Anderen Mut machen – aber richtig!

Von außen betrachtet, sind manche Probleme des Alltags nicht so gravierend und viele Ziele nicht so schwer zu erreichen. Für Betroffene ist es jedoch oft ungleich schwieriger, die Anstrengung so locker zu bewältigen. Wer mitten drin steckt, sieht manchmal das Naheliegende nicht oder verzagt an der Abwägung, ob der nächste Schritt auch wirklich der Richtige ist. Und wer gar meint, er sei der Einzige mit seinem Problem, wagt es vielleicht nicht einmal, andere darauf anzusprechen. Eine kleine Ermutigung von außen kann wohltuend und hilfreich sein! Aber welche Art von Zuspruch passt im Einzelfall wirklich?

Wie Sie Kunden und Mitarbeiter(innen) durch guten Zuspruch ermutigen / Welche Fettnäpfchen hier lauern

So manche Ermutigung ist gut gemeint, kommt aber in sehr unpassendem Gewand daher. "Das ist doch kein Problem!" oder die Kurzform "kein Problem!" sind klassische Beispiele. Für wen ist das kein Problem? So mancher Kunde hat sich lange mit einer kniffligen Frage beschäftigt, bevor er sie in der Apotheke ausspricht. Sie merken das, wenn jemand mit einer einführenden Geschichte Anlauf nimmt und sein Problem mit hörbarer Besorgnis schildert.

Ein Beispiel: Reisevorbereitungen und die Mitnahme von Medikamenten, deren grenzüberschreitender Transport oder ihre Kühlung bereiten Laien durchaus Kopfzerbrechen. Mit der Antwort "kein Problem!" gehen Sie nicht auf den Kunden ein, sondern erklären ihn quasi für dumm, weil er etwas als Problem ansieht, das Sie ganz einfach lösen können. Viel zugewandter ist die Antwort, "schön, dass Sie mich danach fragen – dafür haben wir …". In dieser Entgegnung steckt gleichzeitig die generelle Ermutigung, in der Apotheke zu fragen. So können Sie das Gespräch auch ermutigend abschließen: "Wenn Sie mal wieder eine Frage haben zu …, dann kommen Sie auf uns zu!" Damit bieten Sie außerdem eine langfristige Beziehung an.

Der von Führungskräften gelegentlich geäußerte Wunsch, ihre Angestellten mögen doch einfach selbstständig arbeiten und "ohne ständigen Druck" das geforderte Niveau einhalten, lässt tief blicken. Ja, "Druck machen" ist anstrengend. Aber was ist eigentlich so schwer daran, ein Team zu ermutigen? Vor einem begeisterten Publikum werden die Ergebnisse doch besser, davon lebt jeder Fußballverein! Kontinuierliche Ermutigung verstärkt das gewünschte Verhalten (so lange man es nicht übertreibt) und ist ein unverzichtbarer Teil im Training, sei es beim Sport oder bei den Mitarbeiter/innen.

Ein Beispiel: Bei einer PTA-Berufsanfängerin treten regelmäßig Schwierigkeiten auf, wenn Kunden sich ihr gegenüber sehr forsch verhalten. Die junge Frau wirkt sehr eingeschüchtert und hält sich nach Möglichkeit bei der Kundenberatung zurück, obwohl sie fachlich sehr gut qualifiziert ist und auch im Gespräch mit ihren Kolleginnen zeigt, dass sie sich eigentlich für Beratung interessiert und sich auch bei kniffligen Fragen gut zu helfen weiß. Als Aufsicht führende Apothekerin möchten Sie die PTA nun ermutigen, Kundenberatung wieder als zentralen Teil ihrer Aufgabe wahrzunehmen – und zu mögen.

Die erste Ermutigung, die Sie der PTA geben können, ist eine positive Rückmeldung zu den Beratungsgesprächen, die sie gut gemeistert hat. Die Ermutigung besteht darin, dass Sie der PTA möglichst zeitnah zu den erlebten Gesprächen Feedback geben, und dass Sie dies sehr konkret und fachbezogen tun, z. B.: "Ich habe gehört, dass Sie den Kunden nach Blutdruck senkenden Mitteln gefragt haben. An der Antwort … haben Sie ja gemerkt, dass das sehr wichtig war. Das haben Sie genau richtig gemacht!" Geben Sie jetzt keine weiteren Aufforderungen – belassen Sie es dabei, den Blick der PTA auf das Positive zu lenken.

