Warnung vor gefälschter Zahnpasta aus China

BERLIN (ks). Die spanischen Behörden warnen vor gefälschter Zahnpasta aus China. Landesweit wurden letzte Woche 700.000 Tuben aus dem Verkehr gezogen, nachdem in Zahnpasta-Proben Diethylenglycol nachgewiesen wurde. Insgesamt 20 Marken waren betroffen, darunter auch Colgate. Auch in Italien sind bedenkliche Produkte aufgetaucht. Aus Deutschland wurden bislang keine Fälschungen gemeldet.

Mit Diethylenglycol versetzte Zahnpasta in Spanien aufgetaucht

Die EU-Kommission hatte die Mitgliedsländer über die gefälschte Zahncreme aus China informiert, nachdem die spanischen Behörden eine Woche zuvor vorerst zwei Marken aus den Regalen genommen hatten. Die Gesundheitsbehörden entdeckten einen Anteil von bis zu zehn Prozent der giftigen Substanz in den Zahncremes. Chinesische Firmen nehmen sie als Ersatz für das harmlose Glycerin. Aus Spanien war zu hören, dass das Gesundheitsrisiko gering sei, solange die Zahnpasta nicht heruntergeschluckt werde. Die Kommission hatte die Mitgliedstaaten nach den Funden aufgefordert, Tests durchzuführen und ihre Ergebnisse nach Brüssel zu melden. Von einigen Ländern, darunter Deutschland, hat es laut einer Kommissionssprecherin bis letzten Freitag keine Rückmeldung gegeben.

Die Colgate-Palmolive AG in Hamburg erklärte am 18. Juli, dass Colgate Zahncreme für den deutschen Markt innerhalb der Europäischen Union und in Brasilien produziert werde. Solange sowohl der Text auf der Tube als auch der Umverpackung deutsch sei und den Namen und die Adresse der Hamburger Niederlassung aufweise, könne man davon ausgehen, dass es sich um ein einwandfreies Originalprodukt handele.

FDA warnte schon im Juni

In den USA hatte die Lebensmittelaufsichtsbehörde FDA bereits Anfang Juni vor Zahnpasta aus China gewarnt. Sie empfahl den Verbrauchern, jede Tube mit der Bezeichnung "Made in China" wegzuwerfen. Auf der FDA-Homepage findet sich eine Liste von 30 betroffenen Zahnpasten..

Toxikologe: Kritische Konzentration kaum zu erreichen

(du). Die meisten Todesfälle durch Vergiftungen im Kindesalter lassen sich auf Diethylenglycol zurückführen. Weltweit sind schon über 500 Kinder einer Diethylenglycol-Intoxikation zum Opfer gefallen. Eine Vergiftung mit den jetzt in den gefälschen Zahnpasten gefundenen Diethylenglycol-Konzentrationen hält Dr. Herbert Desel vom Klinisch-Toxikologischen Labor der Universität Göttingen aber für unwahrscheinlich.

Diethylenglycol hat in der Vergangenheit schon zu mehreren großen Vergiftungsepidemien geführt. So starben 1937 in den USA 107 Menschen, meist Kinder, nach Einnahme eines Sulfanilamid-Saftes, der Diethylenglycol als Lösungsmittel enthalten hatte. Ende 1995, Anfang 1996 starben 80 Kinder in Port-au-Prince/Haiti an akutem Nierenversagen. Verantwortlich war ein mit Diethylenglycol kontaminierter Paracetamol-Saft. Weitere Vergiftungsfälle mit mehreren 100 Todesfällen traten zwischen 1990 und 1998 in Argentinien, Bangladesh, Indien und Nigeria auf. Betroffen waren auch hier vor allem Kinder.

Diethylenglycol schädigt Nieren, Leber und Pankreas und verursacht eine metabolische Azidose. Akutes Nierenversagen ist das Hauptsymptom einer Diethylenglycol-Vergiftung. Betroffene fühlen sich zunächst müde und schlapp und haben Schwierigkeiten beim Wasserlassen.

Analog einer Ethylenglycol-Vergiftung vermutet man auch bei Diethylenglycol, dass toxische Metaboliten zu den Organschäden führen. Neben Ethanol steht bei einer Ethylenglycol-Vergiftung Fomepizol als Antidot zur Verfügung. In Deutschland wird es wegen der Parallelen zu einer Ethylenglycol-Vergiftung auch bei einer Diethylenglycol-Intoxikation empfohlen. Bei der Ethylengycol-Vergiftung lässt sich mit Fomepizol die Bildung toxischer Metaboliten verhindern. Da bei einer Diethylenglycol-Vergiftung entsprechende toxische Metaboliten noch nicht identifiziert sind, ist international der Fomepizol-Einsatz bei dieser Indikation umstritten.

Welche Maßnahmen bei Verdacht auf eine Diethylenglycol-Intoxikation ergriffen werden müssen, hängt von der Menge ab, die wahrscheinlich aufgenommen wurde. Ist ein Diethylenglycol-Blutspiegel von 0,2 g/l (200 mg/kg KG) zu erwarten, empfiehlt sich die Gabe eines Antidots, wenn er den für ein akutes Nierenversagen kritischen Grenzwert von 0,5 g/l erreichen kann, ist eine Dialyse dringend erforderlich.

Ob mit den mit Diethylenglycol kontaminierten Zahnpasten überhaupt toxische Werte erreicht werden können, bezweifelte Dr. Herbert Desel, Leiter des Klinisch-toxikologischen Labors im Pharmakologisch-toxikologischen Servicezentrum der Universität Göttingen im Gespräch mit der Deutschen Apotheker Zeitung. Pressemeldungen zufolge sollen bis zu 10% Diethylenglycol in den gefälschten Produkten enthalten sein. Selbst wenn die Konzentration der giftigen Substanz bei 50% liegen würde, müsste ein zehn Kilogramm schweres Kind unter Berücksichtigung des Verteilungsvolumens und einer Bioverfügbarkeit von 100% etwa 3 g von der Zahnpasta schlucken, um den kritischen Blutspiegel von 0,2 g/l zu erreichen. Bei normalem Gebrauch kann Desel daher keine akute Gesundheitsgefahr erkennen. Zwar sei Diethylenglycol eine Substanz mit hohem toxischem Potenzial. Doch nur eine genaue Expositionsbewertung erlaubt eine Gefahreneinschätzung. .

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