Recht

Hilko J. MeyerDas Arzneimittelsparpaket 2006

Am 17. Februar 2006 hat der Bundestag in zweiter und dritter Lesung das Gesetz zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung (AVWG) verabschiedet1. Es soll bereits am 1. April 2006 in Kraft treten und allein 2006 Einsparungen für die gesetzlichen Krankenkassen in Höhe von einer Mrd. Euro erbringen. Hauptbetroffene des Gesetzes sind in der öffentlichen Wahrnehmung Ärzte, Patienten, Generikahersteller und forschende Arzneimittelunternehmen. Dass auch die Apotheken erhebliche Einschränkungen von dem neuen Gesetz zu erwarten haben, ist dagegen kaum bekannt. Die nachfolgende Analyse zieht eine erste Bilanz.

Es ist schon ein bekanntes Ritual, dass sich die Regierungsparteien zu Beginn einer neuen Legislaturperiode auf ein Sofortprogramm zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen verständigen, bei dem es bewusst nicht um systematische Strukturveränderungen geht, sondern darum, die Tatkraft der neuen Regierung zu demonstrieren, indem kurzfristige Einsparziele realisiert werden. Ebenso regelmäßig beschränken sich diese Maßnahmen auf den Arzneimittelbereich, weil man dort mit einem Federstrich Milliardensummen einsparen kann, ohne breiten öffentlichen Protest befürchten zu müssen. Dass die dafür ins Feld geführten Steigerungsraten und Fehlentwicklungen meist die Resultate der vorangegangenen gesetzgeberischen Eingriffe sind, fällt dabei ebenso unter Tisch wie die Tatsache, dass es sich bei den Sofortmaßnahmen in aller Regel um ein Sammelsurium kaum zu Ende gedachter Einzelmaßnahmen handelt, deren unerwünschte Nebenwirkungen absehbarerweise spätestens in der nächsten Runde wieder korrigiert werden müssen.

Übersicht über den Regelungsinhalt des AVWG

Auch das AVWG ist ein Artikelgesetz, in dem eine Vielzahl unzusammenhängender Einzelmaßnahmen zusammengewürfelt ist. Der am 15. Dezember 2005 in erster Lesung vom Bundestag beschlossene Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen1 wurde im Zuge der Ausschussberatungen in vielen Einzelpunkten weiter verändert12, so dass eine zusammenfassende Bewertung des schließlich vom Bundestag verabschiedeten Gesetzes nicht einfach ist.3 Folgende arzneimittelrelevanten Maßnahmen sind Teil des Gesetzes:

  • Die Gewährung von Naturalrabatten an Apotheken wird ausgeschlossen; die Gewährung von Barrabatten an Apotheken wird eingeschränkt.4
  • Die dadurch frei werdenden "Rationalisierungsreserven" sollen durch eine Senkung der Herstellerabgabepreise bei generikafähigen Arzneimitteln in Höhe von zehn Prozent zu Gunsten der gesetzlichen Krankenversicherung erschlossen werden.5
  • Die Herstellerabgabepreise für alle Arzneimittel dürfen für zwei Jahre bei der Abrechnung mit den Krankenkassen nicht erhöht werden.6
  • Bei Praxissoftware für die Verordnung von Arzneimitteln sollen irreführende Angaben durch ein Zertifizierungsverfahren ausgeschlossen werden.7
  • Bei der Festbetragsfestsetzung wird die Abgrenzung zwischen festbetragsfreien "echten Innovationen mit therapeutischem Zusatznutzen, die zur Stärkung des Pharmastandorts Deutschland erwünscht sind" und festbetragsunterworfenen "Analogarzneimitteln ohne patientenrelevanten Zusatznutzen". Das untere Preisdrittel gilt auch für die Stufen 2 und 3 (patentgeschützte Arzneimittel). Die Festbeträge werden weiter abgesenkt. Die Entscheidungsprozesse der Festbetragsfestsetzung werden beschleunigt.8
  • Hersteller können die Patienten von der "Aufzahlung" bei Überschreiten des Festbetrags durch vereinbarte Direktrabatte an einzelne Krankenkassen befreien.9 In die Vertragsverhandlungen über solche Rabattverträge können auch andere Leistungserbringer oder Dritte einbezogen werden.10
  • Die gesetzlichen Krankenkassen können die Patienten von der "Zuzahlung" bei Festbetragsarzneimitteln, deren Apothekeneinkaufspreis einschließlich Mehrwertsteuer mindestens um 30 Prozent niedriger "als der jeweils gültige Festbetrag ist, der diesem Preis zugrunde liegt", befreien, soweit hieraus Einsparungen zu erwarten sind.11
  • Die Vertragsärzte werden durch eine Bonus-Malus-Regelung für die veranlassten Arzneimittelausgaben in die Haftung genommen.12
  • Die Entlassungsmedikation des Krankenhauses muss Wirtschaftlichkeitskriterien der ambulanten Arzneimittelversorgung berücksichtigen.13
  • Apothekenrechenzentren14 und Arzneimittelhersteller15 haben zusätzliche Daten für die Kontrolle und Abrechnung der Arzneimittelverordnungen zu liefern, auch an die Kassenärztlichen Vereinigungen und den Gemeinsamen Bundesausschuss.

