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Celesio-Pressekonferenz

"Das konnten wir uns nicht entgehen lassen"

(diz). "Wir haben heute in der Hauptversammlung unseren sehr kraftvollen Schritt in die Zukunft des deutschen Apothekenmarktes, von Celesio und von DocMorris bekanntgegeben. Wir meinen, das wir uns damit richtig positionieren in einem sich liberalisierenden Apothekenmarkt", verkündete Celesio-Chef Dr. Fritz Oesterle auf der Pressekonferenz am Nachmittag des 26. April. Lesen Sie, wie Oesterle und DocMorris-Vorstandsvorsitzender Ralf Däinghaus den Coup vor der Presse und der Öffentlichkeit rechtfertigten.

Man habe sich für die Gehe-Kunden richtig positioniert, weil man in DocMorris den richtigen, den starken und einzigen Partner sehe, um in einem sich liberalisierenden Apothekenmarkt zu bestehen. Oesterle geht dabei fest von der Annahme aus, dass sich der Apothekenmarkt in den nächsten überschaubaren Monaten liberalisieren wird. Eigentlich, so räumte Oesterle ein, rechnete man bereits seit anderthalb Jahren damit. Celesio habe bereits versucht, diese Auffassung politisch umzusetzen und die Politik dazu zu bewegen, "proaktiv" die Veränderungen aufzugreifen. Die Politik habe zwar viel Verständnis für diesen Ansatz gehabt, aber wenig Umsetzungsbereitschaft. Jetzt ist Oesterle überzeugter denn je: "Die Liberalisierung wird kommen und nach der Entwicklung im Saarland ist es überschaubar, wann die Liberalisierung Fakt sein wird."

Vor diesem Hintergrund sei es für ihn selbstverständlich gewesen, "die einzige starke deutsche Apothekenmarke" für Celesio und für die Gehe-Kunden zu gewinnen. Letztlich sei dies auch ein Gewinn für die Patienten. Denn man wolle in den Franchiseapotheken von DocMorris ein starkes Gewicht auf die Serviceorientierung, auf die Patientenorientierung und auf die Kundenorientierung legen. Mit seinen Kettenapotheken außerhalb von Deutschland habe sich Celesio bereits hervorragend positioniert gegen die Apotheken vom Drugstore-Typus und gegen die Drogerieapotheken.

Starkes Gewicht will Oesterle auf den heilberuflichen Aspekt legen. "Das wollen wir auch in Deutschland umsetzen, aber unter einer starken Marke. Wir sind nachhaltig davon überzeugt, dass man in Deutschland nach einer Liberalisierung des Marktes ohne eine starke Marke keinen Erfolg haben wird." Oesterle weiter: "Nach wie vor werden wir gemeinsam mit dem Management von DocMorris dafür kämpfen, dass sich die Politik der Liberalisierung des deutschen Apothekenmarktes in einer vernünftigen, europarechtskonformen Weise annimmt, damit es klare Spielregeln in einem liberalisierten Markt gibt."

"Fremdbesitzverbot vor dem Fall"

DocMorris-Chef Däinghaus ließ in Stichpunkten seine Firmengeschichte Revue passieren. Das Unternehmen DocMorris gibt es seit sieben Jahren. Da man damals gegen das Versandhandelsverbot in Deutschland vorging, musste man den Firmensitz nach Holland legen. Die Versandapotheke wurde mit Gerichtsprozessen überhäuft, was DocMorris letztlich zugute gekommen ist. Nachdem ein Prozess beim Europäischen Gerichtshof gelandet war, konnte schließlich erreicht werden, dass das Versandhandelsverbot liberalisiert wurde – für Däinghaus ein Meilenstein in der Entwicklung von DocMorris. Man hatte gelernt, dass politischer Druck dazu führt, dass sich der Gesetzgeber dieser Sache annimmt: das Versandhandelsverbot kippte.

Mit diesem Erfolg im Rücken kaufte man Mitte 2006 eine Apotheke in Saarbrücken. Es ist heute die einzige Apotheke in Deutschland, die einer ausländischen Kapitalgesellschaft gehört. Das hat die Diskussion angeheizt und für Furore gesorgt. Im Januar 2007 habe man dann nachgelegt und die Markenpartner-Kooperation aufgebaut. Mittlerweile gibt es 20 DocMorris-Apotheken in sieben Bundesländern.

