Zu kurz gedacht

Ob anonyme Kapitalgesellschaften Apotheken besitzen und betreiben oder ob dies Apothekern vorbehalten bleibt, die als unabhängige freie Heilberufler in ihrer Apotheke in Einheit für den pharmazeutischen und ökonomischen Kurs verantwortlich sind – das macht keinen Unterschied? Ob ein berufsfremder Manager angestellten Apothekern Direktiven vorgibt oder ob dafür Apothekerinnen und Apotheker zuständig sind, die als Besitzer und Betreiber ihrer Apotheke gesetzlich und berufsrechtlich den gleichen Normen und (bei Fehlverhalten) den gleichen Sanktionen unterworfen sind wie ihre pharmazeutischen Mitarbeiter – irrelevant? Der junge CDU-Bundestagsabgeordnete Jens Spahn und der FDP-Europaabgeordnete Jorgo Chatzimar-Kakis sind kürzlich in einem Gastkommentar für das Handelsblatt dieser von Celesio-Chef Oesterle gestreuten interessengeleiteten Fehleinschätzung auf den Leim gegangen.

Machen wir uns keine Illusionen: Finanzstarke Kapitalgesellschaften hätten keine Skrupel, ihre Marktmacht auszuspielen. Sie könnten freiberuflich-inhabergeführte Apotheken durch Konkurrenzgründungen oder erpresserische Übernahmeangebote aus allen attraktiven Standorten verdrängen. Dass dahinter noch weitere Gefahren lauern, schwant wohl auch Spahn und Chatzimar-Kakis. So müsse geprüft werden, ob der Pharmaindustrie oder Großhändlern erlaubt werden dürfe, Apothekenketten zu betreiben. Zumindest müssten sie ihre Apotheken dann als "selbstständige Einheiten" führen – als wäre damit etwas gewonnen. Damit es für Hersteller weniger attraktiv ist, Apothekenketten zusammenzukaufen, müssten Apotheken verpflichtet bleiben, Vollsortimente anzubieten. Und um den Not- und Wochenenddienst nicht allein freiberuflich betriebenen Apotheken aufzubürden, müsse es dafür klare Regeln geben. Haben Spahn und Chatzimar-Kakis erkannt, dass sich die politisch gehätschelten Versandapotheken hier schon Kostenvorteile erschleichen konnten, die geradezu nach einem Leistungsstrukturausgleich rufen? "Eine flächendeckende Versorgung benötigt regulierende Eingriffe" – so die Abgeordneten. Wohl wahr! Die gegenwärtigen Regulierungen sind ausgewogen und effektiv; sie sichern die Versorgung ebenso wie den Wettbewerb. Alles Gründe, daran (wenn überhaupt) nur sehr vorsichtig etwas zu ändern – so vorsichtig, wie "Krokodile Liebe machen" (wie der US-Gesundheitsökonom Uwe Reinhardt einmal gesagt hat). Auf die Wiedereinführung eines Lizenzsystems zu hoffen, um in der Arzneimittelversorgung nach Wegfall des Fremdbesitzverbotes "Zustände wie im wilden Westen" zu verhindern – dieser fromme Wunsch der Abgeordneten ist, frei nach Feuerbach, allenfalls Opium fürs Apothekervölkchen.

Klaus G. Brauer

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