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Juristen-Meinungen

"Noch ist nichts entschieden"

(cr). Auf Unverständnis stoßen bei arzneimittelrechtlich tätigen Juristen die rechtlichen Aussagen, mit denen von den beteiligten Akteuren der Celesio/Gehe/DocMorris-Deal begründet wird. Insbesondere die apodiktische Feststellung des Celesio-Vorstandsvorsitzenden Fritz Oesterle, dass das in Deutschland bestehende Fremdbesitzverbot bei Apotheken nach dem Optiker-Urteil des Europäischen Gerichtshofs gemeinschaftsrechtlich obsolet sei, stößt auf Widerrede.

Professor Dr. Hilko J. Meyer, der viele Jahre den Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels beraten hatte, heute an der Fachhochschule Frankfurt mit Schwerpunkt "Recht und Management im Gesundheitswesen" lehrt und Mitherausgeber der Zeitschrift "Arzneimittel&Recht ist, sieht den Celesio-Schachzug kritisch: "Dr. Oesterle hatte recht, als er die Untätigkeit der Bundespolitik kritisierte: immerhin hat hier eine CDU-regierte Landesregierung im Spiel über die Brüsseler Bande ein Bundesgesetz ausgehebelt. Aber jetzt will er selbst Politik machen und erhofft sich vom Bundestag eine maßgeschneiderte Liberalisierung, damit der Apothekenmarkt nicht ‚durch fremde Akteure aus dem In- und Ausland’ umgekrempelt und zerstört wird. Denn auch Dr. Oesterle weiß, dass die Schlacht um das deutsche Fremdbesitzverbot juristisch längst noch nicht geschlagen ist und das Ergebnis des Verfahrens vor dem Europäischen Gerichtshof keineswegs feststeht. Man darf gespannt sein, ob sich die deutschen Abgeordneten und die Luxemburger Richter vor diesen Karren spannen lassen."

Auch Dr. Valentin Saalfrank, Fachanwalt für Medizinrecht in Köln und Herausgeber des "Handbuch des Gesundheits- und Medizinrechts", hält es weiterhin für völlig offen, wie der Europäische Gerichtshof die im Fall Hecken/DocMorris vom Verwaltungsgericht des Saarlandes vorgelegten Fragen beantworten wird. Saalfrank: "Für das in Deutschland verankerte Approbationsgebot für Apothekeninhaber bestehen auch gemeinschaftsrechtlich weiterhin sehr gute Gründe. Die Versorgung mit Arzneimitteln kann nicht mit dem Verkauf von Brillen gleichgesetzt werden. Allerdings scheint es mir jetzt an der Zeit, dass unsere Politiker ihre Deckung verlassen und Farbe bekennen. Er steht weit mehr auf dem Spiel als der Fall des Fremd- und Mehrbesitzverbotes bei Apotheken. Wenn sich die in der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes im Hecken/DocMorris-Verfahren geäußerten Rechtsauffassungen europarechtlich durchsetzen würden, wären davon alle Freien Berufe in ihren Grundfesten betroffen."

Für Dr. Heinz-Uwe Dettling , Mitautor des Buches "Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz" und Rechtsvertreter einer Saarbrücker Apothekerin im Vorlageverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof, ist der Kampf gegen das Fremdbesitzverbot Ausdruck eines Kampfes der Wirtschaftskulturen. Es sei der Versuch, die soziale Marktwirtschaft im Gesundheitswesen durch eine radikale Marktwirtschaft zu ersetzen. Dazu würden alle Mittel des "Täuschens, Tarnens und Tricksens" eingesetzt. Selbstverständlich mache es für den Arzneimittelkonsum der Bevölkerung einen Unterschied, ob hinter einem angestellten Arzt oder Apotheker ein renditemaximierender Investor oder ein berufsangehöriger, fachkundiger und persönlich haftender und verantwortlicher Unternehmer steht. Das arztrechtliche und das apothekenrechtliche Fremd- und Vielbesitzverbot seien gerade in Zeiten der versuchten Marktradikalisierung gesundheitspolitisch und juristisch berechtigter denn je. Dettling: "Die Apotheker und die Ärzte, ihre Kammern und ihre Verbände müssen jetzt deutlich machen, dass es ohne unabhängige und objektive, heilberufliche Strukturen im Gesundheitswesen nicht geht. Sie müssen aktiv werden, solange sie noch stark und unersetzbar sind – sonst sind die Apotheker und Ärzte in Deutschland binnen kurzer Zeit in den Händen weniger Großunternehmen und von den Kapitalmärkten gesteuert. Kein Politiker und kein Gericht kann dies wollen.

Gegenteilige Unkenrufe sind Zweckäußerungen, um die ‚Liberalisierung wie beim Versandverbot herbeizuführen, bevor der EuGH entschieden hat, dass das Gemeinschaftsrecht sie aus guten Gründen gar nicht verlangt."

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