Direktvertrieb als Falle

Große Pharmahersteller erwägen derzeit, ihren Vertrieb neu zu ordnen. Unter dem Schlagwort "Direct to Pharmacy Distribution" (DTP) wollen sie ihre Arzneimittel nur noch direkt an Apotheken verkaufen, nicht mehr an Großhandlungen. Pfizer macht derzeit in Großbritannien vor, wie das aussehen kann. Pfizer-Produkte kann der Apotheker dort nur von Pfizer direkt beziehen. Ausgeliefert werden die Arzneimittel durch einen Logistiker, der dafür eine "logistic fee" erhält. Pfizer hat dafür den Pharmagroßhändler Alliance Unichem ausgeguckt. Es könnte demnächst auch DHL oder ein anderer Zusteller sein.

Apotheken, die Pfizer-Arzneimittel benötigen, können sie nur über Alliance Unichem bekommen. Der Apotheker kann nicht mehr von einem Großhändler (oder Logistiker) zu einem anderen wechseln. Faktisch steht er – ohne Verhandlungsmöglichkeiten – einem Hersteller/Logistiker-Monopolistengespann gegenüber. Deshalb muss er auch schlechteste Leistungen und Konditionen akzeptieren, ist in jeder Beziehung erpressbar.

Warum will die Industrie DTP-Distribution durchsetzen? Sie weiß, dass einige international agierende Großhandelskonzerne Re- und Parallelimportfirmen mit Arzneimitteln füttern. Sie fürchtet eine Verschärfung ihres Problems, wenn in den USA (nach einem Wahlsieg der Demokraten) ebenfalls Re- und Parallelimporte zugelassen werden. Damit käme das bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln hohe US-amerikanische Preisniveau auf breiter Front massiv unter Druck.

Durch DTP, bei der die Großhandlungen nicht mehr in den Besitz der Arzneimittel kommen, will man dem einen Riegel vorschieben. Das Instrument ist jedoch untauglich. Denn die Apotheken am Ende der Vertriebskette könnten Arzneimittel weiterhin an Re-und Parallelimporteure weiterverkaufen. Oder will die Industrie am Ende gar den Durchgriff auf den einzelnen Patienten? Orwell lässt grüßen?

Auch das Argument, nur über DTP-Distribution ließe sich das Eindringen von Arzneimittelfälschungen blockieren, ist fadenscheinig. Nur mit einer gesetzlich klar geregelten Vertriebskette vom Hersteller über vollsortierte Großhändler zur Apotheke ließen sich nahezu alle Probleme erschlagen. Sie muss festlegen, dass Großhändler nur an Apotheken liefern und Apotheken nur an Endverbraucher (oder andere Apotheken) Arzneimittel abgeben dürfen.

Der Zusammenschluss der Apotheker der EU (PGEU) hat die Fallen der DTP-Distribution erkannt. In Deutschland sind wir offensichtlich noch nicht so weit.

Klaus G. Brauer

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