Arzneimittel und Therapie

Frühsommermeningoenzephalitis

Abb. 1: Das Infektionsrisiko steigt bei einem Zeckenstich mit der Dauer des Saugaktes. Das FSME-Virus löst Erkrankungen aus, die bei bis zu 30% der Betroffenen mit grippeähnlichen Symptomen einhergehen können. Bei einem Teil dieser Patienten treten die gefürchteten neurologischen Symptome auf. (Quelle: Priv.-Doz. Dr. Kai Wohlfarth, Bad Saarow)

In den Risikogebieten an eine FSME-Impfung denken!

Mit dem Frühjahr kommen die Zecken. Und mit ihnen die Gefahr für Borreliose und Frühsommermeningoenzephalitis (FSME). Während noch fieberhaft an einer Vakzine gegen Borreliose gearbeitet wird, kann gegen FSME-Viren längst geimpft werden. Doch die Akzeptanz der Impfung ist auch in (Hoch-)Risikogebieten eher niedrig. Die Möglichkeit einer Schnellimmunisierung könnte die Hemmschwelle vielleicht senken.

Die Zahl der Frühsommermeningitiden, der Entzündungen von Gehirn und Hirnhäuten, stieg in den letzten Jahren abrupt. Wurden 2005 noch etwa 250 Fälle gemeldet, waren es 2006 bereits 540 und damit etwa doppelt so viel. Die globale Erwärmung ist eine der Ursachen, denn sie bietet den Zecken bessere Überlebenschancen während des Winters. So können auch wärmeliebende Zeckenarten, etwa die Auwaldzecke, aus Südeuropa nach Deutschland einwandern. Ein weiterer Grund: Immer mehr Zecken sind Träger des FSME-Virus. Bei Untersuchungen des Landesgesundheitsamtes in Baden-Württemberg, die 10.846 Zecken mittels Polymerasekettenreaktion prüften, waren im Mittel 1% der Zecken befallen mit Schwankungsbreiten zwischen 0,2 und 2,3%. Im Raum Freiburg wurden Befallsraten von bis zu 5% gefunden. Dagegen wurde noch in den achtziger Jahren Zecken-Befallsraten von einem Promille angegeben. Das Risiko hat sich also verzehnfacht.

Das Robert Koch-Institut sammelt Angaben zu FSME-Erkrankungen und definiert Regionen als Risiko- oder Hochrisikogebiete anhand der Häufigkeit klinischer Fälle und veröffentlicht dies anhand einer Karte. Danach kommen FSME-Krankheitsfälle in weiten Teilen Baden-Württembergs, Bayerns und Hessens vor, neuerdings auch lokal in Thüringen und Rheinland-Pfalz. Die Bestimmung von Endemiegebieten anhand von Antikörperprävalenzen in Baden-Württemberg ergab eine noch weitere Verteilung FSME-infizierter Zecken. Prof. Dr. Dr. Peter Kimmig vom Landesgesundheitsamt des Regierungspräsidiums Stuttgart kommt nach den vorliegenden Daten zu dem Ergebnis: "FSME-Viren kommen faktisch in ganz Baden-Württemberg vor, eine flächendeckende Verbreitung ist auch für Bayern zu vermuten". Zudem scheint das Risiko einer FSME-Infektion nicht mehr nur auf Süddeutschland beschränkt. Auch in Brandenburg wurden 2006 zwei autochthone Fälle beschrieben.

Risiko: neurologische Spätschäden

Was aber passiert nach einer FSME-Infektion? Laut Priv.-Doz. Dr. Kai Wohlfarth, Bad Saarow bleibt die Infektion bei 70 bis 90% der Infizierten folgenlos. Die übrigen entwickeln nach einer Inkubationszeit von fünf bis zwölf Tagen Fieber oder grippeähnliche Symptome, bei 30% gefolgt von einer neurologischen Symptomatik, insbesondere Meningitiden und Meningoenzephalitiden (siehe Abbildung 1). Dabei steigt der Schweregrad des klinischen Bildes mit dem Lebensalter des Infizierten. Die Mortalitätsrate liegt bei 1 bis 2%. In den Jahren 2003 und 2004 sind nach Informationen des statistischen Todesfallregisters in Deutschland sieben Menschen an den Folgen einer FSME-Infektion gestorben.

Sicheren Schutz bietet nur die Impfung

Eine kausale Therapie der FSME gibt es nicht. Um so wichtiger ist die Vorbeugung. Zur Prävention gehört die Expositionsprophylaxe mit der richtigen Bekleidung sowie der konsequenten Verwendung von Repellents. Sicheren Schutz vor den Folgen einer FSME-Infektion bietet aber nur die Impfung. Doch die Akzeptanz ist mit einer Impfrate in Endemiegebieten von 10 bis 15% extrem niedrig. Laut Kimming ist die Impfung generell empfehlenswert im gesamten süddeutschen Raum für Personen, die sich häufiger in Zeckengebieten aufhalten. In Baden-Württemberg und Bayern ist die Impfung ohne geographische Beschränkung öffentlich empfohlen.

Sicher geschützt schon nach drei Wochen

Mit Encepur® Erwachsene und Encepur® Kinder steht ein Impfstoff zur Verfügung, der einen hohen und lang anhaltenden Schutz bietet. Seine hohe Immunogenität lässt für Erwachsene und für Kinder zwei Impfschemata zu:

  • das Standardimpfschema (0 – 4 Wochen – 52 Wochen) sowie
  • das Schnellimmunisierungsschema (0 – 7 Tage – 21 Tage), das in neuen Untersuchungen mit 398 gesunden Probanden eine vergleichbare, lang anhaltende Schutzwirkung gezeigt haben.

