Von Rabattverträgen profitieren die großen Pharmahersteller

Berlin (ks). Die Rabattverträge zwischen Krankenkassen und Arzneimittelherstellern haben den deutschen Pharmamarkt seit April kräftig aufgerüttelt. Beim Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI), der vornehmlich kleine und mittlere Unternehmen vertritt, sieht man dies mit Sorge – vor allem wegen der zumeist unter der Hand geschlossenen Sortimentsverträge mit großen Herstellern. Mit der AOK-Methode lasse sich hingegen leben, erklärte der BPI-Vorsitzende Dr. Bernd Wegener anlässlich des BPI-Unternehmertages am 15. November in Berlin.
BPI kritisiert Sortimentsverträge

Die Marktanteile des Generikasegments im GKV- Arzneimittelmarkt werden nach Einschätzung des BPI künftig über Rabattverträge vergeben. Inzwischen haben 238 Krankenkassen und 61 Hersteller mehr als 7500 Rabattverträge abgeschlossen. Nach Berechnungen von IMS Health stand im vergangenen September bereits ein Viertel des gesamten GKV-Marktes bzw. ein Drittel des generikafähigen Marktes unter Vertrag. Bei einigen großen Kassen ist schon jede zweite Packung im generikafähigen Markt vertraglich geregelt.

Zu Jahresbeginn lagen alle Augen auf den AOK-Verträgen – hier konnte der generische Mittelstand noch mithalten. Doch im Laufe des Jahres gewannen die Sortimentsverträge an Bedeutung. Insbesondere die führenden Ersatzkassen schlossen mit großen Generikaherstellern Rabattvereinbarungen über deren gesamtes Portfolio.

Was den Apothekern entgegenkam, missfiel den mittelständischen Herstellern: Seit Mitte des Jahres habe sich das Bild zugunsten der Großunternehmen "dramatisch verschoben", beklagt Wegener: Lag der Absatzanteil von Rabatt-Medikamenten bei den generischen Großunternehmen im April 2007 noch bei 5 Prozent, so stieg er im September 2007 bereits auf 49 Prozent. Mittelständische Firmen verzeichneten im September 2007 dagegen einen Absatzanteil von 24 Prozent – im April hatte er bei 11 Prozent gelegen.

Rechtliche Schritte gegen Portfolio-Verträge

"Zuschläge zu den Rabattverträgen entscheiden über Unternehmensexistenzen mit allen daraus resultierenden Konsequenzen für das Unternehmen, Gesellschafter oder Investoren, Belegschaften und nicht zuletzt für die Patienten", betonte Wegener. Da die Margen sinken, fehle es an Kapital, Arzneimittel zu verbessern und weiterzuentwickeln. Aus Sicht des BPI kann der Wettbewerb nur funktionieren, wenn es keine Oligopole, sondern eine Vielfalt von Wettbewerbern gibt – und diese Pluralität sieht er derzeit schwinden. Einige Unternehmen gingen nunmehr rechtlich gegen die Sortimentsverträge vor, erklärte Wegener.

Der BPI seinerseits hat wegen der gesetzlichen Grundlagen der Rabattverträge bereits vor einigen Wochen bei der EU-Kommission Beschwerde eingelegt. Beim Verband ist man überzeugt, dass die Kassen wie Unternehmen handeln und daher das Kartell- und Vergaberecht beachten müssen. Dies sei bei den Vertragsabschlüssen jedoch nicht geschehen. Ohnehin hält Wegener ausschließlich Wirkstoff-Ausschreibungen für EU-konform durchführbar. In "gutsherrenartiger" Manier abgeschlossene Sortimentsverträge seien "klar rechtswidrig", da durch sie ohne jegliche Transparenz ein Großteil der Unternehmen vom Markt ausgeschlossen werde. Ein besonderes Problem dieser Verträge sieht Wegener auch bei Patentabläufen: Diese neuen Generika fielen direkt in die Sortimentsverträge, ohne dass es je eine Ausschreibung hierfür gegeben hätte.

Wegeners Fazit: "Ein zukunftssicheres Gesundheitswesen und die Finanzierungsprobleme der GKV lassen sich nicht durch Rabattverträge beseitigen. Dafür sind strukturelle Reformen dringend notwendig, die die offensichtlichen Defizite nicht nur vertuschen, sondern beseitigen"..

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