Die Auswirkungen des AVWG im Überblick

Bei den Auswirkungen des Arzneimittelsparpakets 2006 auf die Apotheken kann zwischen umsatzrelevanten, kostensteigernden, erlösmindernden und strukturverändernden Maßnahmen unterschieden werden.

Die Maßnahmen, die sich auf die Senkung der Herstellerabgabepreise richten – also der zehnprozentige Abschlag für Generika, die Absenkung der Festbeträge und das Preismoratorium – wirken sich unmittelbar auf den Umsatz der Apotheken aus, sind aber aufgrund der weitgehenden Abkoppelung der Apothekenhonorare von den Arzneimittelpreisen durch den Fixzuschlag nur begrenzt erlösmindernd. Dies gilt auch für Herstellerpreissenkungen, die zur Zuzahlungsbefreiung des Patienten bei Generika oder durch freiwillige Rabattvereinbarungen herbeigeführt werden. Der Gesundheitsausschuss hat hierzu im Gesetz klargestellt, dass Versicherte und Apotheken nicht verpflichtet sind, Mehrkosten an die Krankenkasse zurückzuzahlen, wenn die von der Krankenkasse abgeschlossene Vereinbarung den gesetzlichen Anforderungen nicht entspricht.16 Auch die angestrebte Entkoppelung der Anschlussmedikation nach der Entlassung aus dem Krankenhaus sowie die weiter verschärften Anreize für die Vertragsärzte, preiswertere Arzneimittel zu bevorzugen, wirken sich umsatzmindernd für die Apotheken, aber nur begrenzt erlösmindernd aus. Dagegen könnten diese Maßnahmen dann negative Auswirkungen auf die Apothekenerlöse haben, wenn sie zu Mengenrückgängen bei den Arzneimittelverordnungen führen würden. Da die vorgesehenen Bonus-Malus-Reglungen für die Vertragsärzte auf die Einhaltung von Durchschnittswerten bei den Kosten der Arzneimitteltherapie in verordnungsstarken Anwendungsgebieten gerichtet sind, kann man mengenbegrenzende Wirkungen nicht ausschließen. In die gleiche Richtung zielt auch die beschlossene Ausweitung der Befugnis des Gemeinsamen Bundesausschusses, Arzneimittel aus der Erstattung auszuschließen oder diese einzuschränken, "wenn eine andere, wirtschaftlichere Behandlungsmöglichkeit mit vergleichbarem diagnostischem oder therapeutischem Nutzen verfügbar ist".