Ein weiterer Erfolg war die Wiedereröffnung der Saarbrücker Apotheke durch das OVG mit dem Hinweis auf das griechische Optiker-Urteil, wonach das Fremd- und Mehrbesitzverbot rechtswidrig sei. Das Gericht sah mit diesem Urteil eine absolute Vergleichbarkeit zur Saarbrücker Apotheke. Angesichts dieser Entwicklungen steht für Däinghaus das Fremdbesitzverbot in Deutschland vor dem Fall.

Nachdem nun die bisherigen DocMorris-Kapitalgeber 3i, HgCapital und TechnoNord ausgestiegen sind, ist es für DocMorris eine "tolle Entwicklung", dass Celesio nun der Hauptanteilseigner ist. Däinghaus: "Für mich steht klar fest, mit Celesio wird DocMorris seinen Weg beibehalten und in die Fläche gehen, um dann eine Kette zu betreiben." Mit Celesio werde dies schneller gehen als man es alleine gekonnt hätte.

Oesterle: "Wir erfüllen Erwartungen"

Nach den ersten Kundenkontakten wisse man, dass Gehe-Kunden überwiegend positiv auf den DocMorris-Kauf reagiert hätten, wusste André Blümel, Vorsitzender der Geschäftsführung der Gehe Pharma Handel GmbH. Natürlich habe es auch kritische Stimmen gegeben. "Wir sind aber überrascht über die vielen positiven Reaktionen." Er führt dies darauf zurück, dass man eine klare und offene Kommunikation mit den Kunden geführt habe.

Oesterle rechnet damit, dass ihm seine 8500 Gehe-Kunden erhalten bleiben. "Mit DocMorris haben wir einen Partner im Celesio-Konzern, mit dem wir unseren Kunden eine interessante Perspektive bieten können, beispielsweise als Markenpartner. Apotheker, die aufgeschlossen in die Zukunft denken, fühlen sich gut aufgehoben bei Gehe. Die meisten Apotheker, die negativ über uns denken, weil wir Ketten betreiben, haben wir schon verloren. Jetzt erfüllen wir nur einen Anspruch, der uns schon angedichtet wurde. Wir erfüllen Erwartungen."

Die DocMorris-Franchise-Apotheken sind und bleiben selbstständige inhabergeführte Apotheken. Sie entscheiden selbstständig, wer sie beliefert. Es gibt keine Absicht, Verträge zu machen, dass nur Gehe beliefern dürfte, fügte Oesterle hinzu. Gehe-Kunden seien eh schon die etwas progressiveren Apotheker.

Auch mit Franchise-Konzept erfolgreich

Woher nimmt Oesterle seine Gewissheit, dass das Fremdbesitzverbot fallen wird? Immerhin räumte der Celesio-Chef gewisse Unwägbarkeiten ein, aber angesichts von Äußerungen von Funktionären (zum Teil in vertrauter Runde) und Experten kenne er niemanden, der ihm hier widerspreche. Abgesehen davon habe man mit DocMorris schon heute ein attraktives Franchisekonzept, das allein unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen sehr attraktiv sei. So sei es denn eine untergeordnete Frage, wann das Fremdbesitzverbot endgültig falle.

Zu seinen Zielen befragt ließ Däinghaus wissen, dass DocMorris in etwa drei Jahren mindestens 500 Apotheken in seiner Kooperation haben wolle. "20 Apotheken haben wir jetzt, 30 weitere haben bereits unterschrieben. 100 in diesem Jahr werden wir locker erfüllen", protzte Däinghaus. Noch offen ist, ob man in drei Jahren mehr als 500 erreichen könne.

DocMorris – Teil von Celesio

Über den Kaufpreis beziehungsweise Einstiegspreis für DocMorris hatten die beiden Parteien Stillschweigen vereinbart. Insider gehen jedoch davon aus, dass eine Summe von 200 Mio. Euro geflossen sei.

