Ganz oder gar nicht

Die Auswüchse und Ausfransungen im Gefolge unserer Legalisierung des Arzneiversandes haben wohl auch seine Befürworter so nicht für möglich gehalten. Der Arzneiversand ist enttabuisiert, viele Verbraucher können oder wollen nicht mehr zwischen noch seriösen und nur noch kriminellen Bestellmöglichkeiten unterscheiden – besonders wenn sie damit bequem sogar an rezeptpflichtige Arzneimittel herankommen. Gesundheitspolitisch ist diese falsch verstandene Liberalisierung ein Fiasko.

Was ist zu tun? Dass dubiose Versandhändler aus dem Ausland auf Basis von fingierten (oder ganz ohne) Verordnungen hochpotente rezeptpflichtige Arzneimittel (oder Fälschungen davon) nach Deutschland liefern, ist nicht mehr zu bestreiten. Neu ist, dass auch Deutschland als Drehscheibe in solche kriminellen Geschäfte verstrickt ist (siehe nebenstehenden Bericht). Wirksam bekämpfen lassen sich beide Phänomene wohl nur, wenn zumindest der grenzüberschreitende Versand von rezeptpflichtigen Arzneimitteln wieder verboten wird. Nur so dürften wirksame Kontrollen durchsetzbar sein. Und nur so könnten abschreckende Strafandrohungen gegen Lieferanten und Besteller Wirkung zeigen.

Auch dann bleibt aber noch eine zweite Baustelle. Die Legalisierung des Versandhandels ermunterte Versuche, neben der Rezeptpflicht auch die Apothekenpflicht von Arzneimitteln (beides wichtige Instrumente des Verbraucherschutzes) zu unterlaufen. Das "Modell" der Drogeriekette dm ist ein Probelauf für "Arzneimittel partout": Tankstellen, der Lebensmittelhandel und viele andere (auch dubiose) Branchen würden folgen, wenn das Bundesverwaltungsgericht (nach widersprüchlichen Entscheidungen des OVG Münster) hier keinen Riegel vorschiebt. Es müsste deutlich machen, dass unsere Regelungen zum Versandhandel (des "Versandes an Endverbraucher") Geschäftsmodelle wie das von dm nicht sanktionieren.

Die ABDA-Juristen glauben daran nicht. Sie setzen weiter darauf, dass die Initiative des NRW-Sozialministers Laumann, der den Versand von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ganz wieder verbieten will, erfolgreich sein wird. Nur: Das löst das dm-Problem nur teilweise. Nicht verschreibungspflichtige, aber apothekenpflichtige Arzneimittel dürften dann weiter nach dem dm-Modell vertrieben werden. Die Apothekenpflicht würde zur Lachnummer. Daniel Bahr, der gesundheitspolitischen Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, hat dies erkannt. Wir werden sehen, ob seine angekündigten Vorschläge wirklich weiterhelfen.

Klaus G. Brauer

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