In jedem Fall werden die neuen Zuzahlungs-, Aufzahlungs- und Abschlagsregelungen in den Apotheken zu zusätzlichem Beratungsbedarf führen und daher kostensteigernd wirken. Unter "Zuzahlung" versteht man dabei den vom Patienten zu entrichtenden Eigenanteil von zehn Prozent des Abgabepreises, der mindestens fünf Euro und höchstens zehn Euro beträgt; allerdings jeweils nicht mehr als die Kosten des Mittels.17 Unter "Aufzahlung" versteht man den Betrag, den der Patient bei Festbetragsarzneimitteln zusätzlich zu tragen hat, wenn der Abgabepreis den Festbetrag überschreitet.18 Da die Hersteller künftig durch direkte Rabattvereinbarungen mit einzelnen Krankenkassen die Aufzahlung für Arzneimittel verhindern kann, deren Abgabepreis den Festbetrag überschreitet, kann dies zu unüberschaubaren Verhältnissen führen. Zwar hat der Gesundheitsausschuss im Gesetz klargestellt, dass die jeweilige Krankenkasse die erforderlichen Angaben einschließlich des Arzneimittel- und des Institutionskennzeichens der Krankenkasse an die die Vertragspartner des Rahmenvertrags nach § 129 Abs. 2 SGB V zu übermitteln hat.19 Bislang sind jedoch die gesamten Preisinformationssysteme für Apotheken auf eine solche kassenspezifische Differenzierung nicht vorbereitet. Zusätzliche Kosten für die Apothekerschaft könnte auch die Verpflichtung verursachen, über die Apothekenrechenzentren zeitnahe Verordnungsdaten für die Durchführung der Bonus-Malus-Regelungen der Ärzte zu liefern. In welchem Umfang dies praktisch relevant wird, hängt unter anderem davon ab, ob es den Kassenärztlichen Vereinigungen gelingt, die durch den Gesundheitsausschuss nachträglich eingefügte Möglichkeit der Vereinbarung alternativer Wirtschaftlichkeitsmaßnahmen mit den Krankenkassen20 zu nutzen. Ob eine so weitgehende Inanspruchnahme der Apothekerschaft für Belange der Verordnungssteuerung der Vertragsärzte noch verfassungsrechtlich zumutbar ist, bleibt fraglich.21

Unmittelbar erlösmindernd könnten sich dagegen das Verbot der Naturalrabatte und die Einschränkung der übrigen Zuwendungen an Apotheken auf diese auswirken. Nach der amtlichen Begründung des Gesetzentwurfes sollen die dadurch frei werdenden Rationalisierungsreserven durch eine Senkung der Herstellerabgabepreise bei generikafähigen Arzneimitteln in Höhe von zehn Prozent zu Gunsten der gesetzlichen Krankenversicherung erschlossen werden.22 Dadurch soll eine Entlastung der Arzneimittelausgaben der GKV bezogen auf einen Zeitraum von zwölf Monaten in Höhe von rund 500 Mio. Euro erzielt werden.23 Nach Einschätzung des Gesetzgebers wird damit "das bisherige Volumen der Rabatte für patentfreie Arzneimittel im generikafähigen Markt [...] an die Krankenkassen weitergegeben".24 Da sich diese Berechnungen ausschließlich auf den generikafähigen Markt beziehen, die Einschränkung der Rabattgewährung an die Apotheken sich aber auf alle apothekenpflichtigen Arzneimittel erstreckt, könnte dies bedeuten, dass die den Apotheken künftig nicht mehr zur Verfügung stehenden Rabatte weit über diesen Betrag hinausgehen. Der genaue Umfang hängt allerdings vom genauen Geltungsbereich des künftigen Rabattverbots ab, der im folgenden Abschnitt dieses Artikels untersucht wird.

Als strukturverändernd im Hinblick auf die Arzneimittelversorgung könnte sich schließlich die neu eingeführte Regelung erweisen, wonach die Krankenkassen oder ihre Verbände Leistungserbringer oder Dritte am Abschluss von Verträgen mit pharmazeutischen Unternehmen über zusätzliche Rabatte beteiligen oder diese mit dem Abschluss solcher Verträge beauftragen können.25 Dies soll nach der amtlichen Begründung die Verhandlungsposition der Krankenkassen stärken, da diese nun die Möglichkeit erhalten, Aufgaben im Zusammenhang mit dem Abschluss von Rabattverträgen mit pharmazeutischen Unternehmen an Leistungsanbieter oder professionelle Dienstleister ganz oder teilweise zu übertragen.26 Der Eintritt neuer Teilnehmer in den Arzneimittelmarkt könnte zu einer Entwicklung ähnlich der in den USA führen, wo Pharmaceutical Benefit Manager (PBM), die ursprünglich antraten, die Arzneimittelausgaben der Kostenträger zu senken, inzwischen selbst einen großen Teil der Arzneimittelausgaben vereinnahmen.27 Schranken für eine Übertragung auf deutsche Verhältnisse könnten allerdings die geltenden Zusammenwirkungsverbote zwischen Ärzten, Apothekern und Herstellern bilden.28

Sinnvoller könnte es sein, wenn bereits bisher im Arzneimittelmarkt tätige Leistungserbringer in die Rabattverhandlungen einbezogen werden. Ein Beispiel bildet die Flankierung von Rabattverträgen mit den führenden Generikaherstellern durch den Hausarzt-/Hausapothekenvertrag der Barmer Ersatzkasse. Strukturverändernd können sich auch die Bonus-Malus-Regelungen für Ärzte auswirken, da hiermit die Verordnungspraxis des Arztes, wenn auch vermittelt über die Abrechnung der Kassenärztlichen Vereinigungen mit den gesetzlichen Krankenkassen, finanzielle Vorteile für den Arzt generieren kann.