Oesterle verdeutlichte: "Wir haben DocMorris gekauft. DocMorris ist Teil von Celesio. Wir bekennen uns voll zu DocMorris. DocMorris ist innerhalb von Celesio in der Apothekendivision angesiedelt. DocMorris wird eng mit Gehe zusammenarbeiten. Ich erwarte, dass sich beide Unternehmen befruchten."

Konkrete Überlegungen, ob DocMorris als Marke für andere Länder in Betracht kommt, gibt es noch nicht. Dem Gefühl nach würde die Marke DocMorris eher nicht für Frankreich passen, aber für andere europäische Länder.

Und Däinghaus: "Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit dem zuständigen Vorstand von Celesio. Deutschland ist ein Markt, der jetzt erobert werden will. Der deutsche Markt hat sich in den letzten Jahren durch Starre ausgezeichnet." Wie er hinzufügte, werde er als Gründer und Gesellschafter des Unternehmens seine Anteile behalten; er bleibe auch weiterhin Vorstandsvorsitzender von DocMorris.

Reguliert deregulieren

Am liebsten wäre es Oesterle, den deutschen Markt reguliert zu deregulieren. Zunächst müsse man sich wohl darauf einstellen, dass in Deutschland die Niederlassungsfreiheit erhalten bleibe. In einem solchen Szenario werde man nur über eine starke Marke erfolgreich sein können: preiswürdig und serviceorientiert. "Daher passt DocMorris hervorragend zu uns. Mit dieser Marke können wir unseren Großhandelskunden etwas an die Hand geben, um gegen Drogerieketten und andere bestehen zu können." Schaut man sich die anderen Kooperationskonzepte wie Linda, Vivesco, Avie an, dann stellt man fest, so Oesterles Auffassung, dass diese Kooperationen halbherzig aufgebaut wurden. "Nur ein neues Schild an der Brunnen-Apotheke aufzuhängen, ist Krampf", so der Celesio-Chef.

Der Prozess geht weiter

Der Prozess im Saarland wird von DocMorris federführend geführt und das bleibt auch so, machte der Celesio-Chef klar. Die Rechtsstreitigkeit wird genauso weitergeführt. DocMorris bleibt die Organisation, die sie auch in der Vergangenheit war und bleibt es mit allen ihren Problemen. Gehe ist Tochter von Celesio und DocMorris ist Tochter von Celesio und damit gehört die Saarbrücker Apotheke zu Celesio.

Was kommt noch?

Der Umsatz von DocMorris lag nach Angaben von Däinghaus im vergangenen Jahr bei 172 Mio. Euro, stark ansteigend. Im laufenden Jahr rechnet man mit einem Plus von 25% oder mehr. Und auch darüber ist sich der DocMorris-Chef klar: "Wir werden weitere Apotheken besitzen. Mit dem Franchise-Konzept geht es viel schneller. Die Apotheker stehen Schlange."

Oesterle nahm auf der Pressekonferenz kein Blatt vor den Mund: Wenn der Fremd- und Mehrbesitz möglich ist, wird Celesio präsent sein, sobald es halbwegs wirtschaftlich Sinn macht. Gleichwohl wollte er sich nicht als Promotor der Situation sehen: "Nicht wir haben die Entwicklung angeschoben, sondern die Entwicklung wurde von der europäischen Rechtslage angeschoben. Jetzt war es ein Muss, aus unternehmerischer Sicht zu reagieren, um schneller zu sein. Wir hatten Glück zur rechten Zeit, DocMorris zu kaufen. Den Zug konnten wir nicht an uns vorbeifahren lassen."

"Ich werde Herrn Wolf und seine ABDA-Leute einladen auf eine Studienreise nach Norwegen und Großbritannien, um ihnen zu zeigen, wie hoch die Serviceorientierung in unseren Apotheken dort tatsächlich ist. "

Dr. Fritz Oesterle, Celesio-Chef
Ein historischer Handschlag der die Apothekenlandschaft verändern könnte. Vergrätzt er die Apotheker oder gibt es bald mehr und mehr DocMorris-Apotheken? Ralf Däinghaus (links) und Dr. Fritz Oesterle freuen sich über den Coup.
Foto: DAZ/diz

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