Sobald wieder ein als anstrengend bekannter Stammkunde in die Apotheke kommt, sprechen Sie die PTA gezielt an: "Frau …, beraten Sie bitte Herrn …; wenn Sie eine Frage haben, können Sie gerne auf mich zukommen. Sie dürfen mich auch in einem anderen Gespräch unterbrechen." Dadurch geben Sie Ihrer PTA eine Rückzugserlaubnis und die Sicherheit, dass sie mit der Aufgabe nicht alleine gelassen wird. Wenn das Gespräch vorbei ist, finden Sie eine Gelegenheit, es nachzubesprechen: Wieder besteht Ihre Ermutigung darin, das Erreichte zu betonen. Das ist gleichzeitig auch ein Beziehungsangebot. Ein hingeworfenes "ach, das schaffen Sie schon!" wäre keine Ermutigung, sondern hält die PTA auf Distanz und ignoriert, wie schwer ihr manches noch fällt. Je besser es mit der Zeit läuft, umso simpler wird Ihre Ermutigung: Manchmal reicht ein bestätigendes Nicken aus einigen Metern Entfernung schon aus. Natürlich muss es auch von Herzen kommen, sonst fühlt sich die Mitarbeiterin unangenehm manipuliert.

Ermutigung konstruiert Erwartung

Die beste Ermutigung, die man einem Menschen geben kann, erfüllt zwei Bedingungen:

1. Sie knüpft an die bisherigen Erfahrungen des Angesprochenen an und nimmt diese ernst.

2. Sie erzeugt oder fördert positive Erwartungen, die es erleichtern, das angestrebte Ziel anzusteuern oder dieses Ziel zu entwickeln.

Wer "mutlos" ist, erkennt seinen eigenen Handlungsspielraum noch nicht oder fühlt sich momentan überfordert, die Sache anzugehen. Mit Ihrer Ermutigung helfen Sie Ihrer Mitarbeiterin oder Ihrem Kunden, den nächsten Schritt zu sehen. Probieren Sie es doch mal bei sich selbst aus, wenn Sie sich schlapp und ausgelaugt fühlen: Welcher freundliche Zuspruch, welches Lockmittel ermutigt Sie, an die Arbeit zu gehen? Wenn ich mein Bett verlassen muss, obwohl ich noch völlig müde bin, ermutige ich mich selbst, indem ich möglichst nur das Naheliegende sehe: "Nur von hier bis zu meinem Tee, das sind nur ein paar Schritte!" Angezogen und nach der ersten Tasse sehe ich die Welt schon ganz anders und kann mir zumindest einmal vorstellen, dass ich in absehbarer Zeit das Haus verlassen werde.

Positive Erwartungen sind sehr kraftvolle Ermutigungen. Zugegeben: Bei manchen Menschen ist Phantasie oder gute Vorbereitung gefragt, wenn wir sie ermutigen wollen. Sagt der Kunde: "Ein Schnupfen dauert neun Tage, egal was ich nehme!" Sie antworten: "Ja, das braucht seine Zeit zum Heilen! Wenn Sie das … nehmen, dann können Sie wenigstens nachts schlafen, weil Sie trotzdem noch durch Ihre Schnupfennase atmen können." Überlegen Sie: Welche Standardsprüche von Kunden kennen Sie, zu denen Sie sich schon lange mal eine passende Ermutigung überlegen wollten? Wie machen das die anderen im Team?

"Heile, heile, Segen!"

So manche Ermutigung wirkt segensreich, einfach weil sie freundlich und zugewandt dem anderen Gutes zuspricht. Die großen Weltreligionen tun das, wenn ein Mensch den anderen segnet; sogar beim "Krieg der Sterne" schicken die Jedi-Ritter einander mit dem Wunsch in den Kampf: "Möge die Macht mit dir sein!"