Das Rabattverbot des AVWG

Bereits der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD vom 11. November 2005 enthielt in ungewöhnlich konkreter Form die Ankündigung gesetzlicher Eingriffe in den Apothekenbereich.29 Noch im November 2005 legte das Bundesministerium für Gesundheit einen ersten Formulierungsentwurf zur gesetzlichen Umsetzung dieser politischen Vorgaben vor, der aber im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens mehrfach geändert wurde, zuletzt durch die Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestages. Das künftige Rabattverbot ist in § 7 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes über die Werbung auf dem Gebiete des Heilwesens30 (Heilmittelwerbegesetz – HWG) verankert und lautet in seiner am 17. Februar 2006 in zweiter und dritter Lesung vom Bundestag verabschiedeten Fassung wie folgt:

"(1) Es ist unzulässig, Zuwendungen und sonstige Werbegaben (Waren oder Leistungen) anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren oder als Angehöriger der Fachkreise anzunehmen, es sei denn, dass (...)

2. die Zuwendungen oder Werbegaben in a) einem bestimmten oder auf bestimmte Art zu berechnenden Geldbetrag oder b) einer bestimmten oder auf bestimmte Art zu berechnenden Menge gleicher Ware gewährt werden;

Zuwendungen oder Werbegaben nach Buchstabe a sind für Arzneimittel unzulässig, soweit sie entgegen den Preisvorschriften gewährt werden, die aufgrund des Arzneimittelgesetzes gelten; Buchstabe b gilt nicht für Arzneimittel, deren Abgabe den Apotheken vorbehalten ist."31

Das Heilmittelwerbegesetz hat das vorrangige Ziel, das Publikum, aber auch Ärzte und Apotheker vor unrichtiger bzw. unsachlicher Beeinflussung im Bereich der Arzneimittelwerbung zu schützen und dadurch der öffentlichen Gesundheit zu dienen. Sein Anwendungsbereich ist auf produktbezogene Werbung beschränkt, umfasst daher keine rein unternehmensbezogene Werbung.32 § 7 Abs. 1 HWG konstituiert zunächst ein über die allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Grundsätze hinausgehendes Verbot der Wertreklame im Zusammenhang mit der Abgabe von Arzneimitteln, das auch Preisnachlässe (Rabatte) umfasst.33 Werbungsadressaten sind sowohl Patienten und Verbraucher als auch die Fachkreise34; Adressaten der Verbote sind Werbetreibende sowie Empfänger der Werbegabe, sofern sie den Fachkreisen angehören.35 Ein Verstoß gegen dieses Verbot stellt für den Gewährenden wie für den Annehmenden eine Ordnungswidrigkeit dar.36 Im zweiten Schritt nimmt § 7 HWG sodann bestimmte Formen der Wertreklame von dem grundsätzlichen Verbot aus37. Nach Absatz 1 Nummer 2 HWG in der bisher geltenden Fassung waren Bar- und Naturalrabatte von dem Verbot ausgenommen, soweit sie "zusätzlich zur Lieferung eines pharmazeutischen Unternehmers oder Großhändlers an die in § 47 des Arzneimittelgesetzes genannten Personen, Einrichtungen oder Behörden gewährt" wurden.38

Durch das AVWG wird diese Ausnahmereglung völlig neu gefasst. Dabei wird zwischen Bar- und Naturalrabatten sowie sonstigen Zuwendungen oder Werbegaben unterschieden:

