Haftungsfalle Teilmengenabgabe und Neuverblisterung

Die Abgabe von Teilmengen aus Fertigarzneimitteln ist für den Apotheker nicht frei von rechtlichen Risiken. Neben der höchstrichterlich ungeklärten Frage nach der Haftung bei Arzneimittelschäden und den Schwierigkeiten bei der Preisgestaltung kann sich der Apotheker auch in markenrechtliche Fallstricke begeben.

Wo die Gefahren beim Auseinzeln und Verblistern liegen

Mit dem Inkrafttreten des GKV-WSG am 1. 4. 2007 sind auch neue Regelungen zur Teilmengenabgabe von Arzneimitteln in das Arzneimittelgesetz eingefügt worden. Gemäß § 10 Abs. 11 AMG in Verbindung mit §10 Abs. 8 Satz 1 AMG dürfen aus Fertigarzneimitteln entnommene Teilmengen, die zur Anwendung am Menschen bestimmt sind, nur mit einer Kennzeichnung abgegeben werden, die mindestens mit dem Namen oder der Firma des pharmazeutischen Unternehmers, der Bezeichnung des Arzneimittels, der Chargenbezeichnung und dem Verfalldatum versehen sind. Dabei ist gemäß § 11 Abs. 7 AMG zwingend eine Ausfertigung der für das Fertigarzneimittel vorgeschriebenen Packungsbeilage zu überlassen. Indessen gilt Letzteres im Fall der regelmäßigen Abgabe im Rahmen einer Dauermedikation nur dann, wenn sich gegenüber den zuletzt beigefügten Packungsbeilagen Änderungen ergeben haben. Das GKV-WSG hat darüber hinaus die Neuverblisterung von der Preisbindung ausgenommen: § 1 Abs. 3 Satz 2 der Arzneimittelpreisverordnung regelt insoweit, dass soziale Leistungsträger, Krankenversicherungen und deren Verbände mit Apotheken und deren Verbänden das Verfahren für die Berechnung der Apothekenabgabepreise vereinbaren können.

Die Abgabe von Teilmengen aus Fertigarzneimitteln ist nicht nur aus haftungsrechtlicher und preisrechtlicher Sicht ungeklärt. Sie hat für den auseinzelnden Apotheker auch aus markenrechtlicher Sicht Tücken. Bei der nach § 10 Abs. 8 AMG notwendigen Bezeichnung eines Fertigarzneimittels kann es sich um eine Marke handeln, die ihrem Inhaber Markenschutzrecht gewährt. Eine Marke soll dem Verbraucher/Endabnehmer regelmäßig garantieren, dass das ihm angebotene und gekennzeichnete Erzeugnis nicht auf einer früheren Vermarktungsstufe durch einen Dritten ohne Zustimmung des Markeninhabers durch einen Eingriff verändert wurde, der den Originalzustand des Erzeugnisses berührt hat. Regelmäßig kann der Markeninhaber daher aufgrund seines Markenrechts gegen eine Veränderung oder Verschlechterung des Zustands der Waren vorgehen. Deshalb stellt sich rechtlich bereits die Frage, ob eine Teilmengenabgabe ohne Zustimmung des Markeninhabers überhaupt statthaft ist. Zumindest kann sich der Markeninhaber dagegen wehren, dass das Arzneimittel unter qualitativ minderwertigen Voraussetzungen (minderwertige Behältnisse oder Verzicht auf äußere Umhüllung) in den Verkehr gebracht wird. Unklar ist, ob der Verzicht auf eine Packungsbeilage, wie ihn das AMG nun im Fall der Dauermedikation ermöglicht, ebenfalls als Verschlechterung des wahren Zustands anzusehen ist. Offen ist außerdem, ob der Markeninhaber vor Teilmengenabgabe zu informieren ist und ob er einen Anspruch darauf hat, dass ihm ein Behältnis als Muster übersandt wird, wie dies auch z. B. im Fall des Parallelimports zu geschehen hat.

Die Abgabe von Teilmengen aus Fertigarzneimitteln ist daher für den Apotheker durchaus mit Risiken verbunden. Um das Qualitätsniveau des Originalprodukts zu erhalten, ist jedenfalls zu empfehlen, auf eine Packungsbeilage nicht zu verzichten, auch wenn dies arzneimittelrechtlich ausnahmsweise zulässig sein sollte. Werden Arzneimittel in andere Behältnisse umgefüllt, kann es empfehlenswert sein, mit dem Markeninhaber Kontakt aufzunehmen..

Rechtsanwalt Dr. Valentin Saalfrank, Fachanwalt für Medizinrecht, Köln

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