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Homöopathie auf dem Prüfstand

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Wirksam oder unwirksam – der Standpunkt entscheidet

Niemand bestreitet, dass eine homöopathische Behandlung wirksam ist, aber worin besteht das wirksame Prinzip? Ist der Arzt die Droge, die wirkt? Ist es die besonders vertrauliche Beziehung zwischen Arzt und Patient? Oder ist es schlicht die richtige Diagnose und die Wirkung des verordneten Homöopathikums? Diese Fragen erörterte Prof. Dr. med. Reinhart Schüppel aus Furth im Wald.

Bei der Thematik sind die folgenden Begriffe zu unterscheiden:

  • Wirkung (engl. effect), das Ergebnis eines Einflusses.
  • Wirksamkeit (efficacy), das Ergebnis einer spezifischen Intervention unter Idealbedingungen.
  • Effektivität (effectiveness), das Ergebnis einer spezifischen Intervention auch unter Alltagsbedingungen.

Zweifellos wirkt die Homöopathie. Ob sie auch wirksam und effektiv ist, ist allerdings umstritten.

Den populären Spruch "Wer heilt, hat recht", hält Schüppel für problematisch. Denn er lässt offen, was unter "Heilung" zu verstehen ist und wie oder wann der angebliche Heilerfolg überprüft wird.

Der Gesamteffekt einer Behandlung, die in klinischen Studien dokumentiert wird, setzt sich aus mehreren Anteilen zusammen: natürlicher Verlauf (d. h. meistens: Besserung durch die Selbstheilungskräfte), Placeboeffekt, spezifische Intervention (z. B. Medikament), Bias (Willkür der für die Durchführung und Auswertung der Studie verantwortlichen Personen) und Zufall. Eine Untersuchung über die Behandlung von Patienten mit Antidepressiva (Kirsch u. Sapirstein, 1998), die nur die ersten drei Punkte berücksichtigte, quantifizierte deren Anteile am Gesamteffekt folgendermaßen:

  • natürlicher Verlauf 24%,
  • Placeboeffekt 51%,
  • Medikamentenwirkung 25%.

Der erstaunlich große Placeboeffekt, der bei anderen Indikationen ähnliche Ausmaße annimmt, setzt grundsätzlich voraus, dass sowohl der Patient als auch der Arzt das Placebo für ein wirksames Mittel (Verum) halten. Zudem ist die gründliche Ausbildung, die der Arzt genossen hat, ein entscheidender Faktor dafür, dass das Placebo wirkt. Das gilt für den homöopathischen Arzt und die Wirkung seiner Behandlung einschließlich der von ihm verordneten Arzneimittel ebenso.

Beim Patienten ist der Placeboeffekt mittels Magnetresonanztomographie des Gehirns direkt messbar. Daraus lässt sich folgern, dass die Heilwirkung am erkrankten Körperteil auf dem Weg über das zentrale Nervensystem zustande kommt; schlagwortartig nannte Schüppel dieses Phänomen "Wirkstoff Information".

Widersprüchliche Studien

Die reine Medikamentenwirkung lässt sich am besten in der klassischen randomisierte kontrollierten klinischen Studie (RCT) überprüfen; um die unspezifischen Effekte der Behandlung zu prüfen, braucht man jedoch naturalistische Modelle, die dem Behandlungsalltag entsprechen. In solchen Modellen schneiden Homöopathika meist positiv ab, während sie in RCT-Studien versagen. Wesentlich für den Ausgang einer Studie ist zudem die Voreingenommenheit der Prüfenden, da sie sich auf die Beobachtung auswirkt (Bayes’sches Theorem, siehe Kasten).

Potenzial der Homöopathie stärker nutzen

Schüppel hält es für möglich, dass bei der Homöopathie allein die unspezifischen Effekte eine Rolle spielen, was bedeuten würde, dass die homöopathischen Zubereitungen an sich wirkungslos sind, doch reicht die derzeitige Datenlage zu dieser Feststellung nicht aus. Er sprach sich dafür aus, die Wirkungsweise der unspezifischen Faktoren besser zu erforschen und sie sich in der Therapie stärker zunutze zu machen. Schüppel geht selbst mit gutem Beispiel voran: Als Facharzt für Psychosomatik hat er auch eine Weiterbildung in Homöopathie absolviert und praktiziert sie fallweise bei seinen Patienten – mit Erfolg. cae

Fließende Grenzen
Die Homöopathie ist 200 Jahre alt und "funktioniert" in verschiedenen Kulturen, allerdings mit graduellen Unterschieden. Während homöopathische Ärzte hierzulande bestimmte Krankheiten (z. B. Diabetes) der Schulmedizin überlassen, ist dies in Ländern der Dritten Welt teilweise weniger der Fall.
Bayes’sches Theorem
Das nach dem englischen Statistiker Thomas Bayes (1702–1761) benannte Theorem besagt, dass bei der Überprüfung einer Hypothese das Ergebnis davon abhängt, ob der Prüfer die Hypothese von vornherein (a priori) für richtig oder für falsch hält, denn die jeweilige vorgefasste Meinung beeinflusst die Wahrnehmung der Studienergebnisse. Somit bestätigen die Studienergebnisse die subjektive Hypothese und sind nicht objektiv.

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