Schwerpunkt Darmkrebs

Kolorektalkarzinom: Die Suche nach einer wirkungsvollen Chemoprävention

Intensiv wird nach Substanzen gesucht, die vor einer Tumorerkrankung schützen können. Gerade Karzinome wie das Kolorektalkarzinom, die sich über einen langen Zeitraum entwickeln, bieten die Chance für eine frühzeitige medikamentöse Intervention. Die Studienlage ist allerdings nicht eindeutig.

Vieles sprach bislang dafür, dass beispielsweise Statine und nicht-steroidale Antirheumatika die Entstehung von Kolorektalkarzinomen verhindern können. Eine noch im letzten Jahr im New England Journal of Medicine veröffentlichte retrospektive Fallkontrollstudie von Poynter et al. kam zu dem Ergebnis, dass die Einnahme eines Statins über fünf Jahre das Risiko für ein Kolorektalkarzinom um die Hälfte senken kann. Eine vor kurzem im Journal of the National Cancer Institute veröffentlichte große Kohortenstudie lässt jedoch keine chemopräventiven Effekte der Statine auf das Kolorektalkarzinom erkennen.


Chemopräventionsstudie mit Statinen?

Statine wie Simvastatin und Pravastatin dienen vor allem der Senkung eines erhöhten Cholesterinspiegels. Sie hemmen das Enzym 3-Hydroxy-3-Methylglutaryl-Coenzym-A-Reduktase und damit die Cholesterinsynthese. Darüber hinaus haben sie Einfluss auf das Zellwachstum, die Zellproliferation und die Apoptose und damit auf wichtige Prozesse der Kanzerogenese.

Viele Studien haben sich in den letzten Jahren damit beschäftigt, ob durch Statine das Krebsrisiko gesenkt werden kann. Erste Berichte beruhten auf Studien mit kardiovaskulären Endpunkten, ihre statistische Aussagekraft bezüglich der Beeinflussung der Krebsentstehung war entsprechend gering. Erst mit der von Poynter veröffentlichten Fallkontrollstudie konnte eine statistisch signifikante Reduktion des Darmkrebsrisikos durch Statine gezeigt werden. Dieses Ergebnis verlieh der Forderung Nachdruck, eine große Chemopräventionsstudie mit Statinen durchzuführen. Nun haben Jacobs et al. in einer Kohortenstudie mit über 132.000 Männern und Frauen die Statinhypothese zur Chemoprävention noch einmal auf den Prüfstand gestellt. Sie konnten dabei auf Daten zurückgreifen, die im Rahmen der American Cancer Society's Cancer Prevention Study II (CPS-II) seit 1982 erhoben worden sind. Über 23.000 Studienteilnehmer wurden mit lipidsenkenden Medikamenten behandelt. 17,6% aller Studienteilnehmer hatten in der letzten Dekade Statine eingenommen. Bis August 2001 wurden 815 Fälle eines Kolorektalkarzionoms registriert. Die Autoren der Kohortenstudie konnten jedoch keine signifikante Beziehung zwischen der Einnahme cholesterinsenkender Medikamente und dem Darmkrebsrisiko finden. Ein Kolorektalkarzinom trat bei Statin-Anwendern und -Nichtanwendern gleich häufig auf.

Das Fazit der Autoren: Die Ergebnisse können die Hypothese einer chemopräventiven Wirkung der Statine nicht stützen. Auszuschließen sei jedoch nicht, dass eine geringfügige Risikoreduktion durch Statine allgemein oder ein chemopräventiver Effekt abhängig von einem speziellen Statintyp oder einer bestimmten Dosis zu erzielen sei.


Ungünstiges Nebenwirkungsprofil der NSAR

Neben Statinen galten auch nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) als Erfolg versprechende Kandidaten für eine Darmkrebs-Chemoprävention.