Naturalrabatte für apothekenpflichtige Arzneimittel ausgeschlossen

Naturalrabatte sind nach der Legaldefinition des § 7 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b HWG Zuwendungen oder Werbegaben, die in einer bestimmten oder auf bestimmte Art zu berechnenden Menge gleicher Ware gewährt werden. Die Abgabe von Naturalrabatten an Apotheken und Entgegennahme von Naturalrabatten durch Apotheken ist künftig für alle apothekenpflichtigen Arzneimittel verboten. Dies ergibt sich aus dem letzten Halbsatz: "Buchstabe b gilt nicht für Arzneimittel, deren Abgabe den Apotheken vorbehalten ist", der die Ausnahme vom Zuwendungsverbot insoweit wieder einschränkt. Das Verbot umfasst damit sowohl verschreibungspflichtige Arzneimittel, die der Arzneimittelpreisverordnung unterliegen, als auch nicht verschreibungspflichtige apothekenpflichtige Arzneimittel, für die die freie Preisbildung gilt. Das Verbot trifft sowohl die Lieferanten der Apotheke, denen die Gewährung von Naturalrabatten künftig untersagt ist, als auch die Apotheke selbst, und zwar im Hinblick auf die Gewährung von Naturalrabatten an ihre Abnehmer wie auch im Hinblick auf die Annahme von Naturalrabatten von ihren Lieferanten. Das Verbot der Naturalrabatte gilt nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers nicht nur für die Lieferung und Abgabe von Humanarzneimitteln an bzw. durch öffentliche Apotheken, sondern auch für Krankenhausapotheken39 und für Tierarzneimittel.40

In der Beratung des Gesundheitsausschusses erklärten die Mitglieder der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD, der Ausschluss von Naturalrabatten auch für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel sei sachgerecht, um eine Umgehung durch vermehrte Naturalrabatte für verschreibungsfreie Arzneimittel auszuschließen. Die kostenfreie Abgabe größerer Mengen von Packungen rezeptfreier Arzneimittel an Apotheken habe zudem dazu beigetragen, Absenkungen der unverbindlichen Listenpreise für rezeptfreie Arzneimittel zu unterbinden und damit den Preiswettbewerb zu schwächen. Der Ausschluss von Zuwendungen, insbesondere von Naturalrabatten gelte auch für Tierarzneimittel, die gemeinsam mit den Humanarzneimitteln im Arzneimittelgesetz, in der Arzneimittelpreisverordnung und im Heilmittelwerbegesetz geregelt seien. Der dargestellte Zweck der gesetzlichen Änderung, nämlich die Schaffung von Wettbewerb zugunsten des Endverbrauchers, die Schaffung von Transparenz in der Preisgestaltung sowie die Rückführung der Arzneimittelpreisgestaltung auf die Regelungen der Arzneimittelpreisverordnung, gelte auch für den Veterinärbereich.41

Barrabatte werden begrenzt

Barrabatte sind nach der Legaldefinition des § 7 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a HWG also Zuwendungen oder Werbegaben, die in einem bestimmten oder auf bestimmte Art zu berechnenden Geldbetrag gewährt werden. Barrabatte sind künftig für Arzneimittel unzulässig, soweit sie "entgegen den Preisvorschriften gewährt werden, die aufgrund des Arzneimittelgesetzes gelten". Im Hinblick auf die Abgabe von Arzneimitteln durch die Apotheke bedeutet dies zum einen, dass das bereits bisher geltende Verbot der Gewährung von Zuwendungen oder Werbegaben im Zusammenhang mit der Abgabe Arzneimittel an Patienten und Ärzte aufrechterhalten wird, allerdings nur im Hinblick auf verschreibungspflichtige Arzneimittel. Dies ergibt sich daraus, dass sich das Verbot des § 7 Abs. 1 Nr. 2 HWG auf § 78 Arzneimittelgesetz in Verbindung mit § 3 Arzneimittelpreisverordnung bezieht. Darin ist durch Festlegung des von den öffentlichen Apotheken zu erhebenden Festzuschlags für verschreibungspflichtige Fertigarzneimittel der einheitliche Apothekenverkaufspreis vorgeschrieben.

Durch die Bezugnahme auf die arzneimittelrechtlichen Preisvorschriften wird zugleich die Gewährung und Entgegennnahme von Barrababatten in allen Fällen vom Verbot ausgenommen, in denen die Arzneimittelpreisverodnung eine Ausnahme von der Preisbindung konstituiert. Diese Ausnahme gilt vor allem für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel.42 Barrabatte sind ferner uneingeschränkt zulässig, wenn es sich um die Abgabe verschreibungspflichtiger Fertigarzneimittel handelt

