutschland im Wege des Versandes in den Verkehr zu bringen sowie hierfür zu werben.

Das Landgericht sah einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch gegeben (§§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. §§ 43 Abs. 1, 73 Abs. 1 AMG) und gab der Klage statt. In seinem Urteil stellt es zunächst fest, dass das Arzneimittelgesetz den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln grundsätzlich verbietet. Eine Ausnahme von diesem Verbot gilt für Apotheken, die nach dem deutschen Apothekengesetz (ApoG) zum Arzneimittelversand befugt sind, sowie für ausländische Versandapotheken, soweit das für sie geltende nationale Recht den Vorschriften des deutschen Apothekenrechts entspricht. Die beklagte holländische Apotheke verfügt jedoch über keine Versandhandelserlaubnis nach § 11a ApoG. Nach Auffassung des Gerichts entsprechen überdies die niederländischen Vorschriften des Apothekenrechts nicht den deutschen Vorschriften zum Arzneimittelversandhandel. In der Urteilsbegründung wird hierzu auf ein Urteil des Berliner Kammergerichts vom 9. November 2004 (Az.: 5 U 300/01) Bezug genommen. In diesem wird ausgeführt, dass sich zu den grundlegenden deutschen Sicherheitsstandards in § 11a ApoG "allenfalls andeutungsweise" schriftliche niederländische Regelungen fänden. § 11a ApoG regelt unter anderem, dass eine Versandapotheke nur im Verbund mit einer öffentlichen Apotheke betrieben werden darf und benennt eine Reihe von Sicherheitsanforderungen. In den Niederlanden fehle hingegen das Gebot zur Führung einer Präsenzapotheke. Da auch darüber hinaus "erhebliche Lücken im Hinblick auf das Schutzniveau des § 11a ApoG" bestünden, kommt das Kammergericht zu dem Schluss, dass sich das holländische und das deutsche Apothekenrecht in Bezug auf den Arzneimittelversandhandel nicht entsprechen.

Präsenzapotheke erforderlich

Im Juni 2005 veröffentlichte das Bundesgesundheitsministerium jedoch eine Übersicht nach § 73 Abs. 1 S. 3 AMG, in der EU-Mitgliedstaaten genannt werden, deren Sicherheitsstandards für den Versandhandel mit dem deutschen Recht vergleichbar sind. Diese sogenannte "Länderliste" stellt diese Vergleichbarkeit für die Niederlande und das Vereinigte Königreich fest. Das Landgericht stellte sich daher die Frage, ob der Länderliste des Ministeriums eine Bedeutung zugemessen werden kann, die einen Vergleich des niederländischen und deutschen Rechts im Einzelfall überflüssig macht. Das Kammergericht hat dies unter bestimmten Voraussetzungen für möglich gehalten – auch wenn die Übersicht des Ministeriums zum Zeitpunkt dieser Entscheidung noch nicht veröffentlicht war. Das Landgericht ließ es jedoch letztlich dahin stehen, ob die Länderliste rechtliche Bindungswirkung entfalten oder nur eine Vermutung begründen kann. Denn in der Übersicht des Ministeriums heißt es ausdrücklich, dass die Feststellung der vergleichbaren Sicherheitsstandards für die Niederlande nur gilt, "soweit Versandapotheken zugleich eine Präsenzapotheke unterhalten". Damit werde ersichtlich darauf abgestellt, dass die Voraussetzung des § 11a S. 1 Nr. 1 ApoG vorliegen muss, wonach der Versand aus einer öffentlichen Apotheke zusätzlich zu dem üblichen Apothekenvertrieb zu erfolgen hat.

Flüchtigkeit von Web-Auftritten verhindern

Das Betreiben einer solchen Präsenzapotheke durch die Versandapotheke Pharmakontor B. V. ist für das Landgericht jedoch nicht ersichtlich. Zwar führt der mitbeklagte Geschäftsführer der Pharma Kontor B. V. auch eine Präsenzapotheke. Dies reicht dem Gericht jedoch nicht aus. Es verweist auf den Zweck der Verknüpfung des Betriebs einer Versandapotheke mit einer Präsenz-apotheke: Sie soll der "Flüchtigkeit" des Internet-Auftritts von Versandapotheken entgegenwirken, um auf diese Weise ein Mindestmaß an Seriosität der Betreiber, ihrer fachlichen Kompetenzen und finanziellen Möglichkeiten zu gewährleisten. Dieser Zweck werde nicht bereits dadurch erreicht, dass der Inhaber einer Präsenzapotheke gleichzeitig als Geschäftsführer einer von einer juristischen Person betriebenen Versandapotheke fungiert, so das Landgericht. Ohne eine Identität des Unternehmensinhabers bestehe jederzeit die Möglichkeit, dass durch einen Austausch des Geschäftsführers oder das "Vorschieben" einer anderen juristischen Person genau die "Flüchtigkeit" eintrete, die verhindert werden soll. So sei es im vorliegenden Fall auch geschehen: Der oder die Gesellschafter der Pharma Kontor B. V. hätten offenbar mehrere fast namensgleiche (etwa Pharmakontor 3 B. V.) Gesellschaften gegründet, die je nach Lage der Dinge als Betreiber der Versandapotheke auftraten. Auf diese Weise habe die Vollstreckung aus einer vorangegangenen einstweiligen Verfügung gegen die vorübergehende Inhaberin der Versandapotheke vereitelt werden können.

RA Kirsten Sucker-Sket, Berlin
Das hier genannte Urteil können Sie neben anderen apotheken- und arzneimittelrechtlichen Entscheidungen im Wortlaut abrufen bei DAZonline unter www.deutsche-apotheker-zeitung.de
Rubrik: Recht/Urteile, Benutzername: apotheke, Kennwort: daz

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