Entzündungsprozesse, die auch in der Krebsentstehung von Bedeutung sind, sollten sich mit Substanzen wie Acetylsalicylsäure (ASS) oder Ibuprofen eindämmen lassen. Studien belegen, dass mit Acetylsalicylsäure die Polypenneubildung im Rahmen einer schon diagnostizierten Darmkrebs- oder Darmpolypenerkrankung reduziert werden kann. Ähnliche Ergebnisse liegen zum Einsatz von ASS bei adenomatöser Polyposis vor. Wie Acetylsalicylsäure sind auch Sulfasalazin und 5-Aminosalicylsäure (5-ASA) in der Lage, das Darmkrebsrisiko zu senken. Doch für eine auf einen langen Zeitraum angelegte Chemoprävention sind weder nicht-steroidale Antirheumatika noch Sulfasalazin oder 5-ASA schon allein wegen ihres Nebenwirkungspotenzials ungeeignet. Auch die Hoffnungen, die sich auf die vermeintlich spezifischeren und damit nebenwirkungsärmeren COX-2-Hemmstoffe wie Celecoxib (Vioxx®) stützten, sind mit dem Bekannt werden der kardiovaskulären Nebenwirkungen zunichte gemacht worden.


Viel versprechend: Calcium

Viel versprechend sind dagegen einige Studien, in denen der Frage nachgegangen wurde, ob Calcium die Polypenbildung und damit das Darmkrebsrisiko reduzieren könne. Schon 1999 konnte mit der Calcium Polyp Prevention Study gezeigt werden, dass durch tägliche Calciumaufnahme von 1200 mg (= 3 g Calciumcarbonat) über vier Jahre das Darmkrebsrisiko um 20% gesenkt werden kann.

Es handelte sich dabei um eine placebokontrollierte Studie, in die 930 Patienten mit Polypen in der Vorgeschichte aufgenommen worden waren. Die Studienteilnehmer waren im Schnitt 61 Jahre alt, 72% waren Männer. Fünf Jahre nach Beendigung der Studie wurden 822 Teilnehmer erneut untersucht. Das Ergebnis untermauerte die ursprünglichen Befunde. In der Calcium-Gruppe war das Darmkrebsrisiko um 35%, das Risiko für Polypenneubildung um 41% niedriger als in der Placebo-Gruppe. Daraus schließen die Autoren, dass auch fünf Jahre nach Beendigung der Calciumeinnahme kein Rebound festzustellen ist. Die Ergebnisse legen sogar nahe, dass sich der protektive Effekt von Calcium fünf Jahre nach Einnahmeende noch verstärkt habe. Nach Berechnungen der Autoren müssen 19 Patienten über vier Jahre mit 1200 mg Calcium behandelt werden, um die Entstehung einer histologisch fortgeschrittenen Krebsneubildung zu verhindern.

Damit bleiben immer noch viele Fragen offen. Lässt sich beispielsweise der protektive Effekt von Calcium noch durch die zusätzliche Gabe von Vitamin D verstärken?


WHI: Calcium plus Vitamin D ohne präventive Wirkung

Soeben wurden die Ergebnisse der Calcium/Vitamin-D-Supplementationsstudie veröffentlicht, die im Rahmen der Women`s Health Initiative (WHI) durchgeführt worden war. Mit 32.282 Teilnehmerinnen handelt es sich dabei um eine der größten Präventionsstudien überhaupt. Sie sollte klären, ob eine Calcium- und Vitamin-D-Supplementation das Osteoporoserisiko senken kann und zur Primärprävention von Kolorektalkarzinomen geeignet ist. Dazu erhielten 18.176 Frauen in der Postmenopause zweimal täglich 500 mg Calcium und 200 I.E. Vitamin D über durchschnittlich sieben Jahre, 18.106 erhielten Placebo. In diesem Zeitraum wurde in der Verum-Gruppe bei 168 Frauen ein Kolonkarzinom diagnostiziert, in der Placebo-Gruppe bei 154. Der Unterschied war nicht signifikant, so dass von keiner Kolonkarzinom-präventiven Wirkung einer Calcium/Vitamin-D-Supplementation unter diesen Bedingungen ausgegangen werden kann. Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass möglicherweise die siebenjährige Studiendauer zu kurz war, um einen protektiven Effekt einer Calcium/Vitamin-D-Supplementation auf die Entstehung eines Kolonkarzinoms zu zeigen. Es ist daher nicht auszuschließen, dass die zur Zeit andauernde Nachbeobachtung zu anderen Ergebnissen führen wird.

Statine


Atorvastatin (Sortis®)

Fluvastatin (Cranoc®, Locol®)

Lovastatin (Mevinacor®)

Pravastatin (Pravasin®, Mevalotin®)

Simvastatin (Denan®, Zocor®)

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