DAX: So weit die Zinsen tragen …

(hps). Da sprang sie wieder in die Bresche – die US-Notenbank (FED) als Retter in der Not. Allerdings fiel die Rettungsaktion nicht ganz so überzeugend aus, wie es sich die Aktienmärkte erhofft hatten. 0,25 Prozentpunkte erschien den Akteuren zu wenig, um der Kreditkrise Herr zu werden. Das bekam dann auch gleich der Dow Jones zu spüren, den die Spekulanten im Tagesverlauf 300 Punkte auf Talfahrt schickten.

Selbst wenn die Rallye noch kommt: Ein Einbruch dürfte nur eine Frage der Zeit sein

Rund ein Viertel aller weltweit produzierten Güter gehen in die USA. Das macht den amerikanischen Verbraucher so wichtig für den Rest der Welt. Allerdings ist der US-Normalbürger, oder "Joe Sixpack", wie er auch genannt wird, ganz und gar kein Sparer. Die Sparquote in den USA ist sogar negativ. Trotzdem ist Joe nicht ganz mittellos. In der Regel ist er stolzer Besitzer einer oder mehrerer Immobilien und spekuliert an der Wall Street. Sogar ein nicht ganz unwesentlicher Teil seiner Altervorsorge basiert auf Aktien. Deswegen fasst ihn die FED auch mit Samthandschuhen an – Inflation hin oder her.

Nun musste Joe seit der Kreditkrise auf schmerzhafte Weise lernen, dass Immobilienpreise nicht immer nur nach oben klettern und sich sein "gefühlter Reichtum" mitunter recht kalt anfühlen kann. Nun, da die Kreditkrise immer weitere Kreise zieht, gilt es, wenigstens Joe‘s zweites Standbein, seinen Aktienreichtum, nicht auch noch zu gefährden. Deshalb hat die FED letzten Dienstag einen Versuchsluftballon steigen lassen. Das meint zumindest Peter Cardillo, Chefökonom bei der New Yorker Investmentgesellschaft Avalon Partners. Seiner Meinung nach wollte die US-Notenbank mit ihrem kleinen Zinsschritt den Aktienmarkt testen. Als der Dow Jones daraufhin 300 Punkte durchrauschte, wusste die FED, dass sie einen Fehler begangen hatte.

Die Korrektur erfolgte umgehend. Schon am nächsten Tag gab die FED bekannt, dass sie in einer konzertierten Aktion mit der EZB und den Zentralbanken Englands, Kanadas und der Schweiz den Geschäftsbanken eine Liquiditätsspritze von 40 Milliarden Dollar zur Verfügung stellen wolle. Die Börsen in New York und Frankfurt reagierten zunächst euphorisch. Ein Gefühl von Weihnachtsrallye stellte sich ein. Doch wie der frühere FED-Chef Greenspan erst kürzlich gegenüber dem Nachrichtensender CNN äußerte, ist das wahre Problem der Kreditkrise der Angebotsüberhang am Immobilienmarkt. Er billigt daher den geldpolitischen Eingriffen der FED nur wenig Einfluss beim Krisenmanagement zu. Erst wenn dieser Überhang abgebaut sei, normalisiere sich die Situation wieder.

Tatsächlich kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sich die FED mit ihren jüngsten Maßnahmen in blindem Aktionismus übt. Außerdem dürfte bei einem Anstieg der US-Importpreise um 11,4% gegenüber Vorjahr – das ist der höchste Anstieg seit 1982 – die Rolle der US-Notenbank als wirtschaftlicher Rettungsanker immer mehr in den Hintergrund treten. Eine Ansicht, die sich sicher auch immer mehr an der Leitbörse New York durchsetzen wird. Wer mag da schon nahe dem historischen Hoch Aktien kaufen? Und der Glaube an den Weihnachtsmann hält eben nicht lange, wie man weiß.

Im Niemandsland

Während der Subprime-Krise waren die Wertpapierhäuser kräftig unter die Räder geraten. 30% Verlust – gemessen am all-time-high – waren keine Seltenheit. Da wäre man als Anleger schon dankbar für einen warnenden Hinweis vorab gewesen. Doch die meisten Analysten konnten sich nicht zu einer Verkaufsempfehlung durchringen. Beispiele: Die Analysten von Merrill Lynch und Sanford Benchheim hielten unbeirrt ihre Kaufempfehlung für Morgan Stanley aufrecht, selbst während der Wert um 30% gefallen war. Merrill Lynch wiederum wurde von Sanford Benchheim auf "Hold" herabgesetzt, und zwar erst einen Tag nachdem Merrill einen Milliarden-Verlust bekannt gegeben hatte und die Aktie bereits 32% Verlust aufwies. Der Grund für das zögerliche Handeln liegt in der Abhängigkeit der Analysten von Großkunden, vor allem den Hedge Fonds. Sie erwarten "richtige Informationen", weshalb die Wertpapierhäuser einen großen Teil ihres Budgets für die Pflege ihrer Unternehmenskontakte ausgeben.

So liegt es auf der Hand, dass Merrill Lynch&Co nicht ausgerechnet die Hand beißen will, von der das Handelshaus gefüttert wird – zumal vor vier Jahren zehn große Wertpapierhandelshäuser rund 1,4 Milliarden Dollar in einem New Yorker Vergleichsverfahren hinlegen mussten, weil sie angeblich mit Verkaufsempfehlungen das Kursgeschehen "unangemessen" beeinflusst hatten.

Setzt ein Händler eine Aktiengesellschaft auf "Sell", kann es durchaus sein, dass ihm fortan die Türen zu weiteren Informationen in Zukunft verschlossen bleiben. Und ohne erstklassige Informationen gibt es am Ende auch weniger Tradinggebühren von den Großkunden. Will ein Händler dennoch eine Verkaufsempfehlung abgeben, tut er dies häufig über das Rating "Hold". Dabei wahrt er das Gesicht des Unternehmens und wird dennoch von seinen institutionellen Anlegern verstanden. Dies führt indes regelmäßig dazu, dass Kleinanleger das Rating "Hold" wörtlich nehmen, während die Großanleger bereits auf der Geberseite stehen. Professoren der University of California haben herausgefunden, dass Privatanleger praktisch ausschließlich auf "Buy" und "Sell" reagieren, während institutionelle bei "Hold" verkaufen.

Die Aussichten

Auch wenn die Investmentfonds zum Jahresabschluss nochmals Bilanzkosmetik betrieben haben, der Kursaufschwung beim DAX entbehrt jeder Grundlage. Da die Leitbörse in New York diese Aufwärtsbewegung in dieser Form bislang nicht unterstützt hat und auch die Einzelwerte im DAX während der jüngsten Kurserholung kaum mehr zu neuen Höhen zu bewegen waren, dürfte es in Frankfurt bald ein böses Erwachen geben. Der Zielkorridor bleibt im Bereich von 6500 und 6900 DAX-Punkten. Bis dahin ist das Geld zum Tagesgeldsatz gut aufgehoben. DAX am 12. Dezember (Schluss): 8076 Punkte..

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