Influenza und Vogelgrippe

Kommentar: Was ist die richtige Strategie für Pandemie-Impfstoffe?

Die Wahrnehmung der Gefahr einer Pandemie durch Varianten des Vogelgrippe-Virus H5N1 wechselt gewissermaßen von Woche zu Woche, je nachdem ob andere Katastrophen die "volle Aufmerksamkeit" beanspruchen. Das hat Vor- und Nachteile...

Ist die Wahrnehmung nicht so hoch, halten sich viele unsinnige Spekulationen in Grenzen. Wird einmal wieder über Todesopfer oder über ein "Näherkommen" der durch das H5N1-Influenzavirus verursachten Hühnerpest berichtet, wird hektisch nach Aktionen und Entscheidungen gerufen.

Wichtig ist, dass systematisch und wenig spektakulär mehrere Technologieoptionen realisiert und evaluiert werden, um sich auf eine drohende Pandemie vorzubereiten. Bei diesen Vorbereitungen stehen Bemühungen, neue Impfkonzepte zu etablieren, an oberster Stelle.

Die klassische Strategie, Influenza-Impfstoffe zu produzieren, scheint für die Herstellung einer Pandemie-Vakzine ungeeignet: sie wäre zu langwierig, sie ist durch die Kultivierung in angebrüteten Hühnereiern zu aufwändig und sie scheint für ein aggressives H5N1-Virus ungeeignet, da das Virus die Hühnerembryonen abtötet und somit selbst die für seine effiziente Vermehrung erforderliche Biochemie-Plattform zerstört. Daher wird an Alternativen gearbeitet.

Eine dieser Alternativen beruht auf dem Verfahren der "Reversen Genetik". Hier werden alle acht Gene eines Influenza-Virus in jeweils ein Plasmid kloniert. Diese Plasmide werden dann in eine Zelllinie transfiziert, wo die genetische Information abgelesen wird und neue Viren zusammengebaut werden. Der Vorteil dieser Methode besteht darin, dass man ein Baukastensystem etablieren kann, in dem einzelne Komponenten nach Bedarf mit optimierteren Komponenten getauscht werden können. Kandidaten für einen Tausch sind die Plasmide, die die Gene für die Neuraminidase (N) und für das Hämagglutinin (H) tragen. Diese sollten nämlich möglichst exakt den Varianten entsprechen, die in einem Pandemievirus (das es bekanntlich noch nicht gibt) vorhanden sind. Ein solches Baukastensystem existiert bereits und durchläuft derzeit ein formales Zulassungsverfahren, um im Ernstfall schnell modifiziert werden zu können. Hühnereier werden hier nicht benötigt, denn die Viren vermehren sich in Säugerzellen, wie beispielsweise der bekannten CHO-Zelllinie.

Ein zweiter Ansatz verwendet ausschließlich das Hämagglutinin-Gen, das in ein Adenovirus-Genom integriert wird. Nach Infektion mit dem so modifizierten Adenovirus induziert das Hämagglutinin in Mäusen und Hühnern offensichtlich eine schützende Immunantwort.

Beiden Ansätzen ist gemeinsam, dass Gentechnik eine entscheidende Rolle bei der Impfstoffproduktion spielt, was Konsequenzen für die Anlagen hat, in denen diese Impfstoffe hergestellt werden. Sie müssen nämlich als gentechnische Anlagen zugelassen werden. Dieses Verfahren haben die betroffenen Firmen bereits in die Wege geleitet.

Eine zweite Konsequenz dieser Ansätze wird sein, dass nicht, wie bisher bei der Influenza-Impfung, ein so genannter Spaltimpfstoff eingesetzt wird, der nur die Neuraminidase und das Hämagglutinin der Impfstämme enthält, die von der WHO freigegeben wurden. Die neuen Impfstämme enthalten ganze Viren - entweder "entwaffnete" Influenza-Viren oder Adenoviren, die ein Influenzaprotein zusätzlich kodieren. Diese Maßnahmen sind erforderlich, um mit einer möglichst kleinen Impfdosis einen möglichst effektiven Immunschutz zu induzieren. Denn gewissermaßen "auf Vorrat" wird man nicht produzieren können, da man mit beiden Strategien erst ernsthaft beginnen kann, wenn ein "richtiges Pandemievirus" aufgetaucht ist.

Welche die bessere Strategie ist, kann heute keiner sagen. So ist es gut, nicht nur eine einzelne Idee zu haben, wie eine Pandemie-Vakzine aussehen könnte. Wir können nur hoffen, dass noch viel Zeit zum Testen dieser konkurrierenden Strategien bleibt, denn viel zu oft erweisen sich theoretisch durchaus plausible Strategien als suboptimal. Dies könnte sich auch für die derzeit bereits verfügbare H5N1-Modellvakzine nach der ersten Strategie andeuten, von der man offensichtlich eine größere Dosis benötigt, als man das ursprünglich prognostiziert hatte.

Prof. Dr. Theo Dingermann, Frankfurt

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