Interpharm Hamburg

Ketten, Kooperationen, freie Apotheke

Wer macht das Rennen?

Welchen Apotheken gehört die Zukunft? Kann die freie Apotheke Bestand haben? Oder werden sich Kooperationen durchsetzen und am Ende gar Ketten stehen? Über diese Frage diskutierten auf der Wirtschafts-Interpharm Ökonomen, Vertreter der Apothekerschaft und des Großhandels.

Wolfgang Simons, Präsident des Marketing Vereins Deutscher Apotheker MVDA (Linda), bezweifelt nicht, dass Ketten kommen werden. Doch auch dann sieht er für sämtliche Apothekenformen Chancen, im Wettbewerb bestehen zu können. Die Linda-Apotheken seien mit ihrer Bündelung pharmazeutischer und ökonomischer Kompetenzen unter einer Dachmarke für ein solches Szenario gut gerüstet. Wilfried Hollmann, Vorstandschef der Pharmagroßhandlung Noweda eG, hält von dieser Strategie hingegen nicht viel: Er sieht in der Verwendung von Dachmarken eine Provokation für Politiker, über die Einführung von Ketten nachzudenken. Und Ketten will Hollmann in Deutschland unbedingt vermeiden: "Jede inhabergeführte Apotheke kann bei vollem persönlichen Einsatz auch morgen jeder Filial- und Dachmarken-apotheke überlegen sein". Sollten sich Ketten nicht abwenden lassen, komme es für Noweda bestenfalls in Betracht, ein Dach für inhabergeführte Läden zu bieten.

André Blümel, Vorsitzender der Geschäftsführung der Gehe Pharma Handel GmbH, gab sich offener. Auch er hält es für möglich, dass freie Apotheken, Kooperationen und Ketten hierzulande koexistieren können – etwa wie in Irland. Seit dort 2001 Ketten erlaubt wurden, sind von den 1400 irischen Apotheken 400 bis 500 in einer Kette – rund 50 davon gehören zu Gehe –, die übrigen blieben frei bzw. sind in Kooperationen. Gefahren durch Ketten sieht Blümel vor allem dadurch, dass Drogerieketten in den Markt drängen könnten und damit die Zahl der Standorte über Nacht dramatisch anwachsen würde. Hier müsste der Staat regulierend eingreifen. Zudem hält es Blümel für besser, wenn sich Großhändler engagieren, die den Markt bereits kennen. Allerdings, so versicherte Blümel, werde Gehe sicherlich nicht das erste Unternehmen sein, das in Deutschland Ketten aufzieht: "Wir haben die Interessen unserer Kunden in den Augen".

Politik gegen Ketten

Dr. Peter Froese, Vorsitzender des Apothekerverbandes Schleswig-Holstein, warnte vor sich selbst erfüllenden Prophezeiungen: Noch stelle sich die deutsche Politik klar gegen Ketten. Zudem bestehe in den meisten EU-Ländern ein System freier Apotheken. Froese rechnet damit, dass die Entscheidung für oder gegen Ketten in Europa auch künftig den einzelnen Mitgliedstaaten überlassen bleibt. Daher sollte man nicht vorauseilend handeln, sondern genau schauen, was gewünscht und gewollt ist und die Diskussion danach ausrichten. Dr. Andreas Kaapke vom Institut für Handelsforschung der Uni Köln glaubt ebenfalls, das das gegenwärtige Apothekensystem Bestand haben kann. Arzneimittelsicherheit und Versorgungsqualität seien durch den Shareholder-Value-Ansatz von Ketten gefährdet – dies müsse auch der Gesetzgeber erkennen. Auch Kooperationen steht Kaapke skeptisch gegenüber. Er warnte angesichts der besonderen Ware Arzneimittel davor, den Apotheken Konzepte überzustülpen, die in anderen Märkten funktionieren. Er betonte zudem, dass Apotheken mit dem Apotheken-A, der regionalen Marke der eigenen Apotheke und starken Herstellermarken bereits starke Marken besitzen. Eine vierte hinzuzusetzen könnte diese eher schwächen. ks

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