Die einfachste Ermutigung für Ihre Kundinnen und Kunden ist die wohlbekannte Wendung "Gute Besserung!" Wo Besserung nicht so schnell zu erwarten ist, tut es gut zu hören: "Kommen Sie gut durch die Woche!" Wenn keine Beschwerden geäußert wurden, z. B. wenn jemand wohlschmeckende (!) Getränke oder Kosmetika gekauft hat, passt manchmal auch "genießen Sie den Tee!" oder "da haben Sie sich etwas ganz Feines herausgesucht, daran werden Sie bestimmt viel Freude haben."

Wenn Sie genügend Feingefühl besitzen, um Nähe- und Distanzbedürfnisse anderer Menschen einzuschätzen, können Sie die Ermutigung auch fühlbar machen und Ihren Gesprächspartner anfassen. Manche älteren Menschen fühlen sich sehr getröstet und bestärkt, wenn sie sanft an der Hand oder am Arm berührt werden. Heilen durch Handauflegen? Nutzen Sie doch Ihre professionelle Ausstrahlung!.

Vera Naumann, Fichtenstraße 18, 72184 Rohrdorf bei Eutingen, E-Mail info@vera-naumann.de

" Das ist doch nicht so schlimm! "

Doch, für den Betroffenen schon! Damit fühlt er sich nicht ernst genommen.

Besser: Qualifiziertes Urteil abgeben, z. B.: "Das sieht nicht wie eine gefährliche Verbrennung aus, auch wenn es jetzt noch sehr weh tut."

" Das schaffen Sie schon! "

Glaubt die Gemeinte wirklich daran? Dieser Aufruf klingt eher wie: "Belästigen Sie mich nicht weiter, sondern machen Sie es alleine!"

Besser: Fähigkeiten betonen, mit denen die Gemeinte ihr Ziel erreichen wird, z. B.: "Ihnen fallen ja immer schnell die passenden Fragen ein, da werden Sie die Informationen sicher bekommen."

"Ach kommen Sie, jetzt stellen Sie sich doch nicht so an! "

Selbst wenn Sie "lieb" sprechen und dabei lächeln: Das ist keine Ermutigung, sondern eine autoritäre Aufforderung, sich dem Druck des anderen zu fügen.

Besser: Den Widerwillen der Kundin ernst nehmen und eine freundliche Empfehlung abgeben, z. B.: "Diese Stützstrümpfe sind jetzt noch sehr ungewohnt für Sie, aber sie werden Ihnen wirklich helfen."

" Das wird schon wieder! " 

Hilft bei kleineren Beschwerden, die mit der Zeit tatsächlich vergehen werden. Der Betroffene braucht vor allem Geduld, evtl. auch Geduld mit sich selbst. (Bsp.: Halsweh.)

Nicht einsetzen, wenn die Heilungswahrscheinlichkeit fraglich ist. (Bsp.: Altersbedingter Haarausfall.)

Literaturtipp

Wer sich für unauffällige, aber hoch wirksame sprachliche Feinheiten in Beratungskontexten interessiert, wird an diesem Buch und seinen Beispielen viel Freude haben. Die Erkenntnisse lassen sich auf viele andere Gesprächssituationen übertragen. – Literaturquellen zu pretreatment change siehe dort.

Manfred Prior: Beratung und Therapie optimal vorbereiten.

Informationen und Interventionen vor dem ersten Gespräch.

Carl Auer Verlag 2006.

Zu bestellen über: 

Buchhandlung des Deutschen Apotheker Verlags Postfach 10 10 61 70009 Stuttgart Tel. (07 11) 25 82-3 42 Fax (07 11) 25 82-2 90 oder: www.deutscher-apotheker-verlag.de

Ein selbstbewusstes Team bilden Eine Chefin, die die Sorgen und Wünsche ihrer Mitarbeiterinnen (und Kunden) ernst nimmt, wird Erfolg ernten.
Foto: Dimitrije Paunovic - Fotolia.com

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