Mit dem Schnellimmunisierungsschema lässt sich ein Impfschutz auch noch innerhalb kurzer Zeit aufbauen. Auch der Compliance kommt die Schnellimmunisierung entgegen. Die erste Auffrischimpfung sollte bei Kindern und Erwachsenen mit Standardimmunisierung nach drei Jahren erfolgen, bei Schnellimmunisierung bereits nach zwölf bis 18 Monaten. Aufgrund der hohen Persistenz der Antikörper nach Grundimmunisierung und erster Auffrischimpfung sind bei zwölf- bis 49-Jährigen weitere Auffrischimpfungen im Abstand von fünf Jahren ausreichend. Bei Älteren und Jüngeren wird empfohlen, den Drei-Jahres-Abstand einzuhalten. Aktuelle Daten zeigen jedoch, dass ein Impfschutz auch dann noch besteht, wenn der empfohlene Zeitraum zwischen den Auffrischimpfungen überschritten wird. 99% der nach dem Schnellimmunisierungsschema geimpften Personen behielten bis zur ersten Auffrischimpfung nach mehr als sechs Jahren noch nachweisbare Antikörperspiegel gegen das FSME-Virus. Mit nur einer Boosterung, die gut toleriert wurde, konnte wieder ein stabiler Impfschutz aufgebaut werden.

Auch für Hühnereiweißallergiker

Encepur® kann für Auffrischimpfungen auch angewandt werden, wenn die Grundimmunisierung mit einem anderen FSME-Impfstoff durchgeführt wurde. Ein Wechsel der Impfstoffe während der Grundimmunisierung wird nicht empfohlen. Zudem gibt es Hinweise in kleineren Studien, dass dieser Impfstoff auch vor dem russischen und fernöstlichen Subtyp des FSME-Virus schützt. Und: Auch Hühnereiweißallergiker können mit Encepur® geimpft werden, allerdings unter ärztlicher Beobachtung.

Quelle

Priv.-Doz. Dr. Kai Wohlfarth, Bad Saarow; Prof. Dr. Dr. Peter Kimmig; Stuttgart: Pressekonferenz "Zeckenplage nach mildem Winter – droht nun eine FSME-Welle?", München, 28. Februar 2007, veranstaltet von der Novartis Behring GmbH & Co. KG, Marburg.

Apothekerin Dr. Beate Fessler
Umfassende Informationen über Zecken und die Frühsommermeningoenzephalitis sowie Landkarten mit den Verbreitungsgebieten der FSME in Deutschland und Europa finden Sie auf den Seiten www.zecken.info (Novartis Behring GmbH) bzw. www.zecken.de (Baxter Deutschland GmbH).
Kinder sind viel in der Natur und kommen durch Sport und Spiel häufig mit Zecken in Kontakt. Darum ist es sinnvoll, Kinder nach dem Aufenthalt in der Natur nach Zecken abzusuchen. Konnte ein Zeckenstich nicht vermieden werden, sollte die Zecke umgehend entfernt werden, um das Risiko einer Krankheitsübertragung zu minimieren. Eine FSME verläuft bei Kindern glücklicherweise meist relativ mild. Doch es gibt immer wieder schwere Verläufe mit lebenslangen neuropsychologischen Störungen. Wir sprachen mit Priv.-Doz. Dr. Kai Wohlfarth, Chefarzt der Klinik für Neurologie, Helios Klinikum Bad Saarow, über die Möglichkeit, Kinder gegen FSME zu impfen.
DAZ

Herr Dr. Wohlfarth, die FSME-Impfung im Kindesalter wird kontrovers diskutiert. Weshalb?

Wohlfarth: Die Impfung wird in Frage gestellt, weil bei Kindern ganz überwiegend milde meningitische oder meningoenzephalitische Verlaufsformen der FSME-Infektion beschrieben sind, mit relativ wenig neurologischen Spätfolgen. Es gibt jedoch eine Studie aus dem Jahr 2005, die 2,9% Spätfolgen bei Kindern beschrieben hat. Und gerade bei Kindern sind solche langfristigen Komplikationen aus meiner Sicht als schwerwiegender einzuschätzen als bei älteren Menschen.
DAZ

Befürworten Sie also die Impfung bei Kindern?

Wohlfarth: Ich würde Kinder impfen, die in Risikogebiete reisen oder in Risikogebieten leben, also in Bayern, Baden-Württemberg, Thüringen, Hessen, inzwischen auch in Berlin-Brandenburg, und die auf Wiesen und in Wäldern unterwegs sind. Geimpft werden sollte, wenn das Kind laufen kann, also etwa ab dem ersten Lebensjahr. Kinder, die ausschließlich in der Stadt leben, benötigen dagegen keinen Impfschutz.
DAZ

Gibt es ein Impfrisiko?

Wohlfarth: Bei früheren Impfstoffen konnten leichte Impfreaktionen mit Rötungen und Fieber auftreten. Das ist bei den modernen Vakzinen nicht mehr der Fall. Auch Impfschäden durch einen FSME-Impfstoff sind mir nicht bekannt.
Ixodes ricinus.

Gesundheitsrisiken und Maßnahmen zur Prophylaxe.
Med Monatsschr Pharm 2006;29(5):162-70.

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