  • durch Krankenhausapotheken,
  • an Krankenhäuser und diesen nach § 14 Abs. 6 Satz 2 ApoG gleichgestellte Einrichtungen sowie an Justizvollzugsanstalten und Jugendarrestanstalten,
  • an die in § 47 Abs. 1 Nr. 2 bis 7 des Arzneimittelgesetzes genannten Personen und Einrichtungen unter den dort bezeichneten Voraussetzungen,
  • von Impfstoffen, die zur Anwendung bei öffentlich empfohlenen Schutzimpfungen bestimmt sind und diese Impfstoffe an Krankenhäuser, Gesundheitsämter und Ärzte abgegeben werden,
  • von Impfstoffen, die zur Anwendung bei allgemeinen, insbesondere behördlichen oder betrieblichen Grippevorsorgemaßnahmen bestimmt sind,
  • an Gesundheitsämter für Maßnahmen der Rachitisvorsorge,
  • von Blutkonzentraten, die zur Anwendung bei der Bluterkrankheit, sowie von Arzneimitteln, die zur Anwendung bei der Dialyse Nierenkranker bestimmt sind. In sämtlichen Fällen darf die Apotheke daher unter den dort genannten Voraussetzungen Barrabatte gewähren.43

Die Gewährung von Barrabatten an Apotheken und deren Entgegennahme durch Apotheken beim Bezug von Arzneimitteln von Großhändlern oder Herstellern wird durch den neuen § 7 HWG erheblich eingeschränkt. Hier sind künftig ebenfalls alle Barrabatte verboten, die "entgegen den Preisvorschriften gewährt werden, die aufgrund des Arzneimittelgesetzes gelten". Damit sollen die Barrabatte an Apotheken auf die Höhe der Großhandelsspanne begrenzt werden. In der Gesetzesbegründung heißt es dazu: "Preisnachlässe, die die Preisregelungen der AMPreisV unterlaufen würden, sind unzulässig. Der von der AMPreisV vorgegebene Rahmen stellt das Maß erlaubter Rabatte dar."44 Durch diese Neuregelung soll sichergestellt werden, dass die Vorschriften der Arzneimittelpreisverordnung eingehalten werden und die Apotheken diejenigen Handelszuschläge erhalten, die ihnen aufgrund der in dieser Verordnung festgesetzten Handelszuschläge zustehen.

Die Arzneimittelpreisverordnung regelt die Handelszuschläge der Apotheken und des Großhandels auf der Grundlage des Herstellerabgabepreises und gewährleistet damit einen einheitlichen Arzneimittelabgabepreis in den Apotheken. Barrabatte an die Apotheken bleiben in dem von der Arzneimittelpreisverordnung gesetzten Rahmen zulässig, da der Großhandelszuschlag aufgrund der Bestimmungen der Arzneimittelpreisverordnung ein Höchstzuschlag ist, auf dessen Geltendmachung gegenüber der Apotheke der Großhandel, bzw. im Falle des Direktbezugs, das pharmazeutische Unternehmen ganz oder teilweise verzichten kann. Dies bleibt auch im Rahmen der Neuregelung zulässig und ist keine unzulässige Zuwendung in Sinne dieser Vorschrift.45

Die Beschränkung von Barrabatten an Apotheken auf die Großhandelsspanne gilt gleichermaßen für die Belieferung durch den Großhandel wie für den Direktbezug. Für den Großhandelbezug ergibt sich dies aus § 2 AMPreisV, der die Großhandelshöchstspanne regelt. Für den Direktbezug vom Hersteller ergibt sich dies aus §§ 2 und 3 AMPreisV in Verbindung mit § 7 HWG. Das maßgebliche Ziel der Arzneimittelpreisverordnung ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht allein die Schaffung einheitlicher Endverkaufspreise, sondern vor allem auch die gesetzliche Begrenzung der Apothekenzuschläge, da diese das Interesse der Verbraucher sowie die Senkung des Arzneimittelpreisniveaus bezweckt. Gegen diese vorrangige Zwecksetzung wird verstoßen, wenn nicht auf die tatsächlichen "auf normaler Marktlage beruhenden" Herstellerabgabepreise abgestellt wird, sondern auf nicht oder nicht mehr praktizierte höhere Listenpreise. Dadurch würde nämlich verhindert, dass ein tatsächlich niedrigeres Niveau der Herstellerpreise, das in einem häufigen Unterschreiten der Listenpreise zum Ausdruck kommt, an die Verbraucher weitergegeben wird. Stattdessen würde entgegen dem Gesetzeszweck die Preisspanne der Apotheken erhöht; wenn die Apotheken zusätzlich zu den festgesetzten Zuschlägen die Ermäßigungen im Verhältnis zu den Listenpreisen einbehielten.46 Im Falle des Direktbezugs von Arzneimitteln durch die Apotheke beim Hersteller wird die gesetzlich den Apotheken zugestandene Spanne dann überschritten, wenn die auf den Apothekeneinkaufspreis gewährten Rabatte höher sind, als die zulässige Großhandelshöchstspanne.47 Das Verbot, die gesetzlichen Apothekenspannen zu überschreiten, gilt nicht nur für die Apotheken, sondern auch für die Hersteller, die zwar nicht Normadressat der Arzneimittelpreisverordnung sind, denen es durch die Neufassung des § 7 HWG aber verboten ist, Barrabatte an Apotheken "entgegen den Preisvorschriften" zu gewähren, "die aufgrund des Arzneimittelgesetzes gelten". Die Beschränkung der Barrabatte an Apotheken auf die Großhandelsspanne gem. Arzneimittelpreisverordnung gilt damit für Großhandels- und Direktbezug gleichermaßen.

Welche wirtschaftlichen Auswirkungen diese Rabattbeschränkung auf die Apotheken haben werden, muss die Zukunft zeigen. Rabatte an Apotheken in den künftig verbotenen Größenordnungen sind aufgrund der Halbierung der Großhandelsspanne durch das GKV-Modernisierungsgesetz ohnehin nicht der Normalfall. Dagegen wird sich diese Beschränkung in Einzelbereichen, insbesondere beim Direktbezug von Generika und Importarzneimitteln, durchaus spürbar bemerkbar machen. Dafür wird auch die Tatsache sorgen, dass ein Verstoß des Gewährenden oder des Annehmenden gegen § 7 HWG nicht nur als Ordnungswidrigkeit48 durch die Aufsichtsbehörden geahndet, sondern auch als Wettbewerbsverstoß49 zivilrechtlich verfolgt werden kann.

Da § 7 HWG ein umfassendes Verbot mit Erlaubnisvorbehalt enthält, sind bei der Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln keine sonstigen Zuwendungen oder Werbegaben im Zusammenhang mit der Abgabe oder dem Bezug von Arzneimitteln zulässig. Nicht erfasst von dem Verbot sind jedoch handelsübliche Nebenleistungen50, unselbstständige Garantieversprechen, die Nebenpflichten des Vertrages sind und der Sicherung der Hauptleistung dienen sowie Leistungen, denen eine adäquate Gegenleistung des Empfängers gegenübersteht. Zu den handelsüblichen Nebenleistungen zählen zum Beispiel Retouren, zu den unselbstständigen Garantieversprechen können Vereinbarungen über einen Lagerwertverlustausgleich gehören, zu den Leistungen mit adäquater Gegenleistung Werbekostenzuschüsse, die mit einer echten Werbeleistung der Apotheke verbunden sind.

Wo genau die Grenze zwischen derartigen zulässigen Leistungen und einer Umgehung der Rabattvorschriften, zum Beispiel durch Scheinentgelte verläuft, wird die Rechtsprechung zu entscheiden haben. Dies gilt auch für die Frage, welche Konsequenzen für die Wirksamkeit des Rabattverbots in der Praxis die Tatsache hat, dass die Regelungen des Heilmittelwerbegesetzes auf produktbezogene Werbung beschränkt sind und rein unternehmensbezogene Werbung daher nicht erfassen.

Dagegen sind handelsübliche Skonti nach Auffassung der Mitglieder der Regierungsfraktionen im Gesundheitsausschuss keine Rabatte im Sinne dieser Vorschrift, wenn sie in der Höhe angemessen seien und allein dazu dienen, einen vorfristigen Zahlungseingang bei einer angemessenen Frist im Sinne der einschlägigen Vorschriften, insbesondere der §§ 271 bzw. 286 Abs. 3 BGB zu gewährleisten.51

Am 17. Februar 2006 hat der Bundestag das Gesetz zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung verabschiedet. Hauptbetroffene sind in der öffentlichen Wahrnehmung Ärzte, Patienten, Generikahersteller und forschende Arzneimittelunternehmen. Dass auch die Apotheken erhebliche Einschränkungen zu erwarten haben, ist dagegen kaum bekannt. Unsere Analyse zieht eine erste Bilanz.

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