Arzneiausgaben werden 2007 deutlich steigen

BERLIN (ks). Der BKK-Bundesverband geht davon aus, dass die Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen für Arzneimittel im laufenden Jahr um 2,1 Mrd. Euro auf rund 27,1 Mrd. Euro ansteigen werden. Viele Finanzwirkungen der jüngsten Gesundheitsreform sind derzeit allerdings noch nicht kalkulierbar und daher nicht in die Prognose einbezogen. Unklar ist etwa, welche Entlastungen die Rabattverträge zwischen Krankenkassen und Pharmaherstellern bringen werden.
BKK-Bundesverband rechnet mit Steigerung um 8,4 Prozent

BKK-Chef Wolfgang Schmeinck erläuterte am 20. Juni in Berlin die Grundlagen der BKK-Prognose: Bestimmt wird der Anstieg insbesondere durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer (+ 750 Mio. Euro), eine anhaltende Strukturverschiebung (+ 1,2 Mrd. Euro) und einen Mengenzuwachs (+ 630 Mio. Euro). Dagegen wirken die Festsetzung neuer Festbeträge und der auf 2,30 Euro pro Packung erhöhte Apothekenabschlag entlastend (jeweils - 140 Mio. Euro). Die Mengen- und Strukturentwicklung wird auch dazu führen, dass sich die gesetzlichen Rabatte, die die Kassen erhalten, insgesamt erhöhen. Der BKK-Schätzung zufolge werden sich diese Abschläge 2007 auf rund 2,2 Mrd. Euro belaufen (2006: 2 Mrd. Euro).

"Die neuen Möglichkeiten aus der Gesundheitsreform reichen trotz des großen Engagements der Kassen nicht aus, um den Ausgabenanstieg wirksam zu bremsen", lautet Schmeincks vorläufiges Resümee. Doch zumindest für die Versicherten gibt es eine positive Nachricht: Das Zuzahlungsvolumen wird sich voraussichtlich nicht erhöhen und wie im Jahr 2006 bei 2,1 Mrd. Euro liegen. Dafür sorge die Kombination aus zuzahlungsbefreiten Arzneimitteln, der Überforderungsklausel und der Begrenzung von Zuzahlungen auf zehn Euro pro Packung bei einem gleichzeitigen Trend zu Großpackungen, erläuterte Schmeinck.

Auswirkungen der Rabattverträge unklar

Demgegenüber lassen sich die finanziellen Auswirkungen verschiedener Neuregelungen des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes (GKV-WSG) noch nicht abschätzen. Unklar ist etwa, wie sich die kassenindividuellen Rabattverträge – die zudem mit Zuzahlungsermäßigungen kombinierbar sind – auf die Kassenfinanzen niederschlagen werden. In diesem Zusammenhang stellte Schmeinck die Hypothese auf, dass das zu beobachtende Mengenwachstum ein "Kollateralschaden" der Rabattverträge sein könnte. Dies sei zwar "nicht belegbar, aber plausibel". Denn rabattierte Arzneimittel sind aus der Wirtschaftlichkeitsprüfung der Vertragsärzte ausgenommen – jedenfalls dann, wenn die Ärzte der Rabattvereinbarung beigetreten sind. Auch die Bonus-Malus-Regelung greift bei Rabattarzneien nicht, wenn die Kasse und der Vertragsarzt eine Zielvereinbarung über deren Abgabe getroffen haben. Dies könnte eine Erklärung dafür sein, dass gerade in großen Indikationsgruppen – etwa bei den Cholesterinsenkern – ein Mengenzuwachs zu beobachten ist, ergänzte Wolfgang Kaesbach, Abteilungsleiter Arzneimittel beim BKK-Bundesverband. Den Rabattverträgen steht man beim BKK-Bundesverband ohnehin mit gemischten Gefühlen gegenüber. Insbesondere die mangelnde Transparenz macht Schmeinck zu schaffen: "Daran müssen wir arbeiten", räumt er ein. Selbst der BKK-Bundesverband habe Schwierigkeiten, von den verschiedenen BKKen genauere Informationen über die Verträge zu erhalten. Die Kassen sehen die Verträge als Wettbewerbsinstrument – und über dieses schweigen sie lieber. Gegenwärtig ist Schmeinck jedenfalls sehr skeptisch, ob die Rabattverträge das Potenzial haben, eines Tages das Festbetragssystem abzulösen.

Problematische Höchstbeträge

Aber auch die finanziellen Wirkungen anderer Neureglungen des GKV-WSG sind bislang kaum kalkulierbar: Dies betrifft etwa die Inanspruchnahme von Kostenerstattung statt Sachleistungen sowie von Wahltarifen und die Übernahme von Schutzimpfungen in den GKV-Leistungskatalog. Auch zu den Auswirkungen der neuen Höchstbeträge für nicht-festbetragsgeregelte Arzneimittel lässt sich noch wenig sagen – Schmeinck geht davon aus, dass diese frühestens 2009 zu spüren sein werden. Das Ziel der Höchstbeträge sei gut, betonte der BKK-Chef, doch ihre Umsetzung werde sich schwierig gestalten. So werde man "sicher noch einige Zeit" über die Methoden und Kriterien streiten, nach denen die Kosten-Nutzenbewertungen abzulaufen haben, auf deren Grundlage ein Höchstbetrag festgelegt wird. Zudem könne die Kosten-Nutzenbewertung erst erstellt werden, wenn hinreichende Erkenntnisse über den Nutzen des Arzneimittels vorliegen – die pharmazeutische Industrie fordert hierfür bereits einen Zeitbedarf von zwei bis fünf Jahren. Auch Schmeinck räumt ein, dass sich diese Erkenntnisse erst gewinnen lassen, wenn ein Präparat bereits einige Zeit im Markt ist – fünf Jahre sind aus seiner Sicht aber auf jeden Fall zu lang. In dieser Zeit könne sich ein Arzneimittel bereits auf dem Markt etablieren, sodass langwierige Debatten absehbar sind, wenn es in der Folge einem Höchstbetrag unterstellt wird. Es sei auch damit zu rechnen, dass die ersten Höchstbeträge von der Industrie beklagt werden. Die im GKV-WSG vorgesehene Alternative, dass Kassen und Pharmahersteller einen Höchstbetrag im Einvernehmen festlegen können, ist in den Augen Schmeincks eine reine "Scheinlösung": Welcher Hersteller sollte sich hierauf einlassen, wenn er mit der anderen Variante Zeit gewinnt, sein Präparat im Markt zu etablieren?

Der BKK-Chef betonte, dass den gesetzlichen Kassen "trotz der beschriebenen Ärgernisse kein Beitragsanstieg aufgrund der steigenden Arzneimittelkosten" drohe. Zwar entspreche der Ausgabenanstieg rund 0,2 Beitragssatzpunkten – dieser sei im laufenden Jahr aber schon von den Kassen einkalkuliert. .

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