Erster "Apotheken-Kiosk" in Betrieb

MÜNCHEN/STUTTGART (diz/ks). Am Münchener S-Bahnhof Isartor steht der erste "Apotheken-Kiosk". Betrieben wird er von der "apotheke.de Portal GmbH" (nicht zu verwechseln mit apotheken.de) in Kooperation mit der Versandapotheke mycare in Lutherstadt Wittenberg. In einer Pressemitteilung des Betreibers vom 14. November heißt es, man wolle damit in den Wettbewerb mit Drogerieketten wie dm und Schlecker einsteigen. Und: Die Kioske sollen "klar als Kampfansage an die Präsenzapotheker verstanden werden", so der Pressesprecher.

Neue Art von Rezeptsammelstellen / Auslieferung durch mycare-Apotheke

Überhaupt, die Pressemitteilung liest sich vollmundig. Auf Online-Terminals sollen Kunden ihre Rezepte einscannen können, am nächsten Werktag sollen die so bestellten Medikamente im Briefkasten bereit liegen. Die Kunden könnten bis zu 30 Prozent im Vergleich zum Kauf in einer Präsenzapotheke sparen, – eine Aussage, die sich freilich nur auf OTC-Arzneimittel beziehen kann, was die Pressemitteilung allerdings nicht deutlich macht. Die Beratung erfolgt laut Pressemitteilung bei den Apotheken-Kiosken "über ein Gesundheitsprofil des Kunden", was auch immer damit gemeint ist. Dabei stünden approbierte Apotheker per Telefon und E-Mail zur Verfügung.

Die DAZ fasste nach und sprach mit dem Inhaber und Geschäftsführer der "apotheke.de Portal GmbH", Dr. Florian Korff, was es mit dieser Geschäftsidee auf sich hat. Sein in gut frequentierter Bahnhofslage aufgestelltes erstes Apotheken-Kiosk nannte er einen "Versuchsballon", um zu sehen, wie diese Idee von der Bevölkerung angenommen wird. Es ist ein früheres Kartenkontrollhäuschen, das mit Hinweisschildern auf "apotheke.de" verkleidet wurde. Im Prinzip ist es nichts anderes als eine Rezeptsammelstelle, ein grüner Briefkasten für die Versandapotheke "mycare". Entgegen der Pressemitteilung ist es nicht möglich, seine Rezepte dort einzuscannen – das muss die Presseagentur wohl missverstanden haben. Korff sieht das Scannen allerdings als eine Option für die Zukunft. Einmal am Tag soll der Kasten geleert werden. OTC-Arzneimittel können die Kunden zusätzlich bestellen, wenn sie ihre Bestellung auf einen Zettel schreiben und mit einwerfen. Die Leerungsfrequenz könne später erhöht werden, wenn die Kioske von der Bevölkerung angenommen werden. Korff ist fest entschlossen, in den nächsten Monaten weitere solcher Kioske zu installieren. Er habe schon zahlreiche Standorte in besten Lagen für solche Briefkästen-Kioske vorgesehen. Und er scheint dies ernst zu meinen. Dass er rechtlich gebremst werden könnte, sieht der gelernte Zahnarzt und Betriebswirtschaftler Korff nicht. Er möchte sich mit dieser Idee, wie er gegenüber der DAZ sagte, im derzeit rechtlichen Rahmen bewegen und spielt dabei auf das dm-Urteil an. Mit der mycare-Apotheke bestehe schon seit mehreren Jahren eine gute Zusammenarbeit. Die mycare-Versandapotheke wird von den Apothekern Christine, Peter und Christian Buse betrieben. Im Netz findet man sie u. a. unter mycare.de, apotheke.de, robert-koch-apotheke.de. Gleichwohl könne er sich eine Zusammenarbeit auch mit anderen Apotheken vorstellen, beispielsweise auf lokaler Ebene, die sich seiner Idee des Apothekenkiosks anschließen möchten.

Korff scheint, wie er in dem Gespräch durchblicken ließ, mit dieser Strategie auch einen kleinen Feldzug gegen die ABDA zu führen. Der Streit geht zurück auf Anfänge des Internetzeitalters. Als die Internetadressen verteilt wurden, fühlte er sich von der ABDA nicht ernst genommen und schlecht behandelt. Korff hatte sich schon sehr frühzeitig die Domain "apotheke.de" reserviert, die er allerdings nicht an die ABDA verkaufen wollte. Stattdessen hätte er sich eine Zusammenarbeit mit der ABDA gewünscht, bei der er als Betreiber dieser Internetadresse auftritt – ein Vorschlag, der für die ABDA verständlicherweise nicht akzeptabel war. Die ABDA schuf daraufhin die Internetadresse "aponet.de" als offizielles Apothekenportal.

Korff ist überzeugt davon, dass sich seine Kiosk-Idee durchsetzt, zumal er "viel schneller als DocMorris" das Land mit Kiosken überziehen kann. Außerdem kann die Lieferung noch rascher ablaufen als über den Versandweg, wenn er, so seine Planung, mit ortsansässigen Apotheken zusammenarbeitet.

Ob nun tatsächlich die Bevölkerung diesen Kiosk annimmt, räumt Korff ein, könne man letztendlich nicht wissen, trotz vorheriger Untersuchungen dazu. Er geht jedenfalls davon aus, "weil er so verkehrsgünstig liegt". "Und wenn jemand ein Rezept eingeworfen hat und er bekommt die Arzneimittel am nächsten Tag zugestellt, dann wird es auch angenommen werden. – Wie gesagt, das ist erstmal ein Ballon, aber es geht massiv weiter." Und er fügt hinzu: "Letztlich ist es völlig wurscht, wie es angenommen wird, jetzt ist erstmal ein Presserummel da". Hauptsache, die Kioske finanzieren sich, wobei Korff bereits daran denkt, die Flächen auch für weitere Werbung zu vermieten. Die Begeisterung unter den Journalisten für seine Idee sei bereits riesig, "sie finden meine Idee genial", so Korff.

ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf forderte den Gesetzgeber angesichts derartiger Auswüchse wie den Apotheken-Kiosk auf, dem aktuellen Treiben von Versandapotheken ein Ende zu setzen: "Im Windschatten der Zulassung von Versandapotheken wird der Gesundheits- und Verbraucherschutz mit Füßen getreten. Heute will eine Drogerie ihr Geschäft mit Arzneimittellieferungen aufbessern, morgen ein Kiosk, übermorgen die Pommesbude von nebenan." Bund und Länder sollten Wolf zufolge nicht länger zögern und die Sicherheitslücken umgehend schließen: "Der Schutzzaun um die Internetapotheken gehört eingerissen."

Wolf erinnerte an die geplante Bundesratsinitiative aus Nordrhein-Westfalen, um die Folgen und Gefahren des Versandhandels mit Arzneimitteln einzudämmen. "Es geht darum", so Wolf, "Patienten vor Risiken und Nebenwirkungen zu schützen. Die Arzneiversorgung in Deutschland ist heute noch die sicherste und beste der Welt. Das darf weder durch Lockvogelangebote noch durch halbseidene Geschäftsmodelle in Frage gestellt werden. Der vorbeugende Verbraucherschutz werde unter dem Vorwand einer angeblichen Liberalisierung unterwandert. Wolf: "Den Schaden hat der Patient".

Wolf wurde deutlich: "Die Versuche von Versandapotheken, ihren Marktanteil von knapp 1 Prozent auf Kosten der Patienten zu erhöhen, sind weder gesundheits- noch verbraucherpolitisch gewollt." Deshalb müsse die Politik "diesem Unwesen ein Ende setzen"..

"Politisches Handeln dringend erforderlich"

"Wenn wir am Arzneimittel als besonderer Ware festhalten wollen, zeigen diese besorgniserregenden Auswüchse einer zügellosen Liberalisierung des Arzneimittelvertriebs, dass politisches Handeln mehr als dringend erforderlich ist."

Dr. Günther HankePräsident LAK Baden-Württemberg

"Nach den Pharmapoints von dm verkauft uns der nächste Trittbrettfahrer eine illegale Rezeptsammlung als Innovation. Wo sind wir angekommen, wenn die verbraucherschützende Apothekenpflicht immer mehr durch sogenannte Marketingexperten ausgehöhlt wird? Aufsichtsbehörden und Politik bitte übernehmen und handeln."

Dr. Jörn GraueVorsitzender Hamburger Apothekerverein

"Die Eröffnung eines Arzneimittelkiosks ist ein klarer Verstoß gegen geltendes Recht. Ein solcher Kiosk ist eine unzulässige Rezeptsammelstelle und könnte auch als Vorbereitung für Apothekenketten dienen. Das dm-Urteil des OVG Münster ist nicht rechtskräftig und würde ohnehin nur für Nordrhein-Westfalen gelten. Die Argumente gegen diese Form der Rezeptsammlung sind dort bereits ausgetauscht worden und bleiben weiter gültig. Sie müssten nun wieder in einem neuen Verfahren von den in München zuständigen Aufsichtsbehörden angeführt werden. Angesichts des langsamen Instanzenweges ist jetzt aber vor allem der Gesetzgeber aufgefordert, unverzüglich die gesetzlichen Bestimmungen so zu ändern, dass ein Urteil wie vom OVG Münster künftig nicht mehr ergehen kann."

Fritz BeckerPräsident LAV Baden-Württemberg

"Abgesehen von der juristischen Zulässigkeit des beschriebenen Betriebes dieses Apothekenkiosks, bezüglich derer ich erhebliche Zweifel hege – aber das ist Sache der zuständigen Überwachungsbehörden – sage ich nur: armes Deutschland, arme Patienten, wenn die zukünftige Arzneimittelversorgung auf eine Automatenpharmazie reduziert werden soll. Der Gesetzgeber, also auch alle politischen Abgeordneten müssen jetzt Farbe bekennen, ob das das Modell der künftigen Arzneimittelversorgung sein soll. Wenn nein, dann wird es höchste Zeit für eine gesetzliche Änderung, die den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ausschließt. Unser Zukunftsmodell setzt weiterhin auf die menschliche, individuelle, persönliche Betreuung von Patienten, weil nur das zu einem optimalen Arzneimitteleinsatz führt und damit langfristig kostensparend wirken wird. Denn nur das richtige Arzneimittel, das zur richtigen Zeit in der richtigen Menge vom richtigen Menschen eingenommen wird, kann die richtige Wirkung entfalten. Dies kann weder von Automaten noch von Postboten oder von Callcentern geleistet werden. Arzneimittelkioske führen viel mehr zu einer weiteren Trivialisierung der Arzneimittel und damit zu dem Risiko des wachsenden unkontrollierten Fehl- oder Missbrauchs."

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