Überraschungs-Coup

Es war eine Überraschung, was AOK-Chefverhandler Christopher Hermann vor einer Woche aus dem Hut gezaubert hat: Zum 1. Januar 2008 soll es nun doch neue Rabattverträge geben; die AOK hat 23 Herstellern für 17 Wirkstoffe Zuschläge erteilt. Und das, obwohl fast jeder glaubte, während der laufenden Nachprüfungsverfahren bestehe ein Zuschlagsverbot. Doch eine "genaue Analyse" der "sehr unspezifischen" Herstelleranträge an die Vergabekammern habe ergeben, dass nur 66 Wirkstoffe im Streit stehen, erklärte Hermann. Und so erteilte die AOK rasch die Zuschläge für die übrigen 17. Mittlerweile hat die Düsseldorfer Vergabekammer entschieden, dass jedenfalls für 39 Substanzen das Zuschlagsverbot fortbesteht. Der Beschluss der Vergabekammer des Bundes steht noch aus – er wird auch über das Schicksal der übrigen 27 Substanzen entscheiden. Die Frage ist, wie die bereits erteilten Zuschläge zu beurteilen sind, wenn sich die Ausschreibung auch im sich nun anschließenden Rechtsstreit vor dem OLG Düsseldorf als rechtswidrig herausstellt. Der Primärrechtsschutz vor den Vergabekammern ist nur zulässig, solange kein Zuschlag erteilt ist. Doch es ist nicht auszuschließen, dass die Hals über Kopf abgeschlossenen Verträge doch noch juristisch angegriffen werden können. So bleibt etwa abzuwarten, was das von der EU-Kommission wegen der Rabattverträge eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren ergibt. Es lässt sich derzeit also nicht mit Sicherheit sagen, ob das abgespeckte Rabatt-Programm der AOK zum Jahreswechsel starten kann. Sollte es so sein, besteht Hoffnung, dass die großen Probleme der ersten Verträge überwunden sind. Für fast alle der 17 Wirkstoffe ist mindestens ein Rabattpartner vorgesehen, dessen Lieferfähigkeit niemand in Frage stellen würde – allein Ratiopharm deckt neun ab. Lediglich für zwei Substanzen gibt es nur jeweils einen Partner, der zudem nicht zu den ganz Großen zählt. Die bisher von den Verträgen betroffenen AOK-Versicherten müssen ebenfalls nicht mit einer erneuten "Zwangsumstellung" rechnen. Wer seit April ein AOK-Präparat bekommt, kann dabei bleiben oder zu seinem alten Mittel zurückkehren. Denn bis auf Baclofen findet sich keiner der derzeit rabattierten Wirkstoffe in den neuen Verträgen. Für die Apotheken bedeutet dies allerdings: Bei 16 neuen Wirkstoffen könnte bald erhöhter Erklärungsbedarf bestehen – doch das lässt sich wohl erst am 2. Januar 2008 mit Gewissheit sagen.

Kirsten Sucker-Sket

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