Feuilleton

Museum der Pharmazie in Lissabon

Mehr als Albarelli und Mörser

Das Gebäude des portugiesischen Apothekerverbands (ANF) im Zentrum Lissabons beherbergt auch ein Museum der Pharmazie. Es wurde bereits mehrfach für seine brillanten Präsentationen zur Geschichte der Herstellung, des Verkaufs und der Anwendung von Arzneimitteln ausgezeichnet, ist aber den meisten Touristen unbekannt. Der Besucher kann sich daher in aller Ruhe dort umschauen, ohne von ungeduldigen Menschenmassen vorwärts geschoben zu werden.

Das Erdgeschoss ist der Entwicklung des Apothekenwesens in Portugal zwischen 1450 und 1960 gewidmet. José Francisco Leal (1744–1786), Professor für Physiologie und Medizin an der Universität Coimbra, steht leibhaftig in einer beeindruckenden Apotheke aus dem 18. Jahrhundert. In dieser Farmácia Barbosa von Paço de Sousa wird vielfältige Töpferware aus jener Zeit präsentiert. Diese stammt vielfach aus den Klosterapotheken religiöser Orden wie der Karmeliter, Jesuiten oder Dominikaner. Die Apotheke des Klosters Sao Vincente de Fora, in der die erste portugiesische Pharmakopöe im Jahre 1711 geschrieben wurde (Pharmacopea Lusitana Reformada), wurde rekonstruiert. Weitere Apothekeneinrichtungen aus dem 19. und 20. Jahrhundert belegen eindrucksvoll den Wandel der Apothekenpraxis in diesem Zeitraum. Zahlreiche Spezialitäten und Werbeplakate dokumentieren die frühe Entwicklung der pharmazeutischen Industrie in Portugal (ab 1890).

Aus Portugals Zeit als Kolonialmacht stammt eine authentische chinesische Apotheke aus dem späten 19. Jahrhundert, die ursprünglich in dem letzten portugiesischen Überseeterritorium Macao zu finden war.

Das erste Obergeschoss ist der globalen Pharmaziegeschichte gewidmet und zeigt Exponate verschiedener Kulturen und Länder. Der Rundgang beginnt mit Ausstellungsstücken aus Mesopotamien und führt weiter über Ägypten, Indien, Griechenland, das Römische Reich zu den vorkolumbischen Kulturen der Inka, Maya und Azteken. Der Beitrag des Islam – Bagdad soll schon im 8. Jahrhundert eine Apotheke gehabt haben – wird genauso gewürdigt wie die tibetische Heilkunst. Exponate aus Afrika und Japan runden die überseeische Abteilung ab.

Die Entwicklung der europäischen Pharmazie vom Mittelalter bis zur Gegenwart wird mit einigen Akzenten dokumentiert: Einführung der Chemiatrie und Trennung der pharmazeutischen Praxis in galenische und "chymische" Verfahren; Ausweitung des Arzneischatzes im Barock und seine Rationalisierung in der Aufklärung; naturwissenschaftliche Pharmazie im 19. und 20. Jahrhundert. Nachdem das Mikroskop entscheidend verbessert und neue chemische Analysenmethoden erfunden waren, nahm die Pharmakognosie einen enormen Aufschwung, und es wurden zahlreiche hochwirksame Inhaltsstoffe von Arzneidrogen isoliert, z. B. die Alkaloide Morphin, Nicotin, Coffein, Strychnin und Chinin. Ein Meilenstein war die Isolierung des Penicillins durch Sir Alexander Fleming (1929). Den (vorläufigen) Abschluss bildet die "tragbare Apotheke", die zur Ausrüstung der Endeavor auf ihrem letzten Space-Shuttle-Flug im Dezember 2000 gehörte.

Im Eingangsbereich des Museums befindet sich eine höchst interessante Multimedia-Abteilung. Einer ihrer Schwerpunkte ist die Werbung für Arzneimittel in Radio, Fernsehen und im Kino, aber auch in Comic-Strips. Weitere Themen sind "Die Pharmazie und der Weltraum", "Pharmazie und Genetic Engineering" und "Gesundheit im 21. Jahrhundert".

Fazit: Der Direktor des Museums, Dr. Joao Neto, hat sein Konzept, "die Pharmazie und ihre Entwicklung nicht losgelöst von anderen Aspekten des Gesundheitswesens zu sehen", sehr ansprechend realisiert.

Dr. Hans-Peter Hanssen hans-peter.hanssen@hamburg.de
Barocke Pracht in der Apotheke Albarelli mit Pflanzenmotiven, 27,5 cm (links) bzw. 22 cm hoch. Fayencen, Lissabon um 1640.
Foto: Museu da Farmácia

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