Ist das Pharmazie?

Fast schon wöchentlich erreichen uns seit zwei, drei Jahren Meldungen aus der Politik, von Gerichten, von Versandapotheken im In- und Ausland, von Unternehmen, die uns mit immer neuen Möglichkeiten überraschen, was in der Apothekenlandschaft an neuen Formen möglich ist oder möglich gemacht werden soll. Beispiele: Der Mehrbesitz (Filialisierung) wurde erlaubt, der Versandhandel im In- und Ausland mit all seinen Auswüchsen sorgt für Unruhe, DocMorris probt den Fremdbesitz mit ministerieller und gerichtlicher Unterstützung und baut daneben eine Kooperationskette auf. Versandapotheken lassen sich ständig neue Marketingideen einfallen, verzichten auf Zuzahlungen, machen Gutschein- und Rabattaktionen. Mittlerweile arbeitet "Deutschlands größte Versandapotheke" (eigener Werbeslogan) mit einem Kaffeeröster zusammen: Die Tchibo-Filialen für Gebrauchsgegenstände aller Art, die neben Handys, Reisen, Radios, Blumentöpfen oder Schlafanzügen auch noch Kaffee verkaufen, bewerben den Arzneiversender Sanicare und bestimmte OTC-Arzneimittel.

Die Linda-Kooperation will ihren Apotheken ein Zubrot verschaffen: Nach dem Einstieg ins Payback-System können die Linda-Apotheken – der nächste Coup – ihren Kunden Gesundheitsreisen anbieten: zehn Prozent Provision winken für die gebuchten Trips.

Eine kleine Schar von Apothekerinnen und Apothekern sucht derweil ihr Heil in Preisschlachten, Discount-Strategien und Billigarzneiangeboten, nachdem die Bundesregierung die Preise für OTC-Arzneimittel freigegeben hat. Teure Werbeanzeigen von Apotheken für billige OTCs – früher strengstens untersagt und verpönt – finden sich immer öfter in den regionalen Anzeigenblättern. Und das Randsortiment der Apotheke wächst und wächst. Gesundheitskleidung, Wellness, Aromatherapie und Kosmetik, Bücher und CDs, Nahrungsergänzung und Diätetika aller Art dominieren das Aussehen der Apotheke.

So etwas verändert die Wahrnehmung auch bei denjenigen, die über die zukünftige Ausrichtung der Apotheke mitbestimmen, z. B. die Politiker. Der Schritt von der Individualapotheke hin zum Drugstore, zum uniformen Kettenmitglied ist da nicht mehr allzu weit. Die Liberalisierungstendenzen greifen um sich.

Wollen wir das? Haben wir Pharmazie studiert, um dann im Apothekenalltag zu überlegen, ob wir lieber Fünf-Euro-Gutscheine, Taler oder Rabattmarken ausgeben, ob wir eine 20- oder 30-Prozent-Discountstrategie fahren, ob wir in diesem Monat mit Tchibo- oder mit einem dm-Markt zusammenarbeiten? Wollen wir das wirklich? Eine Frage, die schon im Raum steht. Wir sollten uns überlegen, was wir antworten wollen.

Peter